BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13208 21. Wahlperiode 05.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 28.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Situation der Kursleiter/-innen an der Volkshochschule Hamburg – Was tut der Senat? Die Volkshochschule Hamburg (VHS) übernimmt in zahlreichen Bereichen verantwortungsvolle und teils strukturell enorm wichtige Bildungsaufgaben für den Senat beziehungsweise die gesamte Einwohnerschaft unserer Stadt. Etwa in der Frage der Unterstützung zum Sprachenerwerb und zur Vermittlung gesellschaftlicher und demokratischer Hintergründe stellen ihre Kurse allen Zuziehenden aus anderen Ländern entscheidende Hilfsangebote zur Verfügung. Dazu gehören gleichsam solche Angebote, die das Miteinander von Einwohnern/-innen in diversen Aspekten der städtischen Lebenswelt fördern und natürlich der Fremdsprachenerwerb. Neben vielen anderen Aufgaben sind die Kurslehrer/-innen in Bezug auf die berufliche beziehungsweise schulische Weiterqualifizierung von Erwachsenen oder etwa auf die Bereicherung unserer Stadtgemeinschaft in unterschiedlichsten Bildungs- und Kulturzusammenhängen tätig. Ungeachtet dieser hohen Beanspruchung und ihres weitreichenden wie bedeutenden Engagements, von dem Hamburg fraglos profitiert, ist der Großteil der an der VHS arbeitenden Lehrkräfte in prekären Arbeits- und Entlohnungsverhältnissen tätig. Diese sind insbesondere durch geringe wie ungleiche Stundenlöhne, den grundsätzlichen Charakter der selbständigen Tätigkeit mit all ihren Belastungen, durch zu wenig bezahlte Vor- und Nachbereitungszeiten , durch nicht vergütete Ausfälle und durch befristete Anstellungen beziehungsweise Honorarbeschäftigung bei permanent unsicherer wie schwankender Auftragssituation gekennzeichnet. Oft lässt sich für die Kursleiter/-innen, trotz hoher beruflicher Qualifikationsvoraussetzung , weder ein sicheres auskömmliches Einkommen erzielen geschweige denn eine angemessene soziale Absicherung erreichen. Erhöhte Transparenz über die Arbeits-und Anstellungsgegebenheiten an unserer VHS ist darum dringend erforderlich. Ich frage den Senat: Unverzichtbare Grundlage des Weiterbildungsangebotes der Hamburger Volkshochschule ist, dass Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern ihr Wissen und Können vermitteln. Erst der Einsatz von Honorarkräften ermöglicht es der Volkshochschule, ein breites, vielfältiges und ganzheitlich ausgerichtetes Bildungsprogramm anzubieten. Die freiberufliche Tätigkeit an der Volkshochschule dient nicht dem Ziel, ein auskömmliches Einkommen, sondern vielmehr einen Drucksache 21/13208 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nebenverdienst zu erzielen. Dabei entscheidet der/die Kursleitende jeweils frei über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Nachdem die Honorare für die Kursleitenden jahrelang nicht erhöht wurden, hat der Senat gehandelt und diese Praxis geändert. 2013 haben Senat und Volkshochschule vereinbart, die Honorare ab 2014 jährlich anzuheben. Seitdem wurden die Honorare jedes Jahr um rund 1,5 Prozent angehoben. Die Zuschüsse an die Volkshochschule wurden bedarfsgerecht erhöht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Kursleiter/-innen wurden seit 2015 bis 2017 an der VHS Hamburg in welchem Anstellungsverhältnis beschäftigt und wie viele davon waren weiblich? (Bitte für jedes Schuljahr einzeln in absoluten Zahlen und in Prozent in einer Excel-Tabelle angeben.) a. Wie sieht dies für 2018 bis heute (Stand 28.5.2018) aus? (Bitte entsprechend in der Tabelle zu 1. angeben.) Jahr Anzahl Kursleitende Anstellungsverhältnis davon weiblich weiblich in % 2015 1.672 freiberuflich 1.204 72 2016 1.727 freiberuflich 1.243 71 2017 1.761 freiberuflich 1.247 70 2018* 1.439 freiberuflich 1.027 71 * Für 2018 sind alle bis zum 29.05.2018 vergebenen Aufträge erfasst. 2. Wie viele der unter Frage 1. genannten VHS-Kursleiter/-innen waren/ sind seit 2015 bis heute dabei jeweils in welchen Kursangeboten beschäftigt und wie viele davon unterrichteten/unterrichten jeweils mehr als 20 Unterrichtsstunden pro Woche? (Bitte für jedes Kalenderjahr einzeln , mit Angabe der Kursangebote, in absoluten Zahlen und in Prozent in einer Excel-Tabelle angeben.) a. Wie viele VHS-Kursleiter/-innen waren/sind Rentner/-innen, wie viele Studenten/-innen, wie viele Schüler/-innen, wie viele üben die Tätigkeit neben-, wie viele hauptberuflich und wie viele als nicht steuerpflichtige geringfügige Beschäftigung aus? (Bitte entsprechend in der Tabelle zu 2. angeben.) Jahr Anzahl Kursleitende Kursleitende mit mehr als 20 UE/Woche mehr als 20 UE pro Woche in % 2015 1.672 27 1,6 2016 1.727 20 1,2 2017 1.761 31 1,8 2018* 1.439 26 1,7 * Für 2018 sind alle bis zum 29.05.2018 vergebenen Aufträge erfasst. Erläuterungen: Zur Ermittlung der mehr als 20 Unterrichtseinheiten (UE) pro Woche wurden 42 Wochen pro Jahr zugrunde gelegt. Viele Kursleitende sind unterjährig in mehreren Kursangeboten aktiv. Eine detaillierte Einzelaufstellung zum individuellen Kursangebot pro Kursleiter ist ohne Weiteres nicht möglich. Die VHS erhebt bei freiberuflichen Tätigkeiten die zu 2. a. erfragten Statusangaben nicht. 3. Wie viele VHS-Kursleiter/-innen erhielten/erhalten seit 2015 bis heute (Stand 28.5.2018) für Ihre Tätigkeit mehr als 450 Euro pro Monat? (Bitte für jedes Kalenderjahr einzeln, in absoluten Zahlen und in Prozent, in einer Excel-Tabelle angeben.) 4. Wie viele VHS-Kursleiter/-innen erhielten/erhalten seit 2015 bis heute (Stand 28.5.2018) für Ihre Tätigkeit mehr als 17.500 Euro pro Jahr? (Bitte für jedes Kalenderjahr einzeln, in absoluten Zahlen und in Prozent, in einer Excel-Tabelle angeben.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13208 3 Jahr Anzahl Kursleitende davon mit Honorar höher als 450 €/Monat in % davon mit Honorar höher als 17.500 €/Jahr in % 2015 1.672 321 19,2% 50 3,0% 2016 1.727 343 19,9% 66 3,8% 2017 1.761 363 20,6% 79 4,5% 2018* 1.439 358 24,9% 0 0 * Für 2018 sind alle bis zum 29.05.2018 vergebenen Aufträge erfasst. 5. Offenbar sind im neuen Doppelhaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg 2019/2020 keine Mittel für Honorarerhöhungen der VHS-Kurslehrkräfte eingestellt. Warum? (Bitte sowohl sachlich wie fachlich begründen.) a. Wenn diese Mittel doch vorgehalten sein sollten, wo genau sind diese insgesamt im kommenden Haushalt eingestellt, wo genau und in welcher Höhe finden sie sich im Einzelnen? (Bitte mit Aufgabenbereich und Produktgruppe in absoluten Eurobeträgen und in Prozent angeben.) Die Planungen für den Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020 sind noch nicht abgeschlossen . Die VHS als Landesbetrieb der Behörde für Schule und Berufsbildung stellt einen Wirtschaftsplan 2019/2020 auf, der wie in den Jahren 2017/2018 auskömmlich ist und eine Erhöhung der Regelhonorare von 1,5 Prozent pro Jahr vorsieht. 6. Trifft es, eingedenk Frage 5., zu, dass die VHS Hamburg sämtliche Honorarerhöhungen der kommenden Haushaltsjahre für ihre Kursleiter/ -innen selbst erwirtschaften muss (etwa über die Erhöhung der Kursgebühren für Teilnehmende)? a. Wenn ja, wie wird dies seitens des Senats beziehungsweise der zuständigen Fachbehörde sachlich und fachlich gerechtfertigt? b. Wie ist dies moralisch und aus der Verantwortung sowie aus der Abhängigkeit von Qualität und Angebot der VHS für die Freie und Hansestadt Hamburg aus Senatssicht zu vertreten? Nein. Die VHS stellt einen Wirtschaftsplan auf, der sich aus Zuschüssen der Freien und Hansestadt Hamburg und aus Erträgen, die aus Entgelten der Bildungsangebote der VHS erzielt werden, zusammensetzt. Aus den Gesamterträgen der VHS können und werden sämtliche Aufwendungen und damit auch die Honorarerhöhungen für die Kursleitenden gedeckt. 7. In einem offenen Brief richtete die gewählte Kursleiter-Vertretung der VHS Hamburg im April ihre Forderung nach einer generellen Vergütung von 45 Euro pro Unterrichtskurseinheit (45 Minuten) an alle Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft, in dem sie auf die Probleme und Belastungen, die mit ihrer Tätigkeit unter den gegenwärtigen Bedingungen einhergehen, hinwies. Wie haben Senat und zuständige Fachbehörde bisher auf diesen Brief reagiert beziehungsweise welche Reaktion ist aktuell vorgesehen? 8. Bezogen auf Frage 7.: Erkennen Senat und zuständige Fachbehörde die beschriebenen Sachverhalte und die mit ihnen einhergehenden Forderungen als berechtigt an? Wenn ja, wie genau plant der Senat/die zuständige Fachbehörde diesen zu entsprechen? a. Falls nein, mit welcher sachlichen und fachlichen Begründung nicht? Der Senat hat seit 2014 kontinuierlich die Honorare der VHS-Kursleitenden angehoben . Dies wird auch in den Folgejahren fortgesetzt. Drucksache 21/13208 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im genannten offenen Brief der Kursleitervertretung der VHS ist von einer Vergütung von 35 Euro (nicht 45 Euro) die Rede. Die zuständige Behörde bereitet zurzeit einen Antwortbrief an die Kursleitervertretung vor. Darüber hinaus hat sich der Senat damit nicht befasst. 9. Im in Frage 7. erwähnten Brief wird von der gewählten Vertretung der VHS-Kursleiter/-innen zudem auf den „scheinselbstständigen“ Charakter Ihrer Arbeit verwiesen und eine Fürsorgepflicht der Freien und Hansestadt Hamburg für alle betroffenen Kursleiter/-innen der VHS in Form einer Annäherung beziehungsweise Angleichung an einen arbeitnehmerähnlicher Status für alle Beschäftigten eingefordert. Wird diese Forderung samt Begründung von Senat/zuständiger Fachbehörde als berechtigt anerkannt? Wenn ja, welche Maßnahmen sind mit welcher Terminierung gegenwärtig vorgesehen, um diese Fürsorgepflicht durch den geforderten arbeitnehmerähnlichen Status zu verwirklichen? a. Wenn nein, mit welcher sachlichen und fachlichen Begründung wird dies abgelehnt? b. Wenn nein, wie ist diese Ablehnung angesichts der Verantwortung gegenüber den betroffenen Kursleitern/-innen und der auf deren Kursangebote angewiesenen Öffentlichkeit moralisch zu rechtfertigen ? Nein. Eine Tätigkeit als Kursleiterin beziehungsweise Kursleiter an der Hamburger Volkshochschule ist grundsätzlich eine freiberufliche selbstständige Tätigkeit, bei welcher keine persönliche Abhängigkeit vorliegt. Unter bestimmten individuellen Voraussetzungen , insbesondere wenn eine Kursleitung überwiegend für die VHS tätig ist, kann im Einzelfall ein arbeitnehmerähnlicher Status vorliegen. Ist dies der Fall, zahlt die VHS der Kursleitung zusätzlich zum vereinbarten Honorar ein Urlaubsentgelt in Höhe von 7,7 Prozent. Mehr als 75 Prozent der Kursleiter liegen mit ihrem jährlichen Verdienst unterhalb der 450-Euro-Grenze, womit Sie eindeutig im Nebenverdienstbereich agieren. Lediglich circa 4 Prozent der Kursleiter erzielen mit ihrer Tätigkeit an der Volkshochschule ein Honorar, das höher ist als 17.500 Euro pro Jahr. Insofern kann festgestellt werden, dass der weit überwiegende Teil der Kursleiter seinen Lebensunterhalt nicht aus einer Honorartätigkeit bestreitet.