BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13221 21. Wahlperiode 05.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir, Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 29.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Missbrauch und sexualisierte Gewalt im Sport Sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt sind keine gesellschaftlichen Randphänome. Wie jüngst die #metoo-Debatte eindrücklich belegte, ist eine Vielzahl von Frauen in unterschiedlichsten beruflichen wie im privaten Kontexten hiervon betroffen. Dazu zählt auch der Sport: Im Januar 2018 starteten Athletinnen des Frauenboxens den Hashtag #CoachDontTouchMe. Die Social-Media-Kampagne, die auf sexuelle Übergriffe im Sport aufmerksam macht, erzielte eine hohe Resonanz. Dass es sich hierbei nicht um vermeintliche Einzelfälle handelt, zeigt die Studie „Safe Sport“ der Deutschen Sporthochschule Köln. Laut dieser Studie haben ein Drittel aller befragten Sportler /-innen bereits sexualisierte Gewalt erfahren, ein Neuntel der Befragten waren schwerer und/oder länger andauernder sexualisierter Gewalt ausgesetzt . Diese Ergebnisse unterscheiden sich dabei nicht signifikant von den Zahlen über Missbrauchserfahrungen in der Gesamtbevölkerung, die auch familiäre und unorganisierte Settings miteinschließen. Organisierte pädagogische Institutionen wie Sportvereine sollten eine besondere Schutzfunktion aufweisen; dies ist jedoch nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat verurteilt unmissverständlich jegliche Form sexualisierter Gewalt und setzt sich dafür ein, dass in der gesamten Gesellschaft und somit auch im organisierten Sport die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und die Schutzmechanismen weiter verstärkt werden. Dem Senat sind grundsätzlich alle Schritte, Maßnahmen und Überlegungen , die das Ziel haben, Sportlerinnen und Sportler – insbesondere Minderjährige in einem Abhängigkeitsverhältnis – vor den Gefahren sexueller Übergriffe zu schützen, besonders wichtig. In diesem Zusammenhang wird auf die am 26. Oktober 2017 vorgestellten Ergebnisse des Forschungsprojekts „Safe Sport – Schutz von Kindern und Jugendlichen im organisierten Sport in Deutschland“ sowie auf die vielfältigen Aktivitäten des Hamburger Sportbunds e.V. (HSB) beziehungsweise der Hamburger Sportjugend (HSJ) verwiesen, die anteilig über den Sportfördervertrag durch den Senat mitfinanziert werden. Die Hamburger Sportjugend als eigenständige Kinder- und Jugendorganisation des Hamburger Sportbundes mit über 194.000 Mitgliedschaften ist der größte Jugendverband in Hamburg und gemäß § 75 SGB VIII anerkannter Träger der freien Jugendhilfe . Die HSJ definiert „Vorfälle sexualisierter Gewalt“ wie folgt: „Vorfälle sexualisierter Gewalt“ umfassen sowohl erzwungene sexuelle Handlungen wie Nötigung und Vergewaltigung als auch sexuelle Belästigungen durch sexualisierende Übergriffe in Form von Worten, Bildern, Gesten und sonstigen Handlungen. Diese Definition wurde bei der Beantwortung verwendet. Drucksache 21/13221 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des HSB und des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP) wie folgt: 1. Welche Zahlen über Opfer sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Hamburger Sport sind dem Senat bekannt? Bitte Zahlen für jedes Jahr ab 2010 einzeln darstellen und Herkunft der Zahlen angeben. Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erhoben. Für die Beantwortung wäre eine Durchsicht sämtlicher einschlägiger Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei der Kriminalpolizei erforderlich . Die Auswertung mehrerer Zehntausend Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Der HSJ wurden seit 2011 56 „Vorfälle“ gemeldet. Eine Erhebung der Vorfälle nach Jahren erfolgte durch HSB/HSJ nicht. Dem OSP liegt keine Meldung vor. 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich seit 2010 jährlich eingeleitet? a. Wie viele dieser Verfahren wurden eingestellt? b. Wie viele Freisprüche gab es? c. Wie viele Verurteilungen gab es und wie fiel das Strafmaß aus? Bitte einzeln darstellen. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird nicht erfasst, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung von Sport oder der Mitgliedschaft in einem Sportverein begangen worden ist. Allein die Verfahrensregister 7202 – 7207 (Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) der Aktenzeichenjahrgänge 2010 – 2018 umfassen bereits pro Aktenzeichenjahrgang mehrere Hundert Verfahren und können daher in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit weder beigezogen noch ausgewertet werden. 3. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat zur Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport? Sind diese bisher evaluiert worden? Welche Erkenntnisse über den Erfolg oder Misserfolg der bisherigen Programme und Strategien im Sportbereich liegen dem Senat vor? Die für den Sport verantwortliche Behörde fördert die HSJ im Rahmen des Sportfördervertrages (Position „e) Förderung der Hamburger Sportjugend“) für die sportliche Kinder- und Jugendarbeit in den HSB-Mitgliedsorganisationen. Im Rahmen der Zielund Leistungsvereinbarung (ZLV) für den Bereich „e) Förderung der Hamburger Sportjugend“ ist festgelegt, dass die HSJ „die Maßgaben aus der Vereinbarung gemäß § 72a SGB VIII einhält“. Alle HSB-Mitgliedsorganisationen, die bei der HSJ Fördermittel aus der Rahmenvereinbarung „Kooperation Schule und Sportverein“ (KSSV), aus Förderpositionen der Ziel- und Leistungsvereinbarung des Sportfördervertrages (Position e) Förderung der Hamburger Sportjugend: II. 3, II. 4,II. 5, II. 6) und über die HSJ aus dem Landesförderplan Familie und Jugend akquirieren wollen, verpflichten sich, die Auflagen aus der Vereinbarung (geschlossen zwischen HSJ und BASFI) gemäß § 72a SGB VIII zu erfüllen. In Bezug auf die Prävention vor sexualisierter Gewalt evaluiert die HSJ keine Maßnahmen oder Förderprogramme. 4. Welche Leitlinien zur Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt im Sport gibt es in Hamburg? Wie wird bisher gehandelt, wenn Fälle sexualisierter Gewalt bekannt werden? Handlungsfeld Schule: Für alle Hamburger Schulen gilt, unabhängig von den Unterrichtsfächern, die „Richtlinie zum Umgang der Schulen mit dem Verdacht auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler“, vom 09.06.2015 (http://www.hamburg.de/contentblob/4541798/data/mbl-03-2015.pdf). Die Richtlinie führt die rechtlichen Handlungsschritte auf, die eingeleitet werden, sobald eine Schule einen Vorfall meldet (siehe Drs. 21/2829). Der „Kinderschutzordner für Hamburger Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13221 3 Schulen“ und die Initiative des Unabhängigen Beauftragten, Johannes Röhrig, für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs „Schule gegen sexuelle Gewalt“ unterstützen die Schulen zusätzlich in ihrer täglichen Arbeit und geben ihnen eine Handlungsorientierung für die Entwicklung eines Kinderschutzkonzeptes in den allgemeinbildenden Hamburger Schulen. Entsprechende Beratung und Unterstützung erhalten diese von der Beratungsstelle Gewaltprävention der Behörde für Schule und Berufsbildung. Handlungsfeld Kinder- und Jugendsport: In der Vereinbarung gemäß § 72 a SGB VIII sind folgende Inhalte geregelt: 1. Verpflichtende Einsicht in das erweiterte Führungszeugnisse bei qualifizierten Kontakten 2. Unterzeichnung des Ehrenkodexes des Deutschen Olympischen Sportbundes 3. Benennung einer Ansprechperson für Prävention sexualisierter Gewalt (PSG) in der Mitgliedsorganisation 4. Schulung der PSG-Ansprechperson bei der HSJ zum Thema PSG Darüber hinaus bietet die HSJ betroffenen Vereinen, Verbänden und Einzelpersonen anlassbezogen Fallberatung an. Bestandteil aller Arbeitsverträge des OSP ist ein vom Arbeitnehmer beziehungsweise von der Arbeitnehmerin unterschriebener Ehrenkodex. Bei den Internaten gibt es zusätzlich ein Schutzkonzept und die verpflichtende Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses vor Vertragsabschluss. 5. Wie bewertet der Senat die Richtlinien des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. (DOSB) zur Prävention von Missbrauch und sexualisierter Gewalt im Sport? Der Senat begrüßt die Richtlinie des DOSB zur Prävention sexualisierter Gewalt. a. Gibt es Bemühungen seitens des Senats, diese als verpflichtende Standards für alle Hamburger Sportvereine durchzusetzen? Wenn nein, warum nicht? Der Senat erlässt keine verpflichtenden Standards für alle Hamburger Sportvereine. Er wirkt aber darauf hin, dass dieser Standard bei allen Zuwendungsempfängern eingehalten wird. Die HSJ hat anhand der Richtlinien des DOSB ihre Vereinbarung gemäß § 72a SGB VIII über die rechtlich notwendigen Auflagen erweitert. Diese Richtlinien finden bei den HSB-Mitgliedsorganisationen Anwendung, wenn diese bei der HSJ Fördermittel akquirieren. b. Gibt es die Möglichkeit von Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinien (keine Nutzung von öffentlichen Sportgebäuden, Einstellung der Finanzierung et cetera)? Wenn ja, welche? Wie oft und in welchen Fällen wurden diese angewendet? Wenn nein, warum nicht? Ja. Etwaige Sanktionen bei Zuwiderhandlungen von HSB-Mitgliedsorganisationen gegen die Vereinbarung gemäß § 72a SGB VIII können im Rahmen der jeweiligen Zuwendungsgewährung vorgenommen werden. Diese können in Form von Rückforderungen und/oder Sperrungen gegen die jeweilige HSB-Mitgliedsorganisation realisiert werden. Sanktionen wurden bisher nicht angewendet, da dem Senat kein Fall eines Verstoßes gegen die Richtlinien gemäß § 72a SGB VIII durch einen Zuwendungsempfänger der HSB-Mitgliedsorganisation bekannt ist. 6. Wie viele und welche Sportvereine haben eigene Anlauf- und Beratungsstellen , die sich mit dem Thema Prävention von und dem Umgang mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch befassen? Wie viele Stellen und VZÄ waren und sind jeweils vorhanden? Wie viele Beratungen haben jährlich seit 2010 stattgefunden? Drucksache 21/13221 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 240 Hamburger Sportvereine und Fachverbände haben einen oder zwei „Ansprechpersonen Prävention sexualisierte Gewalt“ gemeldet. Detaillierte Angaben zu Anzahl der Stellen, VZÄ und Beratungen sind dem Senat nicht bekannt und können in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht bei allen Hamburger Sportvereinen ermittelt werden. Der HSB teilte hierzu aber mit, dass die meisten Personen diese Position ehrenamtlich ausüben. Lediglich in Großsportvereinen ist diese Funktion auch an hauptamtliche Stellen gebunden. 7. Welche Fort- und Weiterbildungen oder Ähnliches zur Prävention von und Intervention bei Missbrauch und sexualisierter Gewalt werden derzeit für Trainer/-innen und Übungsleiter/-innen angeboten? Sind diese verpflichtend? Wenn nein, warum nicht? Die Mitarbeiter des OSP nehmen verpflichtend regelmäßig an Fortbildungen teil, die von den Landessportbünden, dem DOSB oder von den zuständigen Behörden angeboten werden. Die HSJ bietet in ihrem Bildungsprogramm 2018 zwei Fortbildungen zum Thema „Prävention sexualisierter Gewalt im Sport“ an. Darüber hinaus bietet die HSJ Inhouse-Schulungen für die HSB-Mitgliedsorganisationen an. Die DOSB-Rahmenrichtlinien schreiben vor, dass das Thema „Prävention sexualisierter Gewalt“ in Lizenzen Berücksichtigung finden muss. Interessierte HSB-Mitgliedsverbände können sich hierzu direkt an die HSJ wenden, wenn sie ein entsprechendes Modul (inklusive Referent /in) vom Jugendverband in Anspruch nehmen möchten. In den HSJ-Lizenz-Ausbildungen (sowie in HSB-Lizenz-Ausbildungen) – Übungsleiter/-innen-Ausbildung unter anderem „Breitensport für Kinder und Jugendlichen“ (DOSB C-Lizenz)) werden Inhalte zum Thema obligatorisch vermittelt. Darüber, ob und in welchen Mitgliedsvereinen entsprechende Fort- und Weiterbildungen verpflichtend sind, liegen dem Senat keine Informationen vor. 8. Das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene neue Bundeskinderschutzgesetz sieht vor, dass die öffentliche Förderung von Trägern der Kinderund Jugendhilfe an deren Umsetzung der im Gesetz festgelegten Standards geknüpft ist. Dazu zählen unter anderem die Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse der Mitarbeiter/-innen, die Installation von Beschwerdeverfahren für Kinder und Jugendliche innerhalb der Einrichtungen und eine kontinuierliche Entwicklung, Prüfung und Umsetzung von Qualitätsmerkmalen in Hinblick auf die Sicherung des Kindeswohls und den Schutz vor Gewalt. Diese Qualitätsentwicklung wird für freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe Gegenstand von Vereinbarungen mit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, von deren Abschluss wiederum die Förderung aus öffentlichen Mitteln und die Erteilung einer Betriebserlaubnis abhängig sind. Dies vorausgeschickt, fragen wir den Senat: a. Wie viele und welche Sportvereine in Hamburg gelten als Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe? (Bitte genaue Auflistung.) b. Wie viele und welche der als freien Träger anerkannten Sportvereine haben besagte Vereinbarungen mit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe abgeschlossen? c. Wie viele und welche der als freie Träger anerkannten Sportvereine haben die entsprechenden Standards umgesetzt? d. Wie viele und welche der als freien Träger anerkannten Sportvereine haben besagte Vereinbarungen mit der öffentlichen Jugendhilfe nicht abgeschlossen? e. Wie viele und welche der als freien Träger anerkannten Sportvereine haben die entsprechenden Standards nicht umgesetzt? f. In wie vielen Fällen wurde die Förderung der in d. und e. genannten Sportvereine aus öffentlichen Mitteln eingestellt und die Betriebserlaubnis verweigert? In wie vielen Fällen nicht und warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13221 5 In Hamburg werden nur Träger der freien Jugendhilfe gefördert, die der Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 8a Absatz 4 und 72a Absätze 2 und 4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) beigetreten sind oder als Jugendverband mit der Freien und Hansestadt Hamburg eine Vereinbarung nach § 72a SGB VIII abgeschlossen haben. Die zuständige Behörde führt ein Verzeichnis über die nach § 75 SGB VIII anerkannten Träger der freien Jugendhilfe. Von diesen sind 21 Träger, die im weitesten Sinne Sportangebote vorhalten. Bis auf fünf, deren Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe bereits länger zurückliegt und die gegenwärtig keine Jugendhilfeleistungen mehr erbringen beziehungsweise keine staatliche Förderung mehr erhalten, sind alle entweder der genannten Rahmenvereinbarung beigetreten, haben eine Einzelvereinbarung nach § 72a SGB VIII abgeschlossen oder werden von der Vereinbarung nach § 72a SGB VIII mit der Hamburger Sportjugend erfasst. Diese Vereinbarung ist für die Jugendabteilungen der Mitgliedsvereine und -verbände des Hamburger Sportbundes ebenfalls verbindlich. Wenn Träger von Einrichtungen oder Diensten der genannten Rahmenvereinbarung beigetreten sind, ist für sie die Vorlage eines Kinderschutzkonzeptes verpflichtend. Die Einhaltung dieses Standards bei den Vertragspartnern wird von der zuständigen Behörde regelmäßig geprüft. Die Einhaltung anderer Standards wird nur geprüft, wenn begründete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die jeweilige Vereinbarung vorliegen. Das war bisher in keinem Fall erforderlich. Es war nicht notwendig wegen eines Verstoßes gegen eine Vereinbarung eine öffentliche Förderung einzustellen, eine Betriebserlaubnis zu verweigern oder aufzuheben. Im Übrigen siehe Anlage. 9. Der Fall einer jungen Hamburger Boxerin, die als Minderjährige jahrelang von ihrem Trainer sexuell missbraucht wurde, erzeugte 2017 ein großes mediales Echo. Die Frauenbeauftragte Nele Rades-Walther des Hamburger Boxverbandes e.V. (HABV) und weitere Unterstützer/-innen der jungen Frau wurden daraufhin aus dem Verband ausgeschlossen. Der beschuldigte Trainer hingegen wurde noch während der laufenden Ermittlungen rehabilitiert und unterrichtet weiter junge Menschen. Zugleich ist er als Manager für den Hamburger Box-Club Giants, sowie in leitender Position für die Firma m-Fights GbR tätig, die nach Angaben des Magazins „SPIEGEL“ (01.07.2017) maßgeblich an der Organisation der Box-WM 2017 in Hamburg beteiligt war. Daher fragen wir den Senat: a. Wann hat der Senat erstmals von den Anschuldigungen gegen den Trainer erfahren? b. Wann hat Innen- und Sportsenator Andy Grote erstmals von den Anschuldigungen gegen den Trainer erfahren? Das „Hamburger Abendblatt“ hat am 14.12.2016 über den Zusammenhang berichtet. Danach lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine Anzeige wegen Missbrauchs Schutzbefohlener vor; der Vorwurf bezog sich auf den Zeitraum zwischen 2010 und 2013. Die Ermittlungen führte die Staatsanwaltschaft Schwerin. Das Verfahren wurde nach Kenntnis des Landessportamts im August 2017 eingestellt. Über Vorwurfslage und Gesamtumstände lagen bis zuletzt widersprüchliche Angaben vor. Nach erlangter Kenntnis über die Anschuldigungen hat es einen Austausch und Beratungen sowohl verwaltungsintern als auch zwischen der für den Sport zuständigen Behörde und Institutionen wie dem Hamburger Sportbund e.V., dem Deutschen Olympischen Sportbund e.V. und dem Deutschen Boxsport-Verband e.V. gegeben. Dessen ungeachtet wurde das Referat Kinder- und Jugendpolitik der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) am 1. Juni 2017 durch eine offizielle Meldung von Vorwürfen gegen einen Trainer beim HABV informiert. c. Inwiefern war die Firma m-Fights des Beschuldigten in die Organisation und Durchführung der Box-WM 2017 involviert? Ausrichter der Amateur Box-Weltmeisterschaft 2017 in Hamburg war der Deutsche Boxsport-Verband e.V. (DBV). Eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem DBV und der Firma m-fights über die Einbindung in die Organisation der Box-WM bestand nach Mitteilung des DBV zu keinem Zeitpunkt. Drucksache 21/13221 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Der Geschäftsführer von m-fights persönlich hat in Absprache mit dem DBV und auf eigenes Angebot hin lediglich einzelne Aufgaben übernommen. Beispielhaft genannt wurden vom DBV: Organisation und Durchführung von Promotion-Aktionen rund um die Bewerbung der WM in Hamburg und Umgebung, Plakatierungsmaßnahmen, Realisierung und Organisation von Presseaktivitäten. d. Wie beurteilt der Senat die Reaktion des HABV, den Trainer trotz eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zu rehabilitieren und die Unterstützer/-innen der jungen Boxerin aus dem Verband auszuschließen ? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 9. a. und b. Darüber hinaus beurteilt der Senat diese Entscheidung des Hamburger Boxverbandes nicht. e. Sieht der Senat hier Handlungsbedarf? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen werden geplant? Wenn nein, warum nicht? Die BASFI hat in Abstimmung mit der HSJ angeregt, dass Vereinbarungen zwischen der HABV beziehungsweise dem Trainer und der HSJ geschlossen werden, die Klarstellungen zum Schutz von Minderjährigen enthalten. Die Vereinbarung mit dem Trainer ist bereits geschlossen worden. Der Abschluss mit dem HABV wird von der HSJ in Kürze erwartet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.