BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13237 21. Wahlperiode 05.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 30.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Belastung der Hamburger Justiz – Einführungsphase für Richterinnen und Richter auf Probe? Die erhöhte Arbeitsbelastung im Bereich der Justiz macht sich bereits bei den Richterinnen und Richtern auf Probe bemerkbar. Um dem stark erhöhten Arbeitsanfall und den tatsächlichen und sozialen beruflichen Anforderungen gerecht werden zu können, gibt es in Schleswig-Holstein seit August 2006 eine sechsmonatige Einführungsphase für Richterinnen und Richter auf Probe . In dieser Einführungsphase werden die neu eingestellten Richter mit lediglich 0,7 Anteilen ihrer Arbeitskraft zur Dezernatsarbeit herangezogen. Die verbleibenden 0,3 Arbeitskraftanteile können somit für die Einarbeitung in das Dezernat und die intensive Teilnahme an Fortbildungsangeboten genutzt werden. Der Berufseinstieg kann hierdurch schneller und effizienter gestaltet werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Ist dem Senat das Konzept aus Schleswig-Holstein bezogen auf die Einführungsphase von Richterinnen und Richtern bekannt? a. Wenn ja, ist eine solche Einführungsphase mit lediglich 0,7 Anteilen an Arbeitskraft auch für die Richterinnen und Richter auf Probe in Hamburg geplant oder wird diese derzeit geprüft? b. Falls eine solche Einführungsphase für Hamburg nicht in Betracht kommen sollte, warum nicht? Das Schleswig-Holsteiner Konzept ist der zuständigen Behörde bekannt. Die zuständige Behörde steht Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Proberichterinnen und Proberichter aufgeschlossen gegenüber. In Hamburg werden Proberichterinnen und -richter allerdings nicht zentral für alle Gerichtsbarkeiten eingestellt, sondern für die einzelnen Gerichtsbarkeiten beziehungsweise die Staatsanwaltschaft ausgewählt . Die Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten sind für die Einarbeitung der Proberichterinnen und -richter zuständig. In den verschiedenen Hamburger Gerichtsbarkeiten und bei der Staatsanwaltschaft gibt es daher jeweils eigene Modelle, die Proberichterinnen und -richter bei der Einarbeitung unterstützen (siehe Antwort zu 4.). Die Pensenzuweisung obliegt den Präsidien des jeweiligen Gerichts, bei dem die Proberichterinnen und -richter zum Einsatz kommen. Die generelle Einführung einer pauschalen Entlastung für alle Proberichterinnen und -richter ist derzeit nicht geplant. 2. Wurde bereits über das oben genannte Konzept aus Schleswig-Holstein gesprochen? Wenn ja, in welchem Rahmen und wer war an diesen Gesprächen beteiligt ? Drucksache 21/13237 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Konzept aus Schleswig-Holstein wird im Rahmen von Richterversammlungen, Präsidiums- und Richterratssitzungen wiederholt erörtert. Auch im Rahmen der Mitgliederversammlung des Hamburgischen Richtervereins am 2. Mai 2018 wurde es thematisiert. 3. Wird regelmäßig Rücksprache mit den Richterinnen und Richtern zu dem Thema der Arbeitsbelastung der Proberichter/-innen gehalten? Wenn ja, gab es vonseiten der Richterinnen und Richter bereits Vorschläge , die die Arbeitsbelastung reduzieren und den Berufseinstieg vereinfachen könnten (bitte gegebenenfalls Vorschläge und die Umsetzungsmöglichkeiten darstellen)? 4. Wurden bereits Maßnahmen zur Verbesserung des Berufseinstiegs der Richterinnen und Richter auf Probe vom Senat umgesetzt? Wenn ja, seit wann und welche? Die Hamburger Proberichterinnen und -richter sind gemäß § 3a HmbRiG i.V.m. § 3 Absatz 1 der Beurteilungsrichtlinien für die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter der Freien und Hansestadt Hamburg während der Probezeit mindestens dreimal in festgelegten Abständen zu beurteilen. Im Rahmen des Beurteilungsverfahrens erfolgt regelmäßig eine Rücksprache des beurteilenden Präsidenten/der beurteilenden Präsidentin mit dem/der einen Beurteilungsbeitrag zuliefernden Kammervorsitzenden oder Segmentsleiter/-in zur Arbeitsbelastung der jeweiligen Proberichterin/des jeweiligen Proberichters. Ein umfassendes Fortbildungsprogramm aus eigenen Fortbildungen der Justizbehörde sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Fortbildungen der Deutschen Richterakademie und des Nordverbundes sichern den Proberichterinnen und -richtern einen erleichterten Berufseinstieg. Ergänzend bietet die Justizbehörde seit dem Jahr 2017 für Proberichterinnen und -richter sowie Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger bis zu zwei Jahren nach der Lebenszeiternennung eine sogenannte kollegiale Fallsupervision an. Dazu hat sie zwölf Richterkolleginnen und -kollegen aus allen Gerichtsbarkeiten zu Supervisorinnen und Supervisoren ausgebildet, welche jeweils zu zweit eine Supervisionsgruppe aus bis zu zehn Teilnehmern leiten. Aufgrund des Programmerfolgs ist die Ausbildung weiterer Supervisorinnen und Supervisoren geplant. Weiterhin gibt es in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten und bei der Staatsanwaltschaft eigene Modelle, die Proberichterinnen und -richter bei der Einarbeitung zusätzlich unterstützen: Das Hanseatische Oberlandesgericht bietet zur Erleichterung des Berufseinstiegs in regelmäßigen Abständen Assessorinnen- und Assessoren-Workshops sowie in Kooperation mit der Justizbehörde eine Einführungstagung in Lüdersburg an („Hamburgs Justiz für Einsteiger“). Am Landgericht fällt die Aufgabe der Heranführung der Proberichterinnen und -richter zunächst den jeweiligen Kammermitgliedern zu, insbesondere den Vorsitzenden. Die Präsidialabteilung steht mit den Assessorinnen und Assessoren in ständigem Austausch , insbesondere im Rahmen von regelmäßigen Assessorentreffen, turnusmäßigen Kammertreffen mit der Gerichtsleitung sowie in zahlreichen Einzelgesprächen. Darüber hinaus stellt das Landgericht seit circa einem Jahr den Proberichterinnen und -richtern in ihrer ersten Station am Landgericht sowie bei ihrem erstmaligen Wechsel vom Straf- in das Zivilrecht (beziehungsweise andersherum) jeweils einen erfahrenen Kollegen/eine erfahrene Kollegin als Mentor/Mentorin an die Seite. Das Amtsgericht regelt das Arbeitsaufkommen zum Berufseinstieg mit verschiedenen Maßnahmen, etwa der (übergangsweisen) Herausnahme einer Abteilung aus dem Turnus, Entlastung bei beziehungsweise Freistellung von urlaubs- oder krankheitsbedingtem Vertretungsanfall und durch Mentor(inn)enmodelle. Diese Maßnahmen werden je nach Einsatzgebiet und konkretem Bedarf ergriffen und werden auch noch bei Wechseln innerhalb der Assessorinnen- und Assessorenzeit angewandt. Im Übrigen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13237 3 sind Einstiegshilfen für Assessorinnen und Assessoren in einem Maßnahmepapier der amtsgerichtlichen Arbeitsgruppe festgeschrieben. Bei der Staatsanwaltschaft erhalten die Assessorinnen und Assessoren zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Dezernatsanteil von lediglich 0,5 für die Dauer von drei Monaten. In diesem Zeitraum wird jede Verfügung dem Dienstvorgesetzen zur Gegenzeichnung vorgelegt (sogenannte volle Gegenzeichnung). Dieser Zeitraum kann bei Bedarf für weitere drei Monate verlängert werden. Im Anschluss bearbeiten die Assessorinnen und Assessoren für weitere drei Monate ein volles Dezernat, müssen aber noch die Abschlussverfügungen vorlegen. Das Hamburger Sozialgericht hat ein Patenmodell eingerichtet, das bereits seit 1997 erfolgreich praktiziert wird. Das Hamburger Arbeitsgericht hat ein System entwickelt, wonach eine Richterin oder ein Richter für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten die „Patenschaft“ für eine Proberichterin oder einen Proberichter übernimmt und sie/ihn nicht nur im Rahmen des täglichen Aktenumlaufs, sondern auch in Fragen der Sitzungsleitung und der allgemeinen rechtlichen Diskussion unterstützen kann. Um zu gewährleisten, dass bei den Paten-Kolleginnen und -Kollegen keine Überlast entsteht und eine Inanspruchnahme unproblematisch erfolgen kann, werden die Paten im Umfang eines halben Monatspensums durch das Präsidium freigestellt. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit werden die mit dem Einstieg in den Richterberuf verbundenen Anforderungen und der Umgang mit einer möglichen erhöhten Arbeitsbelastung durch eine intensive Begleitung der Proberichterinnen und Proberichter durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen sowie durch verschiedene interne und externe Fortbildungsangebote aufgefangen. Im Rahmen der genannten Workshops, Tagungen, Mentoren- und Patenprogramme, Fortbildungen und turnusmäßig stattfindenden Gespräche erfolgt ständig Rücksprache zur Arbeitsbelastung der Proberichterinnen und -richter, sowohl mit diesen selbst als auch mit den erfahreneren Kolleginnen und Kollegen. Viele der genannten Maßnahmen gehen auf Vorschläge der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zurück. 5. Sind Veränderungen bezüglich des Einsatzes und der Verbesserung des Berufseinstiegs von Richterinnen und Richtern auf Probe geplant? Wenn ja, welche und in welchem Zeitraum? Die Arbeitsbelastung von Proberichterinnen und -richtern wird intensiv durch die Gerichtsleitungen, Präsidien und Richterräte sowie in der Justizbehörde beobachtet. Die Maßnahmen zur Erleichterung des Berufseinstiegs der Proberichterinnen und -richter sowie deren Weiterentwicklung und ein möglicher Ausbau sind Gegenstand ständiger Überprüfung und gegebenenfalls Fortentwicklung. Konkrete Neugestaltungen sind derzeit nicht geplant.