BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13284 21. Wahlperiode 12.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 04.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Stromausfall am Flughafen – Welche Ursachen und Folgen hat der „Chaos-Sonntag“? Am Morgen des 03.06.18 kam es zu einem Stromausfall in den Terminals des Flughafens. In der Folge fielen nahezu sämtliche Flüge am Sonntag aus sowie weitere am Montagmorgen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) wie folgt: 1. Wie genau lief der großflächige Stromausfall am Flughafen ab? Wann gab es insbesondere welche ersten Anzeichen für eine Störung und wann wurde diese wie abschließend behoben? (Bitte – soweit vorliegend – zeitliches Verlaufsprotokoll beifügen.) Grund für den Stromausfall war eine schadhafte Isolierung an einem Kupferkabel. Dieser Schaden führte zu einem heftigen Kurzschluss, der zahlreiche andere Verbindungen einbezogen hat. Der Kurzschluss entstand in der Niederspannungsverkabelung auf der Generatorseite des Blockheizkraftwerks des Flughafens, das dadurch vorübergehend ausgefallen ist. Die Stromversorgung aus dem öffentlichen Netz ist bedingt durch den Kurzschluss kurzfristig ebenfalls ausgefallen. Von dem Kurzschluss war die Stromeinspeisung aus dem Blockheizkraftwerk betroffen , mit dem im Falle eines Ausfalls der Stromeinspeisung aus dem öffentlichen Netz vorübergehend die Stromverbraucher für den Flugbetrieb, wie zum Beispiel Beleuchtung auf dem Vorfeld, den Start- und Landebahnen sowie weitere wichtige Systeme im Terminal 2, betrieben werden können. Der Flughafen hat zwei Notstromsysteme. Durch den Kurzschluss ist ein System (Blockheizkraftwerk) längerfristig ausgefallen. Das Blockheizkraftwerk ist für den permanenten Netzparallelbetrieb ausgelegt und hat keine zeitliche Begrenzung. Die Stromversorgung aus dem öffentlichen Netz war nach kurzer Unterbrechung wieder voll funktionsfähig. Gemäß der Vorgaben der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) ist es erforderlich, dass zwei unabhängige Stromeinspeisungssysteme für die relevanten flugbetrieblichen Systeme vorhanden sind, damit für den Fall eines Ausfalls des einen automatisch eine Versorgung dieser Systeme über das andere System sichergestellt wird. Ist dies nicht gewährleistet , darf kein Flugbetrieb nach Instrumentenflugregeln und damit kein kommerzieller Flugbetrieb der Großluftfahrt stattfinden. Der Flughafen ist dann nur noch für Sichtflüge der allgemeinen Luftfahrt geöffnet. Bedingt durch den Ausfall des Blockheizkraft- Drucksache 21/13284 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 werks und dadurch den Wegfall der Redundanz musste der Flugbetrieb daher vorübergehend eingestellt werden. Um 9.15 Uhr gab es erste Anzeichen eines Vorfalls, die dem Verkehrsleiter vom Dienst gemeldet wurden. Nach interner Prüfung wurde das flughafeneigene Alarmierungssystem um 9.31 Uhr aktiviert. Nach detaillierterer Prüfung der zuständigen Experten wurde um 10.17 Uhr die Einstellung des Flugbetriebs durch den Verkehrsleiter angeordnet. Die Wiederaufnahme des Flugbetriebes für nichtkommerzielle Sichtflüge wurde durch die zuständige Behörde um 11.47 Uhr gestattet. Aufgrund der andauernden Fehlersuche wurde um 15.40 Uhr im Interesse der Kundinnen und Kunden der Fluggesellschaften entschieden, den regulären Flugbetrieb der Verkehrsluftfahrt am 3. Juni 2018 nicht wieder aufzunehmen. Der Fehler konnte um 15.45 Uhr eindeutig identifiziert und lokalisiert werden. Es wurde ermittelt, dass die Behebung aufgrund der identifizierten erheblichen Schwere des Schadens nicht kurzfristig erfolgen konnte. Anschließend wurde eine Behebungsstrategie entwickelt und umgesetzt, das benötigte Material wurde beschafft und im Anschluss insgesamt 42 Kabel auf 540 Metern Länge großflächig ausgetauscht. Um 22.00 Uhr wurde festgelegt, um 3.00 Uhr am Montagmorgen über die Wiederaufnahme des Flugbetriebs am 4. Juni 2018 zu entscheiden . Durch die erfolgreiche Schadensbeseitigung stand am Montag, den 4. Juni 2018 um 3.07 Uhr morgens das Blockheizkraftwerk wieder stabil zur Verfügung, sodass der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. 2. Wann genau wurden jeweils welche Mitglieder des Senats oder Staatsrätekollegiums und wann die Geschäftsführung des Flughafens von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt? Die Geschäftsführung der FHG wurde unmittelbar nach den ersten Anzeichen des Vorfalls in Kenntnis gesetzt. Der Präses und der zuständige Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) wurden gegen 10.55 Uhr informiert. Zusätzlich wurde der zweite Staatsrat der BWVI um 11.10 Uhr informiert. Ebenfalls gegen 10.55 Uhr erhielt der Erste Bürgermeister die Erstinformation des Lagedienstes der Polizei. Gegen circa 12.30 wurde ihm über sein Büro eine weitergehende Lageeinschätzung durch die BWVI übermittelt. Darüber hinaus wurden auch alle Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft per E-Mail von der FHG über den aktuellen Stand informiert, die eine E-Mail-Adresse auf der Internetseite der Hamburgischen Bürgerschaft hinterlegt haben. Der Erste Bürgermeister sowie der zuständige Staatsrat der BWVI waren am 3. Juni 2018 im Einsatzstab am Flughafen und haben sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht. a. Welche Maßnahmen haben sie daraufhin jeweils eingeleitet? Der Flughafen hat ein umfangreiches Notfall-Management-System, zu dem insbesondere die Einberufung des Einsatzstabes zählt. Der Stab wurde vom Verkehrsleiter, dem die Leitung obliegt, um 10.29 Uhr einberufen. Weitere Vertreter entsandten die Flughafenfeuerwehr, die Berufsfeuerwehr, der Zoll, die Bundespolizei, die Landespolizei , die Luftaufsicht der zuständigen Behörde sowie die Flughafenbereiche Kommunikation , IT, Passagierservice, Sicherheit und Technik. b. Warum hat es über 1,5 Stunden – auf Englisch sogar noch erheblich länger – gedauert, bis Flughafengäste und Passagiere über soziale Netzwerke über den Stromausfall informiert wurden? Aufgrund des Stromausfalls waren alle öffentliche Kommunikationsmedien (E-Mail, Internet, Fax, Telefon) ausgefallen. Diese standen erst wieder am Sonntagmittag zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde der Informationsfluss verzögert. Zur Überbrückung wurden – soweit möglich – in der Zwischenzeit über Ausrufe per Megaphon informiert. Es ist die Pflicht der FHG, nur abgestimmte und gesicherte Informationen weiterzugeben. Bis derartige Informationen kommuniziert werden können, dauert es eine gewisse Zeit zur Informationsbeschaffung und Gegenprüfung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13284 3 3. Auf Facebook hieß es am Sonntag seitens des Flughafens: „Der Flughafen Hamburg benötigt eine redundante Stromversorgung, um einen gesicherten Flugbetrieb durchzuführen.“ a. War die redundante Stromversorgung am Sonntag ausgefallen? Wenn ja, warum und seit wann waren die Redundanzsysteme jeweils nicht funktionsfähig? b. Verfügt der Flughafen über mindestens zwei Versorgungsleitungen, Transformatoren und Leitungssysteme? Wenn nein, wie wird die Redundanz dann sichergestellt? Ja, siehe Antwort zu 1. 4. Wie ist die Notstromversorgung geregelt? Welche Notstromsysteme gibt es und wie ist eine grundsätzliche Zusammenarbeit geregelt, um Ausfälle zu vermeiden? a. Für wie lange soll das Notstromsystem des Flughafens die Stromversorgung normalerweise sicherstellen können? b. War auch dieses ausgefallen oder nicht funktionsfähig? Wenn ja, seit wann und warum? Siehe Antwort zu 1. 5. Inwieweit war auch der Tower und folglich die Flugsicherung von dem Stromausfall betroffen? Inwieweit waren Systeme für die Kommunikation mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ebenfalls betroffen? Der operative Betrieb der Deutschen Flugsicherung (DFS) war aufgrund des Stromausfalls nicht beeinträchtigt. Der Funk mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) war vom Stromausfall nicht betroffen. Die Kommunikation war jederzeit sichergestellt. 6. Welche Rolle hat das gasgetriebene Blockheizkraftwerk (BHKW) des Flughafens, das die Terminals und Flugzeuge an den Piers normalerweise mit Strom und Warmluft versorgt, bei dem Stromausfall gespielt? Warum konnte es die Versorgung nicht gewährleisten? Siehe Antworten zu 1. und zu 4. bis 4. b. 7. Was war nach derzeitigem Kenntnisstand der Auslöser des Stromausfalls und was die konkrete Ursache? Ist er durch Einwirkung Dritter von innen oder außen ausgelöst beziehungsweise verursacht worden? Wenn ja, wie? Siehe Antwort zu 1. Die Ursache ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht von außen ausgelöst beziehungsweise verursacht worden. 8. Wie viele Flüge sind aufgrund des Stromausfalls und seiner Folgen an jeweils welchen Tagen ausgefallen? Wie viele Passagiere waren in Hamburg „gestrandet“ und wie wurde Ihnen seitens der Airlines und des Flughafens geholfen? Insgesamt waren am Sonntag, den 3. Juni 2018 200 Starts und 200 Landungen geplant. Bis 10.17 Uhr fanden 37 Starts und 24 Landungen statt. Am Montag, den 4. Juni 2018, waren 214 Starts und 214 Landungen geplant, 23 Abflüge und zwölf Landungen wurden gestrichen. Insgesamt waren am Sonntag rund 30.000 Passagiere und am Montag rund 12.000 Passagiere von den Auswirkungen des Stromausfalls betroffen. Etwa 150 Passagiere übernachteten von Sonntag auf Montag auf bereitgestellten Feldbetten im Terminal Tango des Flughafens. Drucksache 21/13284 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Hilfe des Flughafens bestand zum einen durch ein zusätzlich eingesetztes mobiles Informationsteam beziehungsweise dem „Airport Support Team“ des Flughafens. In den Terminals halfen bis zu 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kurzfristig zum Dienst herangezogen wurden, bei der Information und Betreuung der Gäste. Hinzu kamen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flugbetriebs, der Flughafenfeuerwehr und der Pressestelle. Zudem haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flughafens Essen und Trinken verteilt. Auf der Ankunftsebene hatte die Feuerwehr eine Rettungsgasse gebildet. Seitens der Fluggesellschaften wurden Unterbringung und Ausweichlandungen der Passagiere organisiert. 9. Warum gab es keinen Notfallplan beziehungsweise warum hat dieser nicht gegriffen, um rechtzeitig Passagiere und Fluggesellschaften zu informieren? Der Flughafen hat ein umfangreiches Notfall-Management-System. Vorfälle wie dieser werden dort beschrieben und es wird danach gehandelt. Der Notfallplan hat gegriffen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. a. 10. Welche Schadenersatzforderungen und sonstigen Kosten können durch den Stromausfall auf den Flughafen zukommen oder liegen bereits vor? Inwieweit ist der Flughafen dagegen versichert? Bei dem Stromausfall vom 3. Juni 2018 liegt nach aktueller Einschätzung der FHG ein Fall von höherer Gewalt vor. Der Flughafen hat eine Betriebshaftpflichtversicherung, die im Falle von Verschulden greift. Im Falle von höherer Gewalt liegt kein Verschulden vor. Es liegen Anspruchsschreiben von Passagieren vor. Da die Passagiere einen Beförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft geschlossen haben, können solche Forderungen nur an die jeweilige Fluggesellschaft gerichtet werden. 11. Gibt es amtliche Untersuchungen des Vorfalls oder sind diese in Planung ? Wenn ja, durch welche Stellen? Es liegen schriftliche Anfragen von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zu dem Stromausfall vor. Der Flughafen wird auch mit externen Sachverständigen Untersuchungen der bestehenden Stromversorgung beauftragen.