BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13137 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 22.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Atomtransporte – Intervention des Senats bei Hamburger Hafenfirmen Medienberichten zufolge hat Wirtschaftssenator Frank Horch in Gesprächen mit Hamburger Hafenfirmen darum „gebeten“, im Wege der Selbstbeschränkung auf den Umschlag und seeseitigen Transport „radioaktiver Stoffe“ im und durch den Hamburger Hafen zu verzichten. Die überwiegend in städtischen Besitz befindliche Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) sowie die Reederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt eine Minderheitsbeteiligung hält, sollen sich in diesem Zusammenhang bereit erklärt haben, künftig keine Kernbrennstoffe im Sinne von § 2 Absatz 1 Atomgesetz (AtG) mehr in Hamburg umzuschlagen. Auch mit dem zweiten großen Terminalbetreiber , EUROGATE GmbH & Co. KGaA, sowie weiteren Hafenfirmen soll es in diesem Zusammenhang Gespräche gegeben haben beziehungsweise seien Gespräche geplant. Zum Hintergrund des Vorstoßes aus der Wirtschaftsbehörde wird in den Medien auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD und GRÜNEN aus dem Jahre 2015 verwiesen. Es erscheint darüber hinaus naheliegend, dass das Thema ausgerechnet jetzt – drei Jahre später – auch deshalb vom Senat aufgegriffen worden ist, weil nach dem Weggang von Olaf Scholz mit der Wahl von Peter Tschentscher zum Erstem Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg die Umsetzung linker Umweltziele ungeachtet der unmittelbar sowohl wirtschaftlichen als auch psychologischen Folgen für den in der Krise steckenden Hamburger Hafen politisch eher durchsetzbar erscheinen. Indem der Senat direkten Einfluss auf die Geschäftspolitik von – zum Teil börsennotierten – Wirtschaftsunternehmen nimmt, verlässt er den ordnungspolitischen Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft. Zudem unterläuft er damit beim Bund liegende Kompetenzen der Kernenergienutzung und begibt sich damit in eine gefährliche Nähe zu dirigistischen Regelungen im Bundesland Bremen, über die aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht gestritten wird. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Das Anliegen des Senats, auf den Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des Atomgesetzes im Hamburger Hafen freiwillig zu verzichten, wurde von der zuständigen Behörde an die Unternehmen in gesonderten Gesprächen außerhalb des Aufsichtsratsgremiums herangetragen. Im Übrigen unterliegen Beratungsinhalte, die Gegenstand von Sitzungen privater Aktiengesellschaften sind, dem Verschwiegenheitsgebot gemäß §§ 116 und 93 Aktiengesetz. Daten zum Transport von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen wurden regelmäßig im Rahmen von Schriftlichen Kleinen Anfragen berichtet. Zum Zeit- Drucksache 21/13137 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 raum ab dem Jahr 2017 siehe Drs. 21/12376, 21/11227, 21/10244, 21/9289 und 21/8147. Daten zum Transport radioaktiver Stoffe liegen der Polizei aus dem Gefahrgut- Informationssystem GEGIS jeweils für die letzten drei Monate vor. Der Begriff „Atomtransport “ wird in GEGIS nicht verwandt. Für die Beförderung von sonstigen radioaktiven Stoffen ist eine Genehmigung nach § 16 Strahlenschutzverordnung erforderlich, soweit die radioaktiven Stoffe nicht als freigestellte Versandstücke im Sinne des Gefahrgutrechtes befördert werden können. Für Beförderung, die im Rahmen von § 16 Strahlenschutzverordnung durchgeführt werden, hat der Gesetzgeber keine Meldeverpflichtung vorgesehen. Daher gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Erfassung des Umfanges von Beförderungsvorgängen , der Frequenz und des jeweiligen Transportweges. Die Hapag-Lloyd AG (HL) und die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) beantworten als börsennotierte Aktiengesellschaft aus aktienrechtlichen Gründen alle Anfragen der Aktionäre einheitlich im Rahmen ihrer Hauptversammlungen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) wie folgt: 1. Presseberichten zufolge laufen bislang circa „150 bis 170 radioaktive Transporte“ („Hamburger Abendblatt“ vom 11.04.2018) über Hamburg. Wie viele davon werden gemäß den Erwartungen des Senats aufgrund der nun mit den Hafenfirmen geführten Gespräche zukünftig wegfallen? Der Senat sieht grundsätzlich davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele der bisherigen jährlichen Atomtransporte durch Hamburg entfallen auf den „Transit“, sind also für Deutschland nur Durchgangsstation ? Wie bemisst sich die durchschnittliche Verweildauer (in Tagen) derartiger Transporte in Hamburg? Daten im Sinne der Fragestellung zum „Transit“ radioaktiver Stoffe werden in GEGIS nicht gesondert statistisch erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Haben Vertreter des Senats das Thema „Atomtransporte“ – auch unabhängig von den jetzt durch Senator Horch geführten Gesprächen – bislang in den Aufsichtsräten von HHLA beziehungsweise Hapag-Lloyd angesprochen oder dort dazu Stellung genommen? Falls ja, wann und mit welchen Inhalten und Zielrichtungen? Gibt es zu diesem Thema Beschlüsse oder Empfehlungen der Aufsichtsräte, und wenn ja, welchen Inhaltes? Falls das Thema bislang nicht diskutiert wurde : Warum haben Senatsvertreter dies nicht auf die Tagesordnung setzen lassen oder sich für einen solchen Tagesordnungspunkt ausgesprochen ? Siehe Vorbemerkung. 4. Mit welchen weiteren Hafen- oder Logistikfirmen hat der Senat – wann und mit welchen Ergebnissen – in Sachen „Atomtransporte“ Gespräche geführt beziehungsweise plant der Senat, entsprechende Gespräche zu führen? Mit weiteren Hafen- und Logistikfirmen sind Gespräche beabsichtigt. 5. Welche unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen wären beziehungsweise sind für die Unternehmen, mit denen der Senat zwecks Einstellung von „Atomtransporten“ spricht oder gesprochen hat, bei einem entsprechenden Verzicht zu erwarten? Derartige betriebswirtschaftliche Interna der betroffenen Unternehmen sind dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13137 3 6. In welchem Umfang transportieren HHLA und Hapag-Lloyd radioaktive Fracht, die nicht unter die Definitionen von § 2 Absatz 1 AtG fällt? Wie groß ist die Relation zu den Transporten gemäß des kürzlich von den Hafenfirmen ausgesprochenen „freiwilligen Verzichts“? Bitte nach Stoffen und für die Firmen HHLA und Hapag-Lloyd getrennt aufschlüsseln. Siehe Vorbemerkung und Drs. 19/3011 und 19/3835. 7. Hat der Senat den Firmen, denen er einen Verzicht auf „Atomtransporte“ nahegelegt hat beziehungsweise nahelegt, Kompensationen – gleich welcher Art – angeboten oder in Aussicht gestellt? Falls ja, in welcher Form und in welchem Umfang? Nein. 8. Wie schätzt der Senat die Gefahren von Atomtransporten durch Hamburg ein, die nicht unter die Definition von § 2 Absatz 1 AtG fallen? Für den Transport von sonstigen radioaktiven Stoffen müssen die Vorschriften des Gefahrgutrechtes eingehalten werden. Das Gefahrgutrecht legt Aktivitätsgrenzwerte für Versandstücke, Dosisleistungsgrenzwerte für Versandstücke und für das Fahrzeug sowie Kontaminationsgrenzwerte fest. Die Verpackung muss so gewählt werden, dass diese dem Gefährdungspotenzial des befördernden Gutes angepasst ist. Dies wird durch zwei Konzepte erreicht: das Prinzip der Mengenbegrenzung und das Konzept der unfallsicheren Verpackung. 9. Wie unterscheiden sich derartige Transporte in Umfang, Transportfrequenz und Transportweg von denjenigen gemäß § 2 Absatz 1 AtG? Siehe Vorbemerkung.