BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13269 21. Wahlperiode 08.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath (CDU) vom 31.05.18 und Antwort des Senats Betr.: Wie viele von Ausbeutung Betroffene hat die Servicestelle für Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2017 erreicht? Die Servicestelle für Arbeitnehmerfreizügigkeit am Besenbinderhof berät Erwerbstätige aus allen EU-Staaten − vor allem aus Osteuropa − bei Fragen zum Arbeitsrecht, zur sozialen Absicherung und zu anderen in Deutschland relevante Themen für Arbeitnehmer, wie zum Beispiel dem Steuerrecht. Die Drs. 21/5474 und 21/7540 geben bereits Informationen über die Beratungstätigkeit in den Jahren 2015 und 2016. Doch wie hat sich diese im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 entwickelt? Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Mitarbeiter/VZÄ waren im Jahr 2017 bei der Servicestelle für Arbeitnehmerfreizügigkeit beschäftigt? Wie viele VZÄ sind es derzeit? Bei der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit waren 2017 im Rahmen des aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Projektes acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 5,48 VZÄ beschäftigt. Derzeit sind es ebenfalls 5,48 VZÄ. 2. Welche Sprachen sprechen die Mitarbeiter jeweils? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ESF- Projektes sprechen folgende Sprachen: Polnisch, Bulgarisch, Rumänisch, Spanisch, Russisch, Englisch, Portugiesisch, Tschechisch, siehe https://hamburg.arbeitundleben.de/arbeitnehmerfreiz%C3% BCgigkeit. Mit Unterstützung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trägers Arbeit und Leben können darüber hinaus Beratungen in serbokroatischer, italienischer oder französischer Sprache angeboten werden. 3. Wie hoch waren die Kosten, die die Einrichtung im Jahr 2017 verursacht hat? Wie viel davon trug die BASFI, wie viel der Europäische Sozialfonds ? Wie sehen die Planungen für das Jahr 2018 aus? Das ESF- Projekt Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit wird in der aktuellen Projektlaufzeit 01.01.2017-31.12.2020 mit insgesamt 1.740.000 Euro, das heißt 435.000 Euro jährlich gefördert. Davon stehen jährlich 185.000 Euro ESF-Mittel (insgesamt 740,000 Euro) und 250.000 Euro Kofinanzierungsmittel (insgesamt 1 Million Euro) der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) zur Verfügung. 4. Wie viele Beratungen hat die Servicestelle im Jahr 2017 und bisher im Jahr 2018 durchgeführt? Wie viele Personen aus jeweils welchen Herkunftsländern wurden beraten? Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit hat im Jahr 2017 insgesamt 1.144 Beratungen durchgeführt und im Jahr 2018 bisher (Stand: 31.05.2018) 409 Beratungen. Drucksache 21/13269 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Anzahl der beratenen Personen 2017 nach Herkunftsländern Herkunftsland Anzahl Personen Prozent Bulgarien 195 28,3% Polen 181 26,2% Rumänien 130 18,8% Spanien 97 14,1% sonstige EU 38 5,5% Lateinamerika 23 3,3% sonstige Drittstaaten 25 3,6% ohne Angabe 1 0,1% Gesamt 690 100,0% Anzahl der beratenen Personen 2018 nach Herkunftsländern (Stand: 31.05.2018) Herkunftsland Anzahl Personen Prozent Bulgarien 100 31,6% Polen 81 25,6% Rumänien 59 18,7% Spanien 49 15,5% sonstige EU 15 4,7% Lateinamerika 5 1,6% sonstige Drittstaaten 7 2,2% Gesamt 316 100,0% 5. In wie vielen Fällen konnte die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2017 und bisher im Jahr 2018 bei der Realisierung eines Rückkehrwunsches in jeweils welches Land helfen? Die Beratung zu und Unterstützung von Rückkehrwünschen ist vorrangige Aufgabe von Plata – Anlaufstelle für wohnungslose Bürger aus Süd-Ost-Europa. Ratsuchende zu Rückkehrhilfen werden von der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit an Plata verwiesen und erhalten dort Beratung und Unterstützung. Im Jahr 2017 hat die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit in zwölf Fällen Ratsuchende an Plata verwiesen. In allen Fällen handelte es sich um rumänische Staatsbürger . Im Jahr 2018 wurde in bislang einem Fall ein polnischer Staatsbürger beraten und an Plata verwiesen. Ein Großteil der Klientel der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit trifft jenseits von Notlagen, die zu den genannten Rückkehrhilfen führen, bewusste Entscheidungen zur Rückkehr oder zur weiteren Migration innerhalb der EU. In solchen Fällen klärt die Servicestelle zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse und der Sozialversicherungspflicht in Deutschland sowie über Möglichkeiten der Übertragung in Deutschland erworbener Ansprüche in das Heimat- beziehungsweise Zielland auf. Eine gesonderte statistische Erfassung dieser Beratungen zu spezifischen Sachfragen erfolgt nicht. 6. Wie und wo wurde im Jahr 2017 und wird aktuell für die Dienstleistung der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit geworben beziehungsweise darüber informiert? Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit nutzt für die Werbung Flyer, Poster, Webseiten und soziale Netzwerke (Facebook). An ausgewählten Orten, an denen die Zielgruppe anzutreffen ist (zum Beispiel Supermärkte, Arztpraxen, Reisebüros), werden Flyer und Poster gezielt platziert. Hinzu kommen öffentliche Veranstaltungen, zum Beispiel das Stadtteilfest „Bulgar(i)en in Hamburg-Wilhelmsburg, am 27.05.2018, auf dem Stübenplatz. Eine große Bedeutung hat das Netzwerk mit zahlreichen Kooperationspartnern der Hamburger Migrations- und Sozialberatungsstellen, Konsulaten und Botschaften, die an die Servicestelle verweisen. Daneben unterhält die Servicestelle Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13269 3 intensive Kontakte zu Gewerkschaften und Behörden (Arbeitsverwaltung, Arbeitsinspektion ) im Ausland, über die ebenfalls auf ihre Dienstleistungen hingewiesen wird. 7. Hat die Servicestelle im letzten Jahr Veränderungen bei Art und Umfang der Probleme der Ratsuchenden feststellen können? Wenn ja, was sind das für Veränderungen und welche Maßnahmen bieten sich hier an? Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit registriert in der Transportbranche, insbesondere bei Post-, Kurier- und Expressdiensten, im Zusammenhang mit Auftragsketten eine Zunahme von Fällen mit Verdacht auf Eingehungsbetrug, das heißt der Vortäuschung der Absicht durch den Arbeitgeber, die ihm aus einem Vertrag erwachsenden Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die Servicestelle wird in der Beratungspraxis darüber hinaus zunehmend mit Fällen konfrontiert, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Aufnahme des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber keine Dokumente ausgehändigt werden. Die fehlenden Nachweise führen in verschiedenen Konstellationen – beispielsweise bei der Wohnungssuche oder bei der Beantragung von Familienleistungen – zu Problemen . Das EU-Parlament hat am 29.05.2018 die Reform der EU-Entsenderichtlinie beschlossen. Außerdem ist eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union in Vorbereitung. Beide Richtlinien werden zur Verbesserung der rechtlichen Situation entsendeter Beschäftigter beitragen. Im Übrigen siehe Drs. 21/5474.