BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13150 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 23.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Entschädigungen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel Unmittelbar nach dem G20-Gipfel wurde aus Mitteln des Bundes und der Stadt Hamburg ein Härtefallfonds in Höhe von 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, „um den Opfern der G20-Ausschreitungen in Hamburg kurzfristig und unbürokratisch zu helfen“ (vergleiche https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/07/2017-07-20- entschaedigungen-g20-krawalle.html). Ausweislich eines Merkblattes des Senats werden ausschließlich Hilfsleistungen für Sachschäden gezahlt, die im Zusammenhang mit den Ausschreitungen um den G20-Gipfel im Zeitraum vom 06. – 09. Juni 2017 in Hamburg entstanden sind. Ersetzt werden demnach Schäden an Kraftfahrzeugen, Schäden an Gebäuden, Hausrat und Schäden durch Plünderungen, sowie Schäden an sonstigen Sachen und sonstige Schäden. Viele Gewerbetreibende haben erhebliche Kritik an diesen engen Entschädigungskriterien geübt und – auch durch die Intervention der Handelskammer – zumindest erreicht, dass diese Kriterien ein wenig ausgeweitet wurden. Demnach sollten aus dem Härtefallfonds auch die Kosten für ergriffene Schutzmaßnahmen im unmittelbaren Gefahrenbereich ersetzt werden (zum Beispiel die Vernagelung von Fenstern, Sicherheitspersonal). Zudem soll eine Entschädigung in Härtefällen erfolgen können, wenn Kleinstunternehmen durch die Umsatzeinbußen in ihrer Existenz konkret gefährdet sind und in Sonderfällen, etwa wenn ein Unternehmen durch Straßensperrungen außerhalb des Gefahrenbereichs abgeschnitten war oder auf polizeiliche Anordnung geschlossen wurde. Ausgenommen sind aber nach wie vor die Umsatzeinbußen, die den Gewerbetreibenden in der ganzen Stadt und insbesondere im Schanzen- und Karolinenviertel durch den G20-Gipfel entstanden sind, sofern sie nicht bei einem Kleinstunternehmen zu einer Existenzgefährdung führen. Die Umsatzeinbußen , die angesichts des tagelangen Ausnahmezustands eine relevante wirtschaftliche Einbuße darstellen, müssen daher von den Gewerbetreibenden selbst getragen werden. Eine Initiative aus Gewerbetreibenden aus der Schanze hat diese Praxis bereits im September 2017 kritisiert. Nach ihren Berechnungen müssten sie zur Entschädigungen ihrer Umsatzeinbußen etwa 362.000 Euro aus dem Fond erhalten. Drucksache 21/13150 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aktuell sind von den in Aussicht gestellten 40 Millionen Euro nur insgesamt 846.000 Euro ausgezahlt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie hoch ist gegenwärtig die Zahl der positiv beschiedenen und der negativ beschiedenen Anträge auf Entschädigung aus dem Härtefallfonds ? Mit Datum vom 24. Mai 2018 wurden 289 Anträge bewilligt, 57 Anträge wurden abgelehnt . 2. Wie viele der abgelehnten Anträge beziehen sich auf die Entschädigung für Umsatzeinbußen während des G20-Gipfels? Von den 57 abgelehnten Anträgen entfallen zwei Anträge auf Umsatzeinbußen. In den 289 bewilligten Anträgen sind vier Anträge enthalten, bei denen der Schaden für Umsatzeinbußen nicht berücksichtigt und nur der aus dem Härtefallfonds bewilligungsfähige Schaden reguliert wurde. 3. In wie vielen Fällen sind Gewerbe/Betriebe aufgrund einer polizeilichen Anordnung geschlossen worden? In 40 Fällen. 4. Inwieweit und in wie vielen Fällen hat die zuständige Behörde Gewerbetreibende /Betriebe in dem Schanzenviertel, Karolinenviertel und St. Pauli dazu geraten, ihre Gewerbe/Betriebe während des Gipfels zu schließen? Seitens der Polizei Hamburg wurden keine Gespräche im Sinne der Fragestellung geführt. Im Rahmen von allgemeinen Gesprächen im Vorfeld des Gipfels haben Vertreter der Polizei Hamburg wiederholt auf den Bürgerbrief des Präses der Behörde für Inneres und Sport vom 30. März 2017 an das City Management Hamburg verwiesen. In diesem Schreiben wurde mitgeteilt, dass keine Veranlassung bestehe, die Geschäfte während des Gipfels nicht zu öffnen. 5. Im Vorfeld des Gipfels wurde auf der Homepage der Stadt Hamburg ein FAQ zum G20-Gipfel veröffentlicht. Darin heißt es: „Der Zugang zu Geschäften außerhalb der Sicherheitszonen ist selbstverständlich jederzeit möglich. Dies gilt insbesondere für alle Geschäfte in der Marktstraße sowie in der Karolinenstraße südlich der Flora-Neumann-Straße. Nur wenige Geschäfte werden innerhalb der Sicherheitszone liegen. Dabei handelt es sich insbesondere um Geschäfte in der Lagerstraße und auf dem Gelände des Schlachthofes. Auch bei diesen Geschäften soll der Geschäftsbetrieb – wie schon beim OSZE-Ministerrat 2016 – weitestgehend aufrechterhalten werden; auch Lieferungen werden weiter möglich sein. (…) (vergleiche http://www.hamburg.de/g20-gipfel/fragen-undantworten /8919084/faq-messehallen-g20/#marker26). Hält der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde auch nach dem Gipfel an dieser Einschätzung fest? Die Sicherheitsbehörden halten an der Einschätzung fest. So war der Zugang zu den Geschäften in der Marktstraße sowie in der Karolinenstraße südlich der Flora- Neumann-Straße während des G20-Gipfels trotz der in unmittelbarer Nähe eingerichteten Sicherheitszone möglich. Nach den Erkenntnissen der Polizei haben in der Zeit des G20-Gipfels einige Gewerbetreibende im Bereich Marktstraße/Karolinenstraße jedoch von sich aus entschieden, ihre Gewerbeeinrichtungen nicht zu öffnen. 6. Anwohner/-innen, Besucher/-innen und Arbeitnehmer/-innen haben während des G20-Gipfels die Erfahrung gemacht, dass zeitweise ganze Straßenzüge unpassierbar waren oder von der Polizei abgesperrt waren. Ein normaler Alltag war in der Stadt während des Gipfels nicht möglich. Ist der Senat angesichts der spürbaren Auswirkungen, die der G20- Gipfel für die Menschen in Hamburg hatte, der Auffassung, dass die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13150 3 während dieses Zeitraums entstandenen Umsatzeinbußen nicht kausal auf den G20-Gipfel zurückzuführen sind? Ein kausaler Zusammenhang kann ohne Prüfung des Einzelfalles weder ausgeschlossen , noch kann ein direkter beziehungsweise ausschließlicher Kausalzusammenhang ohne Prüfung des Einzelfalles pauschal angenommen werden. Zu den anlässlich des G20-Gipfels seitens der Polizei vorgenommenen Sperrungen siehe im Übrigen Drs. 21/10356. 7. Aus welchem Grund sind Umsatzeinbußen (sofern es sich nicht um Kleinstunternehmen handelt, die durch die Umsatzeinbußen in ihrer Existenz bedroht sind) von einer Entschädigungszahlung ausgenommen ? Entsprechend der haushaltsrechtlichen Ermächtigung (Drs. 21/9805) war der Härtefallfonds auf Billigkeitsentschädigung für durch Straftaten verursachte Sachschäden gerichtet, die nicht durch eine Versicherung ersetzt werden. 8. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde das Gespräch mit den Gewerbetreibenden gesucht, um einen direkten Austausch zu gewährleisten? Zu den im Vorwege des G20-Gipfels durchgeführten Informationsveranstaltungen siehe Drs. 21/10356 und Drs. 21/8883. Darüber hinaus war die Polizei/Polizeikommissariat (PK) 16 im Rahmen einer Nachbereitung/Nachsorge neben Einzelgesprächen an den im Folgenden dargestellten Maßnahmen beteiligt: 8. Juli 2017: Treffen des ersten Bürgermeisters und des Bundespräsidenten mit Betroffenen der Ausschreitungen aus Anlass des G20-Gipfels am PK 16. 10. Juli 2017: Treffen mit einem Vorstandsmitglied des Quartierbeirates Schanzenviertel . 10. – 14. Juli 2017: Einsatz eines Info-Mobils in der Straße Beim Grünen Jäger. 17. – 21. Juli 2017: Einsatz eines Info-Mobils in der Straße Beim Grünen Jäger; zeitgleich Beginn der aufsuchenden Polizeiarbeit durch die zuständigen Beamten des besonderen Fußstreifendienstes im Schanzenviertel mit dem Ziel der Informationsweitergabe in Sachen Entschädigung. 23. August 2017: Teilnahme an der Sitzung des Quartiersbeirates Schanzenviertel zur Nachbereitung des G20-Gipfels. 9. Januar 2018: Nachsorgegespräch mit gewerbetreibenden Betroffenen des G20- Gipfels am PK 16. 13. Februar 2018: Nachsorgegespräch mit gewerbetreibenden Betroffenen des G20- Gipfels am PK 16. 1. März 2018: Nachbereitung der Geschehnisse mit dem Elternbeirat der Ganztagsschule Sternschanze. 13. März 2018: Nachbereitung und Ausblick mit dem Vorstand des Quartiersbeirates Schanzenviertel. 9. Welche nicht monetären Maßnahmen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ergriffen oder will sie noch ergreifen, um die von den Umsatzeinbußen betroffenen Geschäfte zu unterstützen? Die Mittelstandspolitik des Senats ist generell darauf ausgerichtet, gute Rahmenbedingungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in Hamburg zu gestalten , diese kontinuierlich weiterzuentwickeln und so zu einer gedeihlichen Entwicklung des Mittelstands beizutragen. Dazu gehört eine Vielzahl von Maßnahmen. Zu solchen mit konkretem Bezug zu den Ereignissen rund um den G20-Gipfel siehe Antwort zu 8. 10. Wofür sollen die rund 39 Millionen Euro aus dem Härtefallfonds verwendet werden, wenn die Entschädigungszahlungen abschließend beendet sind? Drucksache 21/13150 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Für den Hamburger Anteil wurden keine Mittel gesondert bereitgestellt, sondern die Bürgerschaft hat den Senat mit Drs. 21/9805 ermächtigt, die erforderlichen Mittel aus der Allgemeinen Zentralen Reserve dem Härtefallfonds entsprechend dem jeweiligen Regulierungsstand zu übertragen. Die sich nach Abschluss und Abrechnung der Entschädigungszahlungen für den Härtefallfonds gegenüber der denkbaren Maximalbeteiligung des Bundes errechnenden Mittel werden der Behörde für Inneres und Sport entsprechend einer mit dem Bund geschlossenen weiteren Verwaltungsvereinbarung zur Deckung dort entstandener sicherheitsbedingter Mehraufwendungen im Rahmen des G20-Gipfels ergänzend zur Verfügung gestellt. 11. Beurteilt der Senat die gegenwärtige Praxis der Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit G20 als gerecht im Hinblick darauf, dass Gewerbetreibende, die aufgrund tagelangen Ausnahmezustandes während des G20-Gipfels erhebliche wirtschaftliche Nachteile erlitten haben, nicht entschädigt werden? Siehe Antwort zu 7.