BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13160 21. Wahlperiode 29.05.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 23.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Konsequenzen aus der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung für die Praxis Am 1. Juli 2017 ist das Gesetz zur Neugestaltung des Rechts der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Kraft getreten, das zu einer völligen Neugestaltung der Vermögensabschöpfung führte. Straftaten sollen sich nicht lohnen , weshalb seit der Reform die Einziehung des Taterlangten in den §§ 73 fortfolgende StGB fast ausschließlich als zwingendes Recht ausgestaltet ist: Die Staatsanwaltschaft hat die Einziehung des Taterlangten zu beantragen und das Gericht hat sie anzuordnen, wenn die Voraussetzungen vorliegen; unabhängig davon, ob es sich um ein Verfahren mit oder ohne Geschädigten handelt und ob Vermögenswerte bei dem Täter vorläufig gesichert wurden oder nicht. Ein Absehen von der Einziehung ist nur unter den Voraussetzungen des § 421 StPO möglich und kommt somit nur ausnahmsweise in Betracht. Nach Anordnung der Einziehung des Taterlangten durch das Gericht ist diese Entscheidung zu vollstrecken. Die Staatsanwaltschaft ist nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung für die Verteilung des Erlöses beziehungsweise des eingezogenen Gegenstandes an die Verletzten zuständig. Die neuen Aufgaben sind also mit einer deutlichen Mehrbelastung für Richter und Staatsanwälte, insbesondere aber für die Rechtspfleger, verbunden. Im Bereich der Staatsanwaltschaft erfolgte eine personelle Verstärkung (1,0 Oberstaatsanwalt R 2, 4,0 Staatsanwalt R 1 und 5,0 Tarifbeschäftigte E 6) zur effektiveren Nutzung der Möglichkeiten im Rahmen der Vermögensabschöpfung mit Beschluss der Drs. 21/6980. Diese Stellen, deren Finanzierung spätestens ab 2018 über die erwirtschafteten Mehreinnahmen erfolgen soll, weisen jedoch einen kw-Vermerk („künftig wegfallend“) bis zum 31. Dezember 2018 aus. Nach Angaben des Senats in der Drs. 21/12666 wurden im Rahmen der Vermögensabschöpfung im Jahre 2017 3.745.064,36 Euro endgültig der Staatskasse zugeführt, im Jahr 2016 waren es 2.097.197,98 Euro (Drs. 21/8794), im Jahre 2015 2.526.030,74 Euro (Drs. 21/4165). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Straftaten sollen sich nicht lohnen. Deshalb wurde im Strafrecht die sogenannte Vermögensabschöpfung implementiert, die sicherstellen soll, dass der rechtswidrig erlangte Vorteil nicht bei dem Täter verbleibt. Das erlangte Vermögen muss effektiv abgeschöpft werden. Die Bürgerschaft hat bereits Ende des Jahres 2016 eine Ver- Drucksache 21/13160 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 stärkung der Staatsanwaltschaft beschlossen und den Senat ersucht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Um unter anderem einem möglichen Mehraufwand durch die zu dem Zeitpunkt avisierte Änderung der Strafprozessordnung im Bereich der Vermögensabschöpfung durch Verstärkung der Dezernenten und der Servicekräfte rechtzeitig zu begegnen, wurde die Staatsanwaltschaft entsprechend verstärkt. Ob und inwiefern die sich aus der zum 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Novelle ergebenden praktischen Auswirkungen über die bereits erfolgten Verstärkungen hinaus weitere Bedarfe hervorrufen, wird zurzeit noch geprüft. Wie in der Drs. 21/6980 vorgesehen , wird der Senat der Bürgerschaft diesbezüglich über den aktuellen Stand der Entwicklung in Hamburg zum 30. September 2018 berichten. In diesem Zusammenhang wird auch über den Stand der laufenden Aufstellung des Haushaltsplans für die Jahre 2019 und 2020 berichtet werden können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche konkrete Mehrbelastung hat sich durch die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung a. bei der Staatsanwaltschaft, b. bei den einzelnen Gerichten, für Staatsanwälte, Richter und Rechtspfleger jeweils ergeben? 2. Welche praktischen Auswirkungen hat die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auf die Jugendstrafverfahren? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie hat sich die Anzahl der Stellen für Rechtspfleger bei der Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2016 entwickelt? Bitte jeweils Stellensoll und Besetzungsumfang zum Stichtag 1. Januar und 1. Juli angeben. Wie viele dieser Stellen sind für die Vermögensabschöpfung vorgesehen? Stellensoll und -besetzung der Rechtspfleger bei der Staatsanwaltschaft sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 01.01.2016 01.07.2016 01.01.2017 01.07.2017 01.01.2018 24.05.2018 Stellen - soll Besetzungs - umfang Stellen - soll Besetzungs - umfang Stellensoll Besetzungs - umfang Stellensoll Besetzungs - umfang Stellensoll Besetzungs - umfang Stellensoll Besetzungs - umfang 30,00 27,80 30,00 28,80 30,00 28,90 30,00 28,90 30,00 28,00 30,00 28,00 4. Wurde der erforderlich erhöhte Einsatz im Rahmen der Personalbedarfsberechnung erfasst? Falls ja, welcher Mehrbedarf wurde hierbei ermittelt? Bitte nach Staatsanwälten , Richtern und Rechtspflegern getrennt darstellen. Falls nein, weshalb nicht? 5. Wurden seitens der Generalstaatsanwaltschaft für die Aufstellung des neuen Haushaltsplanentwurfs weitere Bedarfe für den Bereich der Rechtspfleger angemeldet? Falls ja, in welchem Umfang? Falls nein, weshalb nicht? 6. Erfolgt die Finanzierung der Stellen aus der Drs. 21/6980 mittlerweile über die erwirtschafteten Mehreinnahmen? 7. Wurden die kw-Vermerke für die 1,0 Stelle R 2, die 4,0 Stellen R 1 und die 5 Stellen E 6 zwischenzeitlich aufgehoben oder ist eine Aufhebung in Planung? Falls ja, in welchem Umfang? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13160 3 8. Besteht für die Dezernenten (1,0 Stelle R 2 und 4,0 Stellen R 1) eine zweckgebundene Spezialzuständigkeit mit Angelegenheiten der Vermögensabschöpfung ? Falls nein, weshalb nicht? Siehe Vorbemerkung. 9. Welche Schulungen und Fortbildungen wurden zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung für Staatsanwälte, Richter und Rechtspfleger durchgeführt und wie viele haben jeweils daran teilgenommen ? Die Justizbehörde, das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft haben bereits im Vorlauf zur Gesetzesänderung mit zielgerichteten Fortbildungen begonnen, einen Leitfaden zur Thematik entwickelt und ein breites Angebot an Schulungen bereitgestellt. Darüber hinaus wurden die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit verschiedenen Schreiben über die Gesetzesänderung informiert und erörtert, ob die Einrichtung eines Referentenpools zur Durchführung länderübergreifender Schulungen sinnvoll sein könnte. Im Einzelnen wurden die folgenden Fortbildungsveranstaltungen angeboten. Die Justizbehörde hat die folgenden Fortbildungen durchgeführt: 17.01.2017: „Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“. Teilnehmer /-innen: 28. 11.10.2017: „Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“. Teilnehmer /-innen: 29. 16.01.2018: „Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“. Teilnehmer /-innen: 60. Die Staatsanwaltschaft hat die folgenden Fortbildungen durchgeführt: 20.06.2017: Vortrag über die Neuerungen der Reform. Teilnehmer/-innen: 34. 27.06.2017 Zwei Spezialistenvorträge für die Vollstreckungshauptabteilung I (24 Teilnehmer/-innen) und für Dezernenten aus Spezialabteilungen (27 Teilnehmer/- innen). Von Juli bis Oktober 2017: Fünf „Breitenschulungen“. Teilnehmer/-innen: circa 160. Das Amtsgericht hat für die Rechtspfleger die folgenden Fortbildungen durchgeführt: Fortbildung Teil I (Einführung) am 12.01.2018. Teilnehmer/-innen: 14. Fortbildung Teil II (rechtlicher Teil) am 06.03.2018. Teilnehmer/-innen: 14. Zudem können die Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen im Rahmen des Hamburg zur Verfügung stehenden begrenzten Platzkontingents an den Fortbildungen der Deutschen Richterakademie sowie des Nordverbundes teilnehmen. Angeboten wurden /werden: 13. – 15.09.2017: „Erfahrungsaustausch und aktuelle Probleme der Vermögensabschöpfung “. Teilnehmer/-innen aus Hamburg: drei. 8.10. – 13.10.2017: „Organisierte Kriminalität“ Teilnehmer/-innen aus Hamburg: zwei. 8.10. – 13.10.2017: „Internationale Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten “. Teilnehmer/-innen aus Hamburg: zwei. 6.05. – 09.05.2018: „Das neue Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – Normverständnis und Anwendung in der Praxis“. Teilnehmer/-innen aus Hamburg : eine/r. 27.08. – 31.08.2018: „Aktuelle Entwicklungen im Wirtschaftsstrafrecht“. Teilnehmer /-innen aus Hamburg: keine. Drucksache 21/13160 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 17. – 19.10.2018: „Vermögensabschöpfung“. Teilnehmer/-innen aus Hamburg: keine. 10. Wie viele und welche weiteren Schulungen und Fortbildungen zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sind für welche Teilnehmergruppen geplant? Aufgrund des sehr umfassenden Fortbildungsangebots werden die Maßnahmen derzeit als ausreichend angesehen. Neue Dezernenten der Staatsanwaltschaft werden darüber hinaus regelhaft im Rahmen des internen Assessorenfortbildungsprogramms einmal jährlich über die Anwendung des Rechts der Vermögensabschöpfung im Rahmen der Breitenvorträge unterrichtet. Darüber hinaus auftretende Bedarfe werden möglichst zeitnah in Kooperation der Dienststellen bedient. Die Planung der durch die Justizbehörde im Jahr 2019 angebotenen Fortbildungen ist noch nicht abgeschlossen. Das Programm der einschlägigen überregionalen Anbieter für das Jahr 2019 steht ebenfalls noch nicht fest. Im Übrigen vergleiche Antwort zu 4. bis 8.