BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13239 21. Wahlperiode 05.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 30.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Amts- und Rechtshilfe im Verwaltungs- und Steuerrecht Die Globalisierung macht auch vor den Gerichten und Behörden nicht halt. Immer häufiger gibt es Verfahren, die Auslandsbezüge aufweisen. In den vergangenen Jahren haben sich zudem der grenzüberschreitender Steuerbetrug und die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Herausforderung für die Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten entwickelt . Bilateral, europaweit und multilateral sind deshalb inzwischen im Verhältnis zu vielen oder den meisten Staaten der Welt strafrechtliche und zivilrechtliche Rechtshilfe, steuerrechtliche Amtshilfe und steuerstrafrechtliche Auskunfts -Rechtshilfe geregelt. Der grenzüberschreitende Marktauftritt insbesondere von Internet-Unternehmen ist häufig so organisiert, dass die für die Internetangebote verantwortlichen Muttergesellschaften nur im Ausland ansässig sind und dort von den Behörden der übrigen Staaten des Marktauftritts verwaltungsrechtlich nicht ohne Weiteres durch Verwaltungsakte verbindlich erreicht oder zur Verantwortung gezogen werden können (vergleiche aktuell zum Beispiel die Sachverhalte der Entscheidungen Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 14.3.2018, 6 K 676.17 betreffend Airbnb; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht , Beschluss vom 26. 2. 2018, 5 Bs 93/17 Gründe Ziffer II 2 b betreffend Facebook). Insoweit fehlen im allgemeinen Verwaltungsrecht hinreichende europäische beziehungsweise internationale Amtshilferegelungen. Über die geregelte steuerrechtliche Amtshilfe und steuerstrafrechtliche Auskunfts -Rechtshilfe hinaus bedarf es außerdem der steuerrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Rechtshilfe für die Finanzgerichte und die Verwaltungsgerichte zur Aufklärung der bei ihnen streitigen Sachverhalte mithilfe von Auskunfts- oder Beweisaufnahme-Ersuchen. Diese gerichtliche Aufklärung entspricht dem verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz. Das gilt erst recht, soweit im Unterschied zur (zum Beispiel steuerlichen) Amtshilfe zugunsten der Verwaltung die Möglichkeiten der anderen Beteiligten (zum Beispiel der Steuerpflichtigen) zur Auslandsbeweis -Beschaffung begrenzt oder erschöpft sind (vergleiche Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 20.11.2014, 3 K 176/14, Juris m.w.N.; Urteil vom 22.8.2016, 3 K 36/16, Juris Rz. 257 ff. m.w.N.; Müller-Horn in Gosch AO/FGO (EL 138 Mai 2018) § 13 FGO Rz. 1 m.w.N.). Drucksache 21/13239 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz erfolgt ein automatischer Datenaustausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und der zuständigen Behörde des jeweils anderen teilnehmenden Staates. Einmal jährlich müssen Banken in allen teilnehmenden Staaten die Kontodaten ihrer ausländischen Kunden erfassen und an ihre eigenen nationalen Finanzbehörden weiterleiten, die die Daten dann verschlüsselt an die Steuerbehörden der jeweiligen Heimatländer geben. Mittlerweile hat sich die Anzahl der teilnehmenden Staaten erfreulicherweise erheblich erhöht. Einem Bericht „Der Welt“ vom 19. November 2017 zufolge soll es in Deutschland jedoch massive Probleme mit der Software geben, die noch nicht in der Lage sei, die Daten zu filtern und entsprechend der Steueridentifikationsnummer den richtigen Personen und Unternehmen zuzuordnen. Dort heißt es: „Ein gewaltiger Datenschatz ist also im Land. Nur anfangen kann damit trotz jahrelanger Vorbereitung bislang niemand etwas. Bis die ersten Finanzbeamten die Informationen auf ihrem Schreibtisch oder Bildschirm haben und mit den Steuerakten abgleichen können, wird noch mehr als ein Jahr vergehen .“ „Erst Anfang 2019 werden die Bundesländer die Daten erhalten“, erwartet man im Bundesfinanzministerium in Berlin. „Erst dann können die Finanzbeamten vor Ort schauen, ob alle Kontostände, Zinserträge und Dividenden bereits bekannt sind und zu den Steuererklärungen jener Bürger mit Bankverbindungen im Ausland passen.“ (https://www.welt.de/finanzen/ article170727145/Softwareproblem-verzoegert-Schlag-gegen- Steuerbetrueger.html.) Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist der Sachstand zur Software, die zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen benötigt wird? Ab wann wird diese anwendungsbereit zur Verfügung stehen? 2. Auf welche Weise gelangten Informationen, die das BZSt bislang von anderen Staaten im Rahmen des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes erhalten hat, an die entsprechenden Stellen in Hamburg? a. Wie viele Fälle sind seit dem Jahr 2016 jährlich übermittelt worden? b. Welche Beträge umfassten die jährlich seit dem Jahr 2016 übermittelten Fälle jeweils und insgesamt? Wie in IT-Projekten üblich erfolgt eine schrittweise Abarbeitung der Anforderungen. Zunächst wurden die technischen Voraussetzungen für die Annahme der Daten der deutschen Finanzinstitute und den Austausch mit den Staaten und Gebieten geschaffen . In einem weiteren Schritt wird nunmehr die planmäßige Weiterleitung der Daten an die Landesfinanzbehörden umgesetzt. Nach derzeitigem Stand sollen die Daten ab 2019 vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) an die zuständigen Landesfinanzbehörden übersandt werden. Bis dahin sind keine Aussagen zu Fallzahlen und Beträgen möglich. 3. Wie viele Auskunftsersuchen wurden neben diesen Auskünften von der Finanzverwaltung seit dem Jahr 2016 jährlich an ausländische Finanzverwaltungsbehörden gerichtet? a. Unter welchen Voraussetzungen werden diese Auskunftsersuchen gestellt? b. Wie viele dieser Auskunftsersuchen wurden seitens der ausländischen Finanzverwaltungsbehörden beantwortet? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13239 3 c. Welche Beträge umfassten die jährlich seit dem Jahr 2016 an ausländische Finanzverwaltungsbehörden gerichteten und beantworteten Auskunftsersuchen? Seit dem Jahr 2016 bis einschließlich 31. Mai 2018 wurden im Bereich der direkten Steuern 18 Auskunftsersuchen von hamburgischen Finanzämtern über das BZSt an ausländische Steuerverwaltungen gerichtet. Als Grundlage für diese Auskunftsersuchen kommen insbesondere völkerrechtliche Vereinbarungen wie Doppelbesteuerungs - (Artikel 26 OECD-MA) und Informationsaustauschabkommen, die mehrseitige Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 sowie als Rechtsakt der EU die Amtshilferichtlinie der EU (2011/16/EU) in Betracht. Die ausländischen Steuerverwaltungen antworten auf Grundlage vorgenannter Grundlagen auf sämtliche Auskunftsersuchen. Die Auskunftsersuchen dienen regelmäßig der Sachverhaltsermittlung und beziehen sich nicht auf konkrete Beträge. 4. Welche (über die vorhandene steuerrechtliche Amtshilfe und steuerstrafrechtliche Auskunfts-Rechtshilfe hinausgehenden) a. internationalen Regelungen der verwaltungsrechtlichen Amtshilfe auf welchen Gebieten, b. der verwaltungsrechtlichen Rechtshilfe auf welchen Gebieten, c. der steuerrechtlichen Rechtshilfe sind jeweils seit dem Jahr 2011 unter Beteiligung des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden beispielsweise über den Bundesrat oder im Rahmen von Ministerkonferenzen thematisiert worden und/ oder zustande gekommen beziehungsweise in Kraft getreten? Die Justizbehörde nimmt an der jährlich stattfindenden Bund-Länder-Tagung der Zivilrechtshilfereferentinnen und -referenten teil. Im Rahmen dieser Tagung fanden seit 2011 wiederholt Erfahrungsaustausche zu Fragen im Umgang mit ein- und ausgehenden Rechts- und Amtshilfeersuchen in Verwaltungs-, Verwaltungsgerichts-, Sozialgerichts -, Finanzgerichts- und Steuersachen statt. In diesen Bereichen gibt es nur sehr wenige völkerrechtliche Übereinkommen sowie eine große Anzahl von bilateralen Abkommen zwischen der BRD und einzelnen Staaten. Eine Vielzahl der Ersuchen aus den vorstehenden Bereichen wird im vertraglosen Rechtshilfeverkehr erledigt. Die Justizbehörde hat im Bundesrat oder auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister seit dem Jahr 2011 keine internationalen Regelungen der verwaltungsund steuerrechtlichen Rechts- und Amtshilfe thematisiert.