BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13159 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dennis Thering und Michael Westenberger (CDU) vom 23.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Hat der Senat die Begründung der „Diesel-Urteile“ des Bundverwaltungsgerichts wirklich ergebnisoffen geprüft? Per Pressemitteilung vom 23. Mai 2018 hat die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) mitgeteilt, dass die bereits im Juni 2017 beschlossenen, aber bisher ausgesetzten Dieselfahrverbote für die Max-Brauer-Allee und die Stresemannstraße am 31. Mai 2018 in Kraft treten werden. Demnach hat die senatsinterne Prüfung der Begründung der sogenannten Diesel-Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 20181 keine ausreichenden Gründe für eine weitere Aufschiebung, Aussetzung oder gar Absetzung der Dieselfahrverbote geliefert. Weil aber insbesondere die Umweltbehörde unter der Ägide von Senator Kerstan seit Jahren trotz eines expliziten Ausschlusses von Dieselfahrverboten in Hamburg durch den damaligen Bürgermeister Scholz2 heimlich, still und leise weiter auf Dieselfahrverbote hingearbeitet hat (Drs. 21/6690), kommt dieses Prüfergebnis nicht überraschend . Deshalb stellt sich die Frage, ob die senatsinterne Prüfung wirklich ergebnisoffen erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Dieseldurchfahrtsbeschränkungen an der Max-Brauer-Allee und an der Stresemannstraße sind mit dem im Juni 2017 aktualisierten Luftreinhalteplan (LRP) vom Senat festgesetzt worden. Die Umsetzung der Maßnahmen stand dabei ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die rechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen auf Landesebene feststellt. Mit Urteil vom 27. Februar 2018 (Az. 7 C 26.16) hat das BVerwG entschieden (Leitsätze ): 1. Erweist sich ein auf bestimmte Straßen oder Straßenabschnitte beschränktes Verkehrsverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte, verlangt Artikel 23 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2008/50/EG, diese Maßnahme zu ergreifen. 2. Die Anordnung eines Verkehrsverbots muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Ein streckenbezogenes Verbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge geht seiner Eingriffsintensität nach nicht über straßenverkehrsrechtlich begründe- 1 Siehe http://www.bverwg.de/pm/2018/9 sowie die dort verlinkten Urteile, letzter Zugriff: 23.5.2018. 2 Siehe unter anderem: http://www.bild.de/regional/hamburg/scholz-lehnt-fahrverbote-fuerdieselautos -46923996.bild.html, letzter Zugriff: 23.5.2018. Drucksache 21/13159 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 te Durchfahr- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer und Anwohner stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Sondersituationen, insbesondere für Anwohner, ist durch Ausnahmeregelungen Rechnung zu tragen. Das BVerwG sieht Dieseldurchfahrtsbeschränkungen somit als rechtlich zulässige Maßnahmen an, die bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zu ergreifen sind. Aus dem LRP geht hervor, dass die Dieseldurchfahrtsbeschränkungen in den genannten Straßen die einzigen geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte sind. Aus dem LRP geht weiter hervor, dass diese Maßnahmen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Stelle in welcher Behörde hat die Begründung der Urteile des BVerwG geprüft? Die Urteilsbegründungen des BVerwG wurden in der Behörde für Inneres und Sport vom Amt für Innere Verwaltung und Planung – Grundsatzangelegenheiten des Straßenverkehrs – sowie in der Behörde für Umwelt und Energie vom Amt für zentrale Aufgaben, Recht und Beteiligungen – Abteilung Umweltrecht – ausgewertet. Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation und die Senatskanzlei sind beteiligt worden. 2. Seit wann lag die Urteilsbegründung dieser Stelle vor und in welchem Zeitraum hat diese Stelle die Urteilsbegründung geprüft? Die Urteilsbegründungen des BVerwG lagen den zuständigen Behörden am 18. Mai 2018 vor und wurden bis zum 22. Mai 2018 ausgewertet. 3. Anhand welchen Verfahrens und gegebenenfalls unter Hinzuziehung welcher externer Stellen erfolgte die Prüfung? Es erfolgte eine juristische Bewertung durch die zuständigen Behörden. 4. Wann lag das Prüfergebnis dieser Stelle vor? 5. Wie lautet das komplette Prüfergebnis? Bitte den Prüfbericht beifügen. 6. Welche andere Stelle in welcher Behörde hat auf Basis des Prüfergebnisses bezüglich der beiden BVerwG-Urteil entschieden, dass die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge am 31. Mai 2018 in Kraft treten? Am 22. Mai 2018 waren die zuständigen Behörden zu der Auffassung gelangt, dass die Urteile des BVerwG der Umsetzung der bisherigen Planungen nicht im Wege stehen . Im Übrigen sieht der Senat grundsätzlich davon ab, den Wortlaut von Schreiben oder internen Aktenvermerken zu veröffentlichen. Dies käme im Ergebnis einer Aktenvorlage gleich, die gemäß Artikel 30 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg an Voraussetzungen gebunden ist, die hier nicht vorliegen. 7. Können der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden ausschließen , dass es infolge des für die Max-Brauer-Allee verhängten Fahrverbotes für Dieselfahrzeuge zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle in Hamburg, insbesondere auf der vom Senat empfohlenen Ausweichroute „Königstraße – Holstenstraße“, kommen wird? Die Modellrechnungen basieren auf den Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (BImSchV) und waren Grundlage der 2. Fortschreibung des LRP. Sie sind im LRP ebenso wie die Abwägungsgesichtspunkte zur Maßnahme der Durchfahrtsbeschränkungen dargelegt. Die Berechnungsergebnisse, die auch Ausweichverkehre und dadurch verursachte Immissionen berücksichtigen, sind im Transparenzportal veröffentlicht. Erstmalige oder weitere Überschreitungen des NO2-Grenzwertes wurden an den genannten Straßen nicht errechnet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13159 3 Im Übrigen wird auf die veröffentlichten FAQ zu Dieseldurchfahrtsbeschränkungen verwiesen, siehe dazu http://t.hh.de/10712030. 8. Wie werden sich die NO2-Messwerte nach Berechnungen des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden an der Ausweichroute „Königstraße – Holstenstraße“ in den Jahren bis 2025 entwickeln? Welche NO2-Konzentrationen wurden an der Ausweichstrecke „Königstraße – Holstenstraße“ wo genau zuletzt gemessen? Die Ergebnisse der Berechnungen weisen nach Umsetzung der im aktuellen LRP vorgesehenen Maßnahmenpakete und Einzelmaßnahmen keine Grenzwertüberschreitungen an den benannten Straßen auf. Die aktuellen Aufstellungsorte der vier für Hot-Spot-Messungen aufgestellten verkehrsnahen Messstellen finden sich unter http://luft.hamburg.de/. Archivierte Messdaten des Hamburger Luftmessnetzes HaLM sind unter dem gleichen Link einsehbar. 9. Können der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden ausschließen , dass es infolge des für die Stresemannstraße verhängten Fahrverbotes für Dieselfahrzeuge zu einer erstmaligen oder weiteren Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle in Hamburg, insbesondere auf den vom Senat empfohlenen Ausweichrouten (1, 2 und 3) kommen wird? Siehe Antwort zu 7. 10. Wie werden sich die NO2-Messwerte nach Berechnungen des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden an diesen drei Ausweichrouten jeweils in den Jahren bis 2025 entwickeln? Welche NO2- Konzentrationen wurden an den drei Ausweichstrecken jeweils wo genau zuletzt gemessen? Siehe Antwort zu 8. 11. Werden beim Dieselfahrverbot für die Max-Brauer-Allee Ausnahmeregelungen für mobilitätseingeschränkte Dieselfahrer/-halter, die über eine entsprechende Parkausweisberechtigung verfügen und von der Kfz- Steuer befreit sind, geschaffen? Mobilitätseingeschränkte Kraftfahrzeugführer können weiterhin jede Adresse, die in einem der durchfahrtsbeschränkten Straßenabschnitte belegen ist, anfahren. Sofern sie hierzu Fahrzeuge nutzen, die grundsätzlich von dem Verbot erfasst sind, sind diese Fahrten dem Anliegerverkehr zuzuordnen, welcher weiterhin zugelassen ist. Insofern bedarf es keiner Erteilung von Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall. Im Übrigen siehe Drs. 21/12191. 12. Werden beim Dieselfahrverbot für die Stresemannstraße Ausnahmeregelungen für mobilitätseingeschränkte Dieselfahrer/-halter, die über eine entsprechende Parkausweisberechtigung verfügen und von der Kfz- Steuer befreit sind, geschaffen? Die Dieseldurchfahrtsbeschränkung in der Stresemannstraße gilt für Lkws schlechter Euro VI, im Übrigen siehe Antwort zu 11. 13. Die Dieselfahrverbote haben eine unmittelbare Auswirkung auf Hunderttausende Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen in Hamburg. Warum gibt es dann mit Stand 23. Mai 2018 auf der Startseite von www.hamburg.de keinerlei Angaben und/oder Verlinkungen zu dieser Thematik (beispielsweise zu Ausweichrouten oder dem Tag des Inkrafttretens und so weiter)? Die Pressemitteilung mit der Terminverkündung des Inkrafttretens wurde am Mittwoch, 24. Mai 2018, online gestellt und war auf folgenden Seiten http://www.hamburg.de/pressemeldungen/, www.hamburg.de/bue, Drucksache 21/13159 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 http://www.hamburg.de/bue/presse/ sowie über den gebräuchlichsten Suchdienst auffindbar. Die Meldung wurde außerdem zeitnah auf der hamburg.de-Startseite verlinkt.