BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13295 21. Wahlperiode 12.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 04.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Freie Träger der Jugendgerichtshilfe in Nöten Wird gegen Jugendliche ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt, haben Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Vollzugsanstalten unverzüglich das örtliche Jugendamt einzuschalten und am gesamten Verfahren zu beteiligen. Das Jugendamt ist gesetzlich verpflichtet, als Jugendgerichtshilfe (JGH) im Jugendstrafverfahren mitzuwirken. Die JGH ist in Hamburg dem Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe des Bezirksamtes Eimsbüttel zugeordnet , das diese Aufgaben für ganz Hamburg wahrnimmt. Um auf Straffälligkeit Jugendlicher individuell reagieren zu können, hält die JGH ein differenziertes Angebot ambulanter Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz vor. Die Durchführung dieser Maßnahmen erfolgt durch freie Träger, mit denen die JGH Leistungs- oder Kooperationsvereinbarungen geschlossen hat. In Hamburg sind dies die eingetragenen Vereine Ambulante Maßnahmen Altona (AMA), Rückenwind und Rauchzeichen. Die JGH beauftragt den zuständigen Träger, überwacht die Erfüllung und teilt das Ergebnis der Justiz mit. Eine zentrale Rolle spielt hier die Erbringung von pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen. Zunehmend klagen die freien Träger über eine Unterfinanzierung, unter der die Erfüllung der grundsätzlich dem Staat obliegenden Pflichtaufgaben leidet, und die insbesondere zu weniger pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen und damit zu erhöhten Wartezeiten führt. Dies läuft dem Grundsatz zuwider, dass gerade bei Jugendlichen die Strafe auf dem Fuße folgen soll, und erschwert die Anwendung des Instruments der Vorbewährung. Bei der Vorbewährung wird der Jugendliche zu einer Jugendstrafe verurteilt. Die Entscheidung , ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wird jedoch zurückgestellt und kann später nachgeholt werden. Anders als im Erwachsenenstrafrecht muss sich der verurteilte Jugendliche daher die Bewährung in einer Frist von einigen Monaten „verdienen“. Ihm können Auflagen oder Weisungen erteilt werden, von deren Erfüllung der Richter die Gewährung der Bewährung abhängig machen kann. Da dies oftmals die oben angesprochenen pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen sind, liegt das Problem auf der Hand. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Arbeitsleistungen haben die freien Träger jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und im laufenden Jahr jeweils pädagogisch begleitet? 2015 2016 2017 2018 (bis 30.03.18) 1421 Zuweisungen 1473 Zuweisungen 1575 Zuweisungen 339 Zuweisungen Drucksache 21/13295 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie haben sich die Wartezeiten auf den Beginn einer pädagogisch begleiteten Arbeitsleistung in den Jahren 2015, 2016, 2017 und im laufenden Jahr entwickelt? Die Wartezeiten der pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen (AL) werden von der Jugendgerichtshilfe (JGH) nicht statistisch erfasst. Hierzu wäre eine manuelle Aktenauswertung von rund 4.800 Akten erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Erfahrungsgemäß können sich die Wartezeiten kurzfristig nach oben oder unten bewegen, weil sie einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegen. Dazu gehören beispielsweise das Entscheidungsverhalten der Jugendgerichte, die Kontinuität der Teilnehmer bei den laufenden Maßnahmen, die Einsatzstellenkapazitäten und die Kapazitäten bei den mit der Durchführung beauftragten freien Trägern. Nach Angabe der von der JGH beauftragten freien Träger beträgt die durchschnittliche Wartezeit grundsätzlich zwei – drei Wochen. Eine wesentliche Veränderung der Wartezeiten hat es im Vergleich zu den Vorjahren im 1. Quartal 2018 nur bei einem der drei beauftragten Träger gegeben, da sich dieser ausschließlich durch Zuwendungen und Drittmittel (Spenden, Bußgeldsammelfonds und im geringeren Umfang Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit) finanziert. Die zuständige Behörde hat unverzüglich nach Abschluss des 1. Quartals die bereitgestellten Mittel im Rahmen der Bewirtschaftung erhöht, um die tatsächlichen Bedarfe im Rahmen der üblichen Wartezeiten weiterhin abdecken zu können. 3. Welche weiteren Maßnahmen führen die freien Träger noch durch? Neben den begleiteten Arbeitsleistungen führen die Träger Soziale Trainingskurse (Soziales Kompetenztraining, Konfrontatives soziales Training, Einzel-Antigewalt- Training), Maßnahmen im Bereich Ausgleich mit Geschädigten (Täter-Opfer- Ausgleich, Schadenswiedergutmachung) durch. 4. Sind dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde die im Vortext angesprochenen Probleme, die mit langen Wartezeiten einhergehen , bewusst und wie bewertet er beziehungsweise sie diese? Wenn nein, warum nicht? Wie bewertet er beziehungsweise sie die langen Wartezeiten? Siehe Antwort zu 2. 5. Erachtet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Finanzierung der JGH als ausreichend? Bitte begründen. Sind Aufstockungen geplant? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Der Umfang der Angebote ambulanter Maßnahmen, die über freie Träger durchgeführt werden, wird grundsätzlich als ausreichend eingeschätzt. Sofern die Finanzierung der Angebote aufgrund von Personalkostensteigerungen zu Mehrbedarfen führt, wird regelhaft im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten nach Lösungen gesucht, um die Mehrbedarfe soweit abzudecken, dass keine Leistungseinschränkungen erfolgen müssen. Im Rahmen der Veranschlagung 2019/2020 ist eine Berücksichtigung der Mehrbedarfe zur strukturellen Absicherung vorgesehen; die Planaufstellung durch Beschluss der Bürgerschaft über den Haushaltsplan ist jedoch noch nicht abgeschlossen. 6. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Möglichkeit einer Dezentralisierung der JGH? Die ursprünglich dezentral organisierte JGH wurde 2006 aus Gründen der besseren fachlichen Steuerung einer zentralen Organisationsstruktur zugeführt. Die seitdem eingeführten einheitlichen fachlichen Standards haben die Arbeit der JGH erheblich verbessert. Zwar wird die JGH durch eine zentrale Leitung landeseinheitlich gesteuert, sie arbeitet jedoch dezentral und unterhält entsprechend der Amtsgerichtsbezirke die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13295 3 Standorte West, Ost und Süd. Darüber hinaus bietet sie regelmäßige Sprechstunden in Bergedorf an. Eine Veränderung dieser Organisation ist daher aus Sicht des Senats nicht sinnvoll.