BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13157 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 23.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Lässt der Senat Prostituierte zu lange auf die ihnen zustehende Gesundheitsberatung warten? Laut Medienberichten stockt die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes . Dieses ist bereits zum 1. Juli 2017 in Kraft getreten. Erst im November begann in Hamburg die vom Gesetz vorgesehene Gesundheitsberatung, allerdings betragen die Wartezeiten auf einen Termin aktuell auch mehrere Wochen bis Monate. 428 Prostituierte hätten bisher immerhin eine Anmeldebescheinigung erhalten. Da aber geschätzt wird, dass in Hamburg zwischen 2.200 und 6.000 Prostituierte tätig sind, kann man hier bisher nicht von einem Erfolg bei der Umsetzung sprechen – und das obwohl sich der rotgrüne Senat stets damit rühmt, besonders vorbildlich bei dieser Gesetzesumsetzung zu sein. Drs. 21/11140 berichtet zwar über den Stand der Umsetzung, ist allerdings vom November 2017, aber seitdem scheint sich offenbar auch nicht viel getan zu haben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) befindet sich in Hamburg auf sehr gutem Weg. Über die operative Umsetzung und den aktuellen Stand hat der Senat mehrfach berichtet (siehe unter anderem Drs. 21/11140 und Drs. 21/12044 sowie im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration am 19. April 2018). Einige Länder haben das Anmelde- und Erlaubnisverfahren nach wie vor operativ nicht beziehungsweise nicht vollständig umgesetzt. Dies wirkt sich auch in Hamburg im Hinblick auf die entsprechenden Kontroll- und Überwachungsaufgaben aus. Anmeldebescheinigungen von Prostituierten aus diesen Ländern, die nur vorübergehend in Hamburg arbeiten wollen, könnten nicht zielgerichtet kontrolliert werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Die Medien berichten aktuell von langen Wartezeiten für die Gesundheitsberatung . a) Wie viele Gesundheitsberatungen wurden bisher seit November 2017 durchgeführt? Bitte nach Monat auflisten. Von November 2017 bis April 2018 wurden insgesamt 691 Gesundheitsberatungen nach § 10 ProstSchG durchgeführt. Die Beratungszahlen für Mai 2018 liegen noch nicht vor. Monat Anzahl der Gesundheitsberatungen November 2017 178 Dezember 2017 129 Januar 2018 132 Drucksache 21/13157 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Monat Anzahl der Gesundheitsberatungen Februar 2018 88 März 2018 75 April 2018 89 b) Wie viele warten derzeit auf einen Termin zur Gesundheitsberatung ? c) Wie lange sind die Wartezeiten durchschnittlich? Wann ist momentan der späteste Termin vergeben? Die erbetenen Daten werden statistisch nicht erfasst. Es sind Termine bis in den September 2018 vergeben, hierunter befinden sich jedoch auch bereits Termine für die zweite gesundheitliche Beratung. Klientinnen und Klientinnen können unabhängig hiervon in dringenden Fällen innerhalb von sechs Tagen einen Termin erhalten. Zusätzlich bietet ab Mitte Juni 2018 eine offene Sprechstunde an zwei Tagen die Möglichkeit, auch kurzfristig einen Termin zu erhalten. d) „Die Personalbemessung zur Einrichtung der Gesundheitsberatung sowie der Anmelde-, Erlaubnis- und Überwachungsstelle hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, deren Datengrundlage bislang jedoch nur geschätzt werden kann. Daher wird ein stufenweiser und ressourcenschonender Personalaufbau angestrebt“, heißt es auf Seite 9 der Drs. 21/11140. Wie viele Mitarbeiter/VZÄ sind aktuell in der Gesundheitsberatung tätig? Ist eine Aufstockung geplant? Wenn ja, zu wann, auf welcher Bemessungsgrundlage und mit wie vielen VZÄ? Wenn nein, warum nicht? In der Gesundheitsberatung sind aktuell drei Sozialpädagoginnen auf zwei VZÄ und eine Verwaltungskraft auf einem VZÄ tätig. Die gemäß Drs. 21/11140 noch zu besetzenden Stellen befinden sich in der Ausschreibung. e) Auch ist von „deutlicher Arbeitsspitze im Zeitraum von Ende 2017 bis Anfang 2018“ die Rede. „Diese Arbeitsspitzen werden temporär mit zusätzlichem Personal nach Bedarf aufgefangen (interne Mobilität , Zeitarbeit).“ Gab es diese Arbeitsspitzen und wie hoch war der daraus resultierende zusätzliche Personalbedarf? Wie wurde er von wann bis wann gedeckt? Nein. 2. Die Nachfrage nach den sogenannten Hurenpässen ist laut Medienberichten zurückhaltend. a) Wie viele Anmeldebescheinigungen wurden bisher ausgeteilt? b) Wie lange sind momentan die Wartezeiten für den Erhalt einer Anmeldebescheinigung? c) Wie viele Termine für die Beantragung der Anmeldebescheinigung liegen bereits vor? d) Wie viele Mitarbeiter/VZÄ sind aktuell in diesem Bereich tätig? e) Ist hier eine personelle Aufstockung geplant? Wenn ja, zu wann, auf welcher Bemessungsgrundlage und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Das zentral zuständige Fachamt hat seit November 2017 479 Anmeldebescheinigungen ausgestellt und insgesamt 1.129 Termine für die Anmeldung vergeben (Stand 24. Mai 2018). Zwischen der Terminvergabe und der persönlichen Vorsprache im Rahmen des Informations- und Beratungsgesprächs nach § 7 ProstSchG liegen derzeit Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13157 3 rund drei Wochen. Aktuell beträgt der Besetzungsumfang für den Bereich der interdisziplinären Sachbearbeitung für die Aufgaben des Anmelde- und Erlaubnisverfahren sowie der Überwachung 6,38 VZÄ. Der in Drs. 21/11140 dargelegte Personalbedarf von 8,0 VZÄ (Soll) konnte im bisherigen Personalauswahlverfahren noch nicht vollständig gedeckt werden. Derzeit sind erneute Ausschreibungen in Vorbereitung mit dem Ziel, die vorhandenen VZÄ auszuschöpfen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Das Gesetz sieht auch vor, dass auch die Prostitutionsbetriebe eine Erlaubnis für die Ausübung des Gewerbes beantragen müssen. a) Wie viele Betriebserlaubnisse wurden bisher beantragt? b) Wie viele davon wurden gewährt, versagt beziehungsweise der Termin hat noch nicht stattgefunden? c) Wie lange sind momentan die Wartezeiten für den Erhalt einer Betriebserlaubnis? d) Welche Voraussetzungen für den Erhalt einer Betriebserlaubnis müssen erfüllt sein, welche Unterlagen müssen vorgelegt werden und in welcher Form erfolgt die Überprüfung der Voraussetzungen? e) Wie viele Mitarbeiter/VZÄ sind in diesem Bereich momentan tätig? f) Ist hier eine personelle Aufstockung geplant? Wenn ja, zu wann, auf welcher Bemessungsgrundlage und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? g) Bezüglich der Betriebe, die bereits eine Erlaubnis erhalten haben: Wie viele Mitarbeiter sind dort jeweils tätig? Dem zentral zuständigen Fachamt liegen derzeit 126 Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG vor (Stand 24. Mai 2018). Bislang wurden noch keine Anträge bewilligt oder versagt. Die Prüfungen der umfangreich eingereichten verbindlichen Unterlagen sind noch nicht abgeschlossen. Erhebungen beziehungsweise Erfahrungswerte zur Dauer des betrieblichen Erlaubnisverfahrens liegen aufgrund der Komplexität des Verfahrens und der jeweiligen Einzelfallprüfung derzeit noch nicht vor. Der Gesetzgeber hat im ProstSchG die umfangreichen Anforderungen für den Erhalt einer Betriebserlaubnis geregelt (siehe § 12 fortfolgende ProstSchG). Zu den geforderten Darlegungspflichten im Rahmen der einzureichenden Betriebskonzepte siehe: http://www.hamburg.de/prostitution/formulare-downloads/. Im Übrigen siehe Drs. 21/11140 sowie Antwort zu 2. a) bis e). 4. Das Gesetz sieht auch Kontrollen vor. Den Medienberichten zufolge haben aber bisher keine Kontrollen stattgefunden. Ab wann sollen Kontrollen in welchem Umfang mit wie vielen Mitarbeitern/VZÄ für welche Bereiche erfolgen? Wenn bisher noch keine Kontrollen geplant sein sollten , warum ist das so? Überwachungs- und Kontrollaufgaben im Sinne des ProstSchG werden bereits wahrgenommen . Vor-Ort-Kontrollen finden mit Blick auf den personellen Aufbau des zentral zuständigen Fachamtes noch nicht statt. Solange bundesweit das ProstSchG noch nicht vollständig umgesetzt ist, sind Vor-Ort-Kontrollen ohnehin nicht zielgerichtet umsetzbar. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. a) bis e) und Vorbemerkung. 5. Neue IT spielt bei der Umsetzung des Gesetzes auch eine große Rolle. Steht die inzwischen im benötigen Umfang und mit den benötigten Funktionen zur Verfügung? Wenn nein, wo besteht noch Nachholbedarf und bis wann dürfte dieser realisiert sein? Drucksache 21/13157 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das zentral zuständige Fachamt verfügt über derzeit zwei IT-Fachverfahren. Das IT- Fachverfahren für das Anmeldeverfahren steht mit den benötigten Funktionen zur Ausstellung der Anmeldebescheinigungen sowie zur Übermittlung an die Steuerverwaltung und die Bundesstatistik vollständig zur Verfügung. Für das betriebliche Erlaubnisverfahren wurde ein Zusatzmodul der Gewerbeamtssoftware migewa beschafft, welches sich derzeit im Pilotbetrieb befindet und noch optimiert werden muss. Nach Auskunft des für IT-Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zuständigen Bezirksamtes Hamburg-Nord hat der Softwarehersteller für Mitte Juli 2018 eine neue Version mit weiteren Funktionalitäten für den Bereich Prostituiertenschutz angekündigt . Aufgrund vorab nötiger Arbeiten (unter anderem Zusammenführung der Pilotumgebung mit der Produktivumgebung), vereinbarter Servicelevel und der Ressourcenverfügbarkeit bei Dataport sowie Testern ist mit einer Produktivsetzung dieser Version frühestens im September 2018 zu rechnen. Eine abschließend konsolidierte Softwareversion ist aufgrund mehrerer paralleler und ebenfalls kurzfristiger Entwicklungen (Wohnimmobilienverwalter, nationales Bewacherregister) erst zum nächsten regulären Release-Termin (01.11.2018) zu erwarten. 6. Wie wirkt sich die am 25.5.18 in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis aus? Die Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auf die Praxis lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt naturgemäß noch nicht spezifizieren. Die Verwaltungsprozesse wurden an die neuen datenschutzrechtlichen Regelungen nach DS- GVO angepasst. 7. Der Runde Tisch konstituierte sich am 12. Oktober 2017. Wie viele Treffen gab es wann mit welchen Erkenntnissen? Nach der konstituierenden Sitzung am 12. Oktober 2017 fand am 28. Februar 2018 das zweite Treffen statt. Eine dritte Sitzung ist auf den 31. Mai 2018 terminiert. Für dieses Jahr sind derzeit noch zwei weitere Treffen geplant. In der konstituierenden Sitzung wurden die der Drs. 21/9460 beigefügten „Regeln der Zusammenarbeit“ als verbindliche Vereinbarung für die weitere Zusammenarbeit mit kleineren Änderungen einvernehmlich beschlossen. Als weiteres ständiges Mitglied des Runden Tischs wurde eine Vertretung des Projekts „Ragazza Kontakt“ aufgenommen . Darüber hinaus ist ein Themenkatalog erarbeitet worden, der sukzessive bearbeitet werden soll. Dieser enthält insbesondere konkrete Fragestellungen beziehungsweise Themen zur Umsetzung des ProstSchG (zum Beispiel Datenschutz, Steuerrecht, Informationsvermittlung), zum Hilfesystem (zum Beispiel im Hinblick auf trans*Prostituierte), zum Spannungsfeld Freiwilligkeit – Zwang/Menschenhandel sowie zum Thema „Sexarbeit“ insgesamt. Im Mittelpunkt der zweiten Sitzung standen der aktuelle Sachstand sowie konkrete Fragestellungen zur Umsetzung des ProstSchG. Angesichts der bisherigen Erfahrungen in der Umsetzung des ProstSchG waren sich die Teilnehmenden geschlossen einig, steuerrechtliche Fragestellungen im Lichte des ProstSchG zum Schwerpunktthema des nächsten Runden Tisches zu machen. Derzeit werden die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Sitzungen für eine Veröffentlichung aufbereitet. Entsprechend den „Regeln der Zusammenarbeit“ werden diese nach Abstimmung mit den Mitgliedern des Runden Tischs auf der Internetseite www.hamburg.de/prostitution öffentlich zugänglich sein. 8. Ende 2018 wird das Ergebnis der Evaluation Kontaktanbahnungsverbot St. Georg erwartet. An welches externe Forschungsinstitut ging der Auftrag und wie lautete der Ausschreibungstext? Die Vorbereitungen zur Ausschreibung der Evaluation sind noch nicht abgeschlossen. 9. Wo stockt aus Sicht des Senats aus jeweils welchen Gründen momentan die Umsetzung des Gesetzes und welche Maßnahmen plant der Senat, um das jeweilige Defizit zu beheben? Siehe Vorbemerkung.