BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13141 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 22.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Stand der Umsetzung eines koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten Nach Angaben der Bundestherapeutenkammer leidet die Hälfte der Geflüchteten an posttraumatischen Belastungsstörungen. Geflüchtete Kinder sind 15-Mal so oft betroffen wie in Deutschland geborene, aber nur ein Bruchteil der Geflüchteten erhält eine Psychotherapie. Am 14.04.2016 gab es einen Beschluss der Bürgerschaft über die Einrichtung eines koordinierenden Zentrums für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten (Drs. 21/3816). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Anteil der traumatisierten Geflüchteten an der Gesamtzahl der Geflüchteten? Wie hoch ist der Anteil bei geflüchteten Kindern und bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten? Dem Senat liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 2. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Anzahl der Geflüchteten, die seit 2015 psychotherapeutische beziehungsweise psychiatrische Behandlung/Therapie in Anspruch genommen haben? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Anzahl der von der AOK Bremen/Bremerhaven genehmigten Psychotherapien: 2015 2016 2017 2018 (bis Mai) 86 101 62 40 Die Zahlen betreffen nur die Anzahl der von der AOK Bremen/Bremerhaven genehmigten Psychotherapien für Geflüchtete während des Grundleistungsbezugs nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz. Im Übrigen liegen dem Senat keine Zahlen vor, da die Geflüchteten größtenteils in der gesetzlichen Krankenversicherung versorgt werden. Die Anzahl der in Anspruch genommenen psychiatrischen Behandlungen werden statistisch nicht erfasst, da es sich bei diesen um eine ärztliche Behandlung handelt, bei der keine vorherige Genehmigung erforderlich ist. Eine händische Auswertung der ärztlichen Abrechnungen durch die betreuenden Krankenkassen ist aufgrund der Vielzahl der Fälle (über 10.000 Einzelpositionen pro Quartal) in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Wie viele Traumaambulanzen gibt es in Hamburg für Geflüchtete oder sind in Planung? Welche richten sich insbesondere an geflüchtete Kinder - und Jugendliche? Drucksache 21/13141 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verfügt über drei sogenannte Traumaambulanzen, in denen aus verschiedenen Anlässen akut und komplextraumatisierte Patientinnen und Patienten behandelt werden, darunter auch Geflüchtete. Es handelt sich um die Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie , den Trauma-Bereich der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik sowie um die in enger Kooperation mit der Stiftung „Children for Tomorrow“ betriebene Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH. Darüber hinaus ist die Einrichtung des in Drs. 21/7325 beschriebenen Zentrums in Planung. Im Übrigen siehe Drs. 21/12234. 4. Mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Traumaambulanzen ausgestattet und wie viele Therapiesuchende werden pro Mitarbeiter /in betreut? Bitte VZÄ und Berufsbezeichnung benennen. In der Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE sind 2,5 Vollkräfte (VK) eingesetzt. Hierbei handelt es sich um mehrere psychologische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine Psychologische Psychotherapeutin und eine Ärztin. Pro Quartal werden circa 80 Patientinnen und Patienten pro VK behandelt. Bei etwa einem Drittel dieser Patientinnen und Patienten handelt es sich um geflüchtete Menschen. Im Trauma-Bereich der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE sind ärztliche und psychologische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit traumatherapeutischer Ausbildung im Umfang von circa 2,2 VK eingesetzt. Pro Quartal werden circa 75 Patientinnen und Patienten pro VK behandelt, bei denen es sich jedoch nur zu einem Teil um Flüchtlinge handelt und zudem nicht in allen Fällen die Traumatisierung im Vordergrund steht, sondern andere psychische Auffälligkeiten und Störungen. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von insgesamt 8,5 VK eingesetzt, darunter Ärztinnen und Ärzte (2,1 VK), Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeutinnen und -Psychotherapeuten (1,95 VK), Psychologinnen und Psychologen (1,64 VK), Kunsttherapeutinnen und -therapeuten (0,83 VK) sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Systemische Therapeutinnen und -therapeuten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung. Durchschnittlich werden circa 350 Patientinnen und Patienten im Quartal behandelt. 5. Wie lang ist die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz in den jeweiligen Traumaambulanzen? In der Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE beträgt die Wartezeit aktuell vier bis fünf Wochen. Im Trauma-Bereich der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE beträgt die Wartezeit circa sechs Wochen. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH beträgt die Wartezeit derzeit circa vier Wochen, wobei für poststationäre Behandlungen Termine innerhalb von zwei Wochen vergeben werden können. 6. Wie viele Dolmetscher/-innen werden in den Traumaambulanzen für welche Sprachen eingesetzt? Welche Qualifikationsanforderungen müssen die Dolmetscher/-innen erfüllen und wie werden sie vergütet? Bitte auch mit VZÄ angeben. Die Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Trauma-Bereich der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE greifen bei Bedarf auf den Dolmetscherdienst am UKE zurück, der durch das International Office (IO) des UKE vermittelt wird (siehe auch Drs. 21/1398 sowie Drs. 21/2386). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13141 3 Das IO hat Zugriff auf circa 160 Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die derzeit 72 Sprachen sowie das Gebärdendolmetschen abdecken. Wird eine Sprache benötigt, die nicht aus dem „Stamm“ der UKE-Honorar-Dolmetscherinnen und -Dolmetscher verfügbar ist, werden zusätzliche Dolmetscher beauftragt. Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher des UKE-Dolmetscherdienstes sind freiberufliche Honorarkräfte, die die Fremdsprache in der Regel als Muttersprache erlernt haben und fließend Deutsch sprechen. Ihre Abrechnung erfolgt auf Stundenbasis zuzüglich Fahrtkostenpauschale. Sie sind überwiegend entweder im Rahmen des Projektes „Migrantenversorgung im UKE“ gesondert geschult oder aber hauptberuflich tätige, vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher, zu einem kleinen Anteil auch erfahrene Medizinstudierende mit entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen. Eine Angabe von VZÄ beziehungsweise VK ist dem UKE vor diesem Hintergrund nicht möglich. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher nach Bedarf als freiberufliche Honorarkräfte eingesetzt, die Vergütung erfolgt ebenfalls nach Honorarvereinbarung auf Stundensatz-Basis zuzüglich Fahrtkostenpauschale. Eine Angabe von VZÄ beziehungsweise VK ist dem UKE vor diesem Hintergrund nicht möglich. Im Durchschnitt finden circa 1.300 Einsätze pro Quartal statt. Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden überwiegend für die folgenden Sprachen eingesetzt: Arabisch, Albanisch, Englisch, Dari/Farsi, Französisch, Fula, Pashto, Russisch, Serbisch/Kroatisch, Somali, Türkisch, Armenisch, Kurdisch, Tschetschenisch, Tigrinya, Persisch. 7. Wie viele Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sind bei SEGEMI Seelische Gesundheit Migration und Flucht e.V. unter Vertrag? Welche Sprachen werden abgedeckt und wie viele Anfragen konnten bedient werden ? Wie werden sie vergütet? Der „Dolmetscherpool für psychotherapeutische Behandlung von traumatisierten und psychisch kranken Flüchtlingen“ (Drs. 21/6411) hat im 2. Quartal 2018 52 Sprachmittlerinnen und Sprachmittler unter Vertrag, die folgende 26 Sprachen bedienen können: Albanisch, Amharisch, Arabisch, Aserbaidschanisch, Belarussisch, Bosnisch /Kroatisch/Serbisch, Bulgarisch, Dari/Farsi, Englisch, Französisch, Fula, Italienisch , Kirgisisch, Kurdisch (Sorani, Cumanci, Khanaqiny), Mandinka, Polnisch, Rumänisch , Russisch, Spanisch, Tigrinya, Türkisch, Tschetschenisch, Ukrainisch, Urdu, Vietnamesisch, Wolof. Seit Projektbeginn (01.07.2017) konnten bis 31.03.2018 151 der 153 eingegangenen Anträge bearbeitet werden. Vom 01.07.2017 bis 31.03.2018 konnten 390 psychiatrische beziehungsweise psychotherapeutische Sitzungen mit Sprachmittlerin beziehungsweise Sprachmittler durchgeführt werden. Das Honorar für die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler beträgt 35 Euro pro Stunde zuzüglich 10 Euro für Fahrtkosten. 8. Welche finanziellen Mittel sind bereits 2017 für das koordinierende Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern, Ankerland e.V. Trauma-Therapiezentrum sowie für First Steps for Tomorrow bereitgestellt und was ist für 2018 in Aussicht gestellt? Für das koordinierende Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern wurden im Jahr 2017 keine Mittel bereitgestellt. Für das Jahr 2018 stehen Mittel in Abhängigkeit des Umsetzungstandes zur Verfügung (siehe auch Antwort zu 14.). Ankerland e.V. hat im Jahr 2017 zur Ausstattung eines Bewegungsraumes zu Therapiezwecken für Kinder und Jugendliche Mittel in Höhe von 3.412,80 Euro aus Tronc- Mitteln (Drs. 21/7033) erhalten. Darüber hinaus erhält Ankerland e.V. aus Mitteln des Hamburger Integrationsfonds vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2019 für Personal- und Honorarkosten zur Etablierung und Sicherstellung einer heilungsorientierten und störungsspezifischen Trauma- Therapie der minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten insgesamt 145.560 Euro, davon 24.260 Euro im Jahr 2017 und 121.300 Euro im Jahr 2018. Drucksache 21/13141 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Stiftung Children for Tomorrow erhält für das Projekt „First Steps for Tomorrow“ vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2019 für die Kunst-/Musik- und Gestaltungstherapie unter Einbezug von Jugendlichen und Kindern aus dem Wohnumfeld der Folgeunterkünfte Hafencity und Aschenland Mittel des Hamburger Integrationsfonds für 2017 und 2018 je 64.150 Euro, insgesamt 128.300 Euro. 9. Welche finanziellen Mittel hat die Stadt der Flüchtlingsambulanz für Kinder - und Jugendliche 2017 zur Verfügung und für 2018 in Aussicht gestellt? Für das Jahr 2017 hat das UKE 100.000 Euro erhalten. Für das Jahr 2018 ist die Förderung in der gleichen Größenordnung vorgesehen, die Details befinden sich derzeit noch in der Abstimmung. 10. Wie hat sich die Anzahl der Therapieplätze für Traumatherapie, die personelle Ausstattung und die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz seit 2015 entwickelt? Nach Auskunft des UKE haben sich die strukturellen Kapazitäten und die personelle Ausstattung in der Traumaambulanz der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie im Trauma-Bereich der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE im Wesentlichen nicht verändert (siehe auch Drs. 21/1511). Über Statistiken, aus denen sich die Entwicklung seit 2015 ergibt, verfügt das UKE nicht. In der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der Ambulanzzentrum des UKE GmbH wurden im Jahr 2015 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von insgesamt 7,5 VK eingesetzt, die jeweils circa 30 bis 40 Patientinnen und Patienten behandelt haben. Die Wartezeit auf einen Behandlungsplatz betrug circa zwölf bis 16 Wochen (wobei akute Fälle priorisiert wurden). Über Statistiken, aus denen sich die Entwicklung der strukturellen Kapazitäten, der personellen Ausstattung und der Wartezeit der Flüchtlingsambulanz seit 2015 ergibt, verfügt das UKE nicht. 11. Welche Organisationen, Initiativen und Behandlungsangebote werden im koordinierenden Zentrum für die Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten der Planung nach inbegriffen sein? Siehe Antwort zu 12. 12. In der Unterrichtung durch die Präsidentin in Drs. 21/7325 aus dem Dezember 2016 lautet es, dass zwei der vier in der dazu tätigen behördenübergreifenden Arbeitsgruppe vorliegenden Konzepte grundsätzlich sowohl der im Bürgerschaftlichen Ersuchen formulierten Aufgabenstellung als auch der genannten Voraussetzung genügen. Wie ist der Stand der Umsetzung? Die Träger der beiden geeigneten Konzepte haben sich auf eine Kooperation verständigt und ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Dieses Konzept wird derzeit zwischen den Trägern und der behördenübergreifenden Arbeitsgruppe überarbeitet. 13. Wann sind die Beratungen bezüglich einer konkreten Umsetzung abgeschlossen ? Wenn nicht, warum nicht? Es ist geplant, die Beratung hinsichtlich der konkreten Umsetzung bis zum Ende des 3. Quartals 2018 abzuschließen. 14. Wann wird das koordinierende Zentrum für Beratung und Behandlung von Folteropfern und traumatisierten Geflüchteten einsatzbereit sein? Die zuständigen Behörden gehen davon aus, dass mit der Umsetzung des Konzepts noch im Jahr 2018 begonnen wird. 15. Werden die für die in 8. und 9. genannten Mittel und in voller Höhe abgerufen ? Wenn nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13141 5 Für das koordinierende Zentrum siehe Antwort zu 8. Die für Ankerland e.V. im Jahr 2017 bereitgestellten Mittel sind in voller Höhe abgerufen worden. Im Übrigen siehe Antwort zu 9.