BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13193 21. Wahlperiode 01.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) 25.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Berücksichtigung von Vertretern der Oppositionsparteien bei „Tagesschau “ und „Tagesthemen“ Die ARD-„Tagesschau“ ist die älteste noch bestehende Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. Redaktion und Produktion der „Tagesschau“ sind beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg angesiedelt. Die Hauptausgabe der Tagesschau sehen bis zu 10 Millionen Zuschauer. Am 25. März 2018 wurde ein Zuschauer der „Tagesschau“ misstrauisch, als in der Hauptsendung zu vier verschiedenen Themen jedes Mal ein Vertreter der Partei DIE LINKE sein Statement abgeben durfte. Ein weiteres Oppositionsstatement erfolgte durch einen Vertreter der GRÜNEN, eines durch die FDP. Im Zeitraum vom 25. März bis 25. April 2018 hielt der Zuschauer in einer Untersuchung fest, welche Parteivertreter von Journalisten um ein persönliches Statement in den 20-Uhr-Ausgaben der „Tagesschau“ gebeten wurden. Das Ergebnis dieser insgesamt 32 Sendungen lautet: 18 Vertreter der Partei DIE LINKE wurden befragt, neun Politiker der GRÜ- NEN, sieben der FDP – und lediglich fünf der AfD. Die mediale Präsenz der beiden linken Oppositionsparteien verhielt sich somit umgekehrt proportional zu ihrer Fraktionsstärke im Bundestag.1 2 Das Ergebnis der in den 19. Deutschen Bundestag gewählten Parteien lautet in absteigender Reihenfolge: CDU/CSU: 32,9 Prozent; SPD: 20,5 Prozent; AfD: 12,6 Prozent; FDP: 10,7 Prozent; LINKE: 9,2 Prozent; GRÜNE: 8,9 Prozent . Im NDR-Staatsvertrag werden die Grundsätze der Programmgestaltung für die Landesprogramme der Landesfunkhäuser geregelt. Darin heißt es: 1 https://www.achgut.com/artikel/die_tagesschau_in_schraeglage (abgerufen am: 16.05.2018). 2 Anmerkungen zur Methodik: Ausgewertet wurden 32 Ausgaben der „Tagesschau“ in der Zeit vom 25. März bis 25. April 2018. Gezählt wurden die Statements von Mandats- und Funktionsträgern in Bund, Ländern oder Kommunen der im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien AfD, FDP, DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen. Als Statement zählt die ins Mikrofon gesprochene Antwort auf eine persönlich gestellte Frage einer Journalistin oder eines Journalisten . Statements aus Debatten des Deutschen Bundestages fanden keine Berücksichtigung. Ein Beispiel: Das Statement von Bodo Ramelow (DIE LINKE) vom 24.4., bei dem es um die Krise im OPEL-Werk in Eisenach geht: Ramelow wurde als regierender Ministerpräsident von Thüringen befragt, daher wird das Statement nicht mitgezählt. Anders das Statement von Bodo Ramelow (DIE LINKE) vom 25.4., bei dem es um bundesweite Demos gegen Antisemitismus geht. Dieses Statement wird mitgezählt. Drucksache 21/13193 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 § 3 (3): „Die Landesprogramme der Landesfunkhäuser sollen das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse sowie das kulturelle und soziale Leben insbesondere in dem jeweiligen Land darstellen.“ § 5 (1): „Der NDR hat den Rundfunkteilnehmern und Rundfunkteilnehmerinnen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.“ § 8 (1): „Der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. Er hat sicherzustellen, dass das Programm nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient (…).“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach Auffassung des Senats sind die Fragestellungen der Fragen 1. bis 7. nicht vom Fragerecht der Abgeordneten an den Senat umfasst. Hinsichtlich der Fragen 1. und 2. zielt die Fragestellung nicht auf Informationen, für deren Gewinnung die Fragesteller auf den Zugang zu einem weitergehenden Wissen oder einer weitergehenden Kompetenz des Senats angewiesen wären. Die Sendungen der „Tagesschau“ und der „Tagesthemen“ sind in dem Sendungsarchiv (siehe http://www.tagesschau.de/multimedia/video/videoarchiv2.html) frei zugänglich und für jedermann recherchierbar. Dort sind alle Sendungen der „Tagesschau“ und der „Tagesthemen“ bis 2007 zu finden. Die Fragen 3. bis 7. beziehen sich auf redaktionelle Fragen der Programmgestaltung und Berichterstattung des Norddeutschen Rundfunks (NDR), die von der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit geschützt werden. Rundfunk ist in Deutschland staatsfern ausgestaltet und organisiert (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 und 3 GG). Auch die Staatsaufsicht ist insoweit eingeschränkt. Der Senat achtet die Rundfunkfreiheit und betreibt keine Programmüberwachung. Zudem wird darauf hingewiesen, dass jeder das Recht hat, sich mit Eingaben und Anregungen zur Programmgestaltung an den Rundfunkrat sowie die Intendantin oder den Intendanten oder – bezogen auf ein Landesprogramm – an den jeweiligen Landesrundfunkrat sowie an die jeweilige Landesfunkhausdirektorin oder den jeweiligen Landesfunkhausdirektor zu wenden (§ 13 NDR-Staatsvertrag). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Antworten des NDR wie folgt: 1. Wie viele Statements von Mandats- und Funktionsträgern in Bund, Ländern oder Kommunen der im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien AfD, FDP, DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen wurden in den 20-Uhr- Ausgaben der „Tagesschau“ ausgestrahlt? Bitte für den Zeitraum vom 25. September 2017 bis einschließlich heute nach folgenden Kriterien aufschlüsseln: a) Name des Vertreters und dessen Parteizugehörigkeit, b) Anzahl der parteispezifischen Statements pro Sendung, c) Name des zuständigen Hauptredakteurs pro Sendung, d) Gesamtanzahl der parteispezifischen Statements pro Kalenderwoche , e) Gesamtanzahl der parteispezifischen Statements für den vollständigen abgefragten Zeitraum. 2. Wie viele Statements von Mandats- und Funktionsträgern in Bund, Ländern oder Kommunen der im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien AfD, FDP, DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen wurden in den Ausga- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13193 3 ben der „Tagesthemen“ ausgestrahlt? Bitte für den Zeitraum vom 25. September 2017 bis einschließlich heute nach folgenden Kriterien aufschlüsseln : a) Name des Vertreters und dessen Parteizugehörigkeit, b) Anzahl der parteispezifischen Statements pro Sendung, c) Name des zuständigen Hauptredakteurs pro Sendung, d) Gesamtanzahl der parteispezifischen Statements pro Kalenderwoche , e) Gesamtanzahl der parteispezifischen Statements für den vollständigen abgefragten Zeitraum. 3. Warum fand im Zeitraum vom 25. März bis 25. April keine ausgewogene Berücksichtigung der Vertreter der Oppositionsparteien statt? 4. Gibt es weltanschauliche Gründe der Redakteure der „Tagesschau“ und/ oder der Tagesthemen, Vertreter linker Parteien häufiger zu interviewen beziehungsweise ihnen mehr Sendezeit einzuräumen? Wenn nein, warum wurden dann im dargelegten Untersuchungszeitraum Vertreter der Partei DIE LINKE in der Hauptsendung der „Tagesschau“ nahezu vier Mal häufiger interviewt als AfD-Vertreter und mit weitem Abstand am häufigsten im Vergleich zu allen anderen Oppositionsparteien ? Und wodurch erklärt sich die Überrepräsentanz von Vertretern der Partei Bündnis90/Die Grünen, obwohl diese im Deutschen Bundestag die schwächste Oppositionsfraktion darstellen? 5. Gibt es Anweisungen, vertragliche Vorgaben oder Orientierungen an die Redakteure der „Tagesschau“/“Tagesthemen“, in welchem Umfang Vertreter der Oppositionsparteien in Bund, Ländern und Kommunen berücksichtigt werden sollen/müssen? Bitte auch unter dem Gesichtspunkt der weltanschaulichen Pluralität umfassend erläutern. 6. Welche redaktionellen Absprachen/Orientierungen wurden nach dem Einzug der AfD in den 19. Deutschen Bundestag getroffen/vereinbart, die ihre Berücksichtigung in den Sendungen der „Tagesschau“/der „Tagesthemen “ betreffen beziehungsweise welche neuen Absprachen/ Orientierungen kamen hinzu? Bitte umfassend erläutern. 7. Sieht sich die Redaktion der „Tageschau“ nach Kenntnis dieser Stichprobe sowie der Auswertung der Frage 1. veranlasst, in Zukunft Vertreter der Oppositionsparteien ausgewogener zu berücksichtigen? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. 8. Werden schriftliche oder digitale Sendungsprotokolle (oder dergleichen) außerhalb der öffentlich zugänglichen Mediathek zu den Sendungen „Tageschau“/“Tagesthemen“ angelegt und archiviert? Sind die Protokolle auch zum Beispiel für Besucher, für Wissenschaftler in einer Bibliothek, einem Archiv oder auf sonstige Anfrage einsehbar? Wenn ja, bitte die Möglichkeiten beziehungsweise Voraussetzungen für eine Sichtung der Protokolle darlegen. Die Sendungen von ARD-aktuell werden, ebenso wie alle anderen Sendungen, zur internen Nutzung archiviert. In Ausnahmefällen ist eine Einsicht zu wissenschaftlichen Zwecken unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften möglich. Im Übrigen steht das öffentlich zugängliche Archiv zur Verfügung, siehe Vorbemerkung.