BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13212 21. Wahlperiode 05.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 29.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Getunter Sportwagen, aber Hartz IV – Geht die Kontrollgruppe „Autoposer “ auch den Mitgliedern krimineller Banden an den Kragen? Regelmäßig fallen auf Hamburgs Straßen getunte PS-starke Wagen der Oberklasse auf, die oftmals von jungen Männern gefahren werden. Und immer wieder berichten Medien über Mitglieder krimineller Banden, die offiziell zwar arbeitslos sind oder Sozialhilfe beziehen, sich aber teure Sportwagen und Uhren problemlos leisten können. Hier liegt der Verdacht nahe, dass das Geld zur Finanzierung der Luxusautos häufig aus Verbrechen stammt. Bislang waren Polizei und Justiz meist machtlos, aber seit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die am 1. Juli 2017 in Kraft trat, kann nun Vermögen unklarer Herkunft eingezogen werden, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es aus kriminellen Handlungen herrührt . Während vorher die Strafverfolgungsbehörden nachweisen mussten, dass das Geld beziehungsweise die Vermögenswerte aus Verbrechen stammen, müssen nun die Kriminellen in bestimmten Fällen belegen, dass sie legal an ihren Besitz kamen. Besonders im Bereich der organisierten Kriminalität soll die Strafverfolgung durch eine konsequente Vermögensabschöpfung unterstützt werden. Bei der Polizei Hamburg wurde zum 1. September 2017 die Kontrollgruppe „Autoposer“ eingerichtet, um in Schwerpunkteinsätzen auffällige Fahrzeugführer und PS-starke Autos zu überprüfen; dabei konnten bereits eine Vielzahl an technisch veränderten Fahrzeugen sichergestellt und Verfahren gegen die Führer beziehungsweise Halter eingeleitet werden. Es stellt sich die Frage, inwiefern durch die Kontrollgruppe „Autoposer“ bei entsprechenden Anhaltspunkten auch Ermittlungen zu etwaigen weiteren Straftaten, insbesondere aus dem Bereich der organisierten Kriminalität oder des Sozialleistungsbetruges, eingeleitet werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Polizei ist nach dem Legalitätsprinzip gemäß § 163 Strafprozessordnung (StPO) verpflichtet, Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Sie trifft im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr. Hierzu gehören beim Vorliegen entsprechend hinreichender Anhaltspunkte auch geeignete Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung . Die bei der Polizei eingerichtete Kontrollgruppe „Autoposer“ geht in erster Linie gegen Kraftfahrzeugführer vor, die durch sogenanntes Lärmposing auffallen. Neben der Ver- Drucksache 21/13212 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 folgung festgestellter straßenverkehrsrechtlicher Verstöße und Überprüfungen der Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer haben die Maßnahmen das Ziel, technische Veränderungen an überprüften Fahrzeugen festzustellen. Im Übrigen siehe Drs. 21/12177. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Fahrzeugführer und Fahrzeuge wurden seit dem 1. September 2017 von Beamten der Kontrollgruppe „Autoposer“ bislang insgesamt überprüft? Bis zum Stichtag 30. Mai 2018 sind insgesamt 1.761 Kraftfahrzeugüberprüfungen erfolgt; die Anzahl der überprüften Fahrzeugführer wird nicht erfasst. 2. Welche Ergebnisse wurden im Rahmen der Überprüfungen festgestellt? Die erfragten Daten sind in der folgenden Tabelle dargestellt (Stichtag 30. Mai 2018): Ergebnis/Maßnahme Anzahl Lärmverstöße 205 Erhebliche Geschwindigkeitsverstöße 62 Verkehrsstrafanzeigen 89 Betriebserlaubnis erloschen 458 Sonstige Fahrzeugmängel 467 Verdacht des Fahrens unter Betäubungsmitteleinfluss 24 Verdacht des Fahrens unter Alkoholeinfluss 10 Sicherstellungen von Fahrzeugen wegen Manipulationsverdachts zur Begutachtung durch einen Sachverständigen 204 Im Übrigen siehe Drs. 21/12177. 3. Welche Maßnahmen wurden daraufhin jeweils eingeleitet? Bei festgestellten Ordnungswidrigkeiten und/oder Straftaten leitet die Polizei entsprechende Verfahren ein und trifft alle erforderlichen Maßnahmen; hierzu gehören hauptsächlich - Identitätsfeststellungen bei Betroffenen, - Anbieten rechtlichen Gehörs und gegebenenfalls Durchführen von Vernehmungen, - Feststellen von Zeugen und deren Vernehmungen, - Untersagen der Weiterfahrt, - Sicherstellungen/Beschlagnahmen von Kraftfahrzeugen, Führerscheinen und sonstiger Beweismittel, - Durchführen von Atemalkoholanalysen/Anordnungen von Blutprobenentnahmen bei Fahrzeugführern, - Anzeigenfertigungen, - Ausstellen von Mängelmeldungen sowie - Benachrichtigungen von Zulassungsstellen. Zu den statistisch ausgewerteten Maßnahmen siehe Antwort zu 2. Darüber hinaus werden durchgeführte Maßnahmen im Sinne der Fragestellung nicht gesondert statistisch erfasst. 4. Leiten die Beamten der Kontrollgruppe „Autoposer“ bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die darauf schließen lassen, dass das Geld zur Finanzierung der überprüften Fahrzeuge möglicherweise aus kriminellen Handlungen herrührt, entsprechende Ermittlungsverfahren ein? a. Falls ja, in wie vielen Fällen ist dies bislang geschehen? b. Falls ja, inwiefern resultierten daraus bereits Anklageerhebungen? Bitte unter Angabe der Tatvorwürfe darstellen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13212 3 c. Falls nein, weshalb nicht? d. Falls nein, inwiefern wurden entsprechende Hinweise an zum Beispiel die für den Bereich der organisierten Kriminalität, Finanzermittlungen oder für Betrug zuständigen Abteilungen des LKA weitergeleitet ? Siehe Vorbemerkung. Ergeben sich im Einzelfall entsprechende Verdachtsgründe, berichtet die Kontrollgruppe „Autoposer“ an das Landeskriminalamt, das dann Ermittlungen aufnimmt. 5. Inwiefern werden bei der Kontrolle der Fahrzeuge auch die Fahrzeugführer im Hinblick auf etwaige Vorstrafen überprüft? Im Rahmen von Fahrzeugkontrollen werden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auch die polizeilichen Fahndungssysteme abgefragt. 6. Welche Schulungen und Fortbildungen zur Reform der Vermögensabschöpfung wurden bei der Polizei Hamburg bislang durchgeführt und wie viele Beamte haben daran teilgenommen? Die Akademie der Polizei Hamburg (AK) bietet in Zusammenarbeit mit dem Fachkommissariat Finanzermittlungen GFG (Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe) des Landeskriminalamts Hamburg (LKA 66) seit dem Jahr 2013 einen 23-tägigen Lehrgang „Vermögensabschöpfung/Gerichtsvollziehertätigkeit“ an; der Lehrgangsinhalt wurde im Jahr 2017 entsprechend aktualisiert. Je Lehrgang werden bundesweit 20 Teilnehmerplätze angeboten. Teilnahmevoraussetzung ist die Tätigkeit als Finanzermittler im LKA Hamburg, in Polizeien anderer Länder oder des Bundes sowie in anderen Behörden. Zu den durchgeführten Lehrgängen und den Teilnehmerzahlen siehe folgende Tabelle: Lehrgangszeitraum Anzahl Teilnehmer gesamt LKA Hamburg 25.02.2013 – 18.03.2013 21 6 08.09.2014 – 10.10.2014 16 4 22.02.2016 – 14.03.2016 19 5 18.09.2017 – 20.10.2017 16 5 Die AK plant für den Zeitraum 8. bis 20. Oktober 2018 einen weiteren Lehrgang; von bisher 16 angemeldeten Teilnehmern kommen drei vom LKA Hamburg. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LKA Hamburg haben darüber hinaus an Fortbildungsveranstaltungen anderer Polizeien/Veranstalter teilgenommen, die speziell die Neuregelungen bei der Vermögensabschöpfung betreffen: Termin/Veranstalter Lehrgangsbezeichnung Teilnehmer LKA Hamburg Mai 2017 LKA Niedersachsen Fortbildung über die Neuregelung des Vermögensabschöpfungsrechts 4 August 2017 LKA Niedersachsen Neuregelung des Vermögensabschöpfungsrechts 4 September 2017 LKA Hessen Sachbearbeitung Finanzermittlung Politisch motivierte Kriminalität 2 September 2017 LKA Niedersachsen Fortbildung über die Neuregelung des Vermögensabschöpfungsrechts 4 März 2018 Arbeitnehmerkammer Bremen Fortbildung über die Neuregelung des Vermögensabschöpfungsrechts 3 Weitere statistische Daten im Sinne der Fragestellung liegen der Polizei nicht vor. Im Übrigen werden aktuelle Rechtsänderungen bei der Polizei regelmäßig in dienststelleninternen Dienstunterrichten und/oder über Multiplikatoren vermittelt. Bei der Polizei Hamburg sind alle Mitarbeiter des LKA 66 zu den Neuregelungen bei der Vermögensabschöpfung geschult. Drucksache 21/13212 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Wie beurteilen die zuständigen Behörden die durch die Gesetzesreform eingetretene teilweise Beweislastumkehr im Hinblick auf die Möglichkeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität? Der in der Fragestellung verwandte Begriff der „teilweisen Beweislastumkehr“ bezieht sich im neuen Vermögensabschöpfungsrecht auf die Regelungen des § 76a Absatz 4 Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit § 437 Strafprozessordnung (StPO). Dabei handelt es sich um die sogenannte non-conviction-based-confiscation. Während sowohl die erweiterte Einziehung als auch die selbständige Einziehung voraussetzen, dass zumindest eine Tat konkret nachweisbar ist, betrifft die „non-conviction-basedconfiscation “ gerade jene Fälle, in denen der Nachweis einer Tat nicht erbracht werden kann. Damit handelt es sich um ein „verurteilungsunabhängiges Abschöpfungsinstrument “, das sich nicht gegen eine bestimmte Person, sondern gegen eine deliktisch erlangte Sache richtet. In Betracht kommt dieses Instrument jedoch nur bei ganz bestimmten schwerwiegenden Katalogtaten. Besonders zu beachten ist dabei, dass der § 437 StPO exklusiv für eine Einziehung nach § 76a Absatz 4 StGB Kriterien bestimmt, auf die das Gericht seine Überzeugung von der deliktischen Herkunft stützen kann. Die Ermittlungsbehörden haben hierzu bei der Anwendung dieser Vorschrift erhebliche Ermittlungen (zu wirtschaftlichen und sonstigen persönlichen Verhältnissen) durchzuführen, damit das jeweils zuständige Gericht Einziehungen anordnen kann. Erfahrungen diesbezüglich liegen der Polizei derzeit nicht vor. Darüber hinaus korrespondiert dem parlamentarischen Fragerecht ein Anspruch auf Auskünfte, nicht aber auf meinungsbildende Stellungnahmen (vergleiche ThürVerfGH, Urteil vom 19.12.2008 – 35/07 –, juris Rn. 177), von denen der Senat deshalb auch im vorliegenden Fall absieht.