BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13299 21. Wahlperiode 12.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 04.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Strafverfolgung von Hamburger Ärzten/-innen nach § 219a StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) Der § 219a StGB regelt das Verbot des Werbens für Schwangerschaftsabbrüche . Seine Entstehungsgeschichte ist auf die Bevölkerungspolitik des Nationalsozialismus zurückzuführen. Erst im Zuge der ersten nationalsozialistischen Strafrechtsreform im Mai 1933 wurde der Paragraf als neuer Tatbestand eingeführt. Das Verbot blieb bis heute im Wesentlichen bestehen und soll vermeintlich verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch „als etwas Normales dargestellt … und kommerzialisiert wird“ (BT.-Drs. 7/1981). Tatsächlich hindert er jedoch Frauen an ihrem Recht auf Selbstbestimmung, Informationsfreiheit und freie Ärztewahl und kriminalisiert und stigmatisiert zugleich Ärzte/-innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten und hierüber informieren. Angestoßen durch die Verurteilung einer Giesener Gynäkologin nach § 219a StGB im vergangenen Jahr wird, nach langer Zeit der Ruhe, die Berechtigung des Werbeverbots seit Ende 2017 heftig diskutiert. Das Gros der Parteien spricht sich für die Abschaffung oder zumindest die Novellierung des § 219a aus. Am 27. Juni werden mehrere Anträge zur Änderung der Gesetzeslage im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages debattiert werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Werden beziehungsweise wurden auch in Hamburg Ärzte/-innen allein aus dem Grund, dass sie in ihrem Onlineauftritt oder in ähnlicher Weise öffentlich machen, dass ihr medizinisches Leistungsspektrum die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen umfasst, strafrechtlich verfolgt beziehungsweise sind deshalb Strafverfahren bei hamburgischen Staatsanwaltschaften beziehungsweise Gerichten anhängig? Bitte die einzelnen Fälle nach Jahren aufschlüsseln. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sind aus 2016 noch drei Verfahren offen, wobei in einem dieser Verfahren drei Strafanzeigen zusammengefasst sind. Aus 2017 sind noch vier Verfahren offen, wovon zwei denselben Sachverhalt betreffen und aus 2018 sind noch drei Verfahren offen, die einen Tatvorwurf gemäß § 219a StGB im Sinne der Fragestellung zum Gegenstand haben. Ausweislich des Vorgangserfassungs- und Vorgangsverwaltungssystems MESTA sind seit 2013 insgesamt 36 Verfahren gemäß § 219a StGB erfasst. Die Mitteilung steht unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA, das nicht als Statistikprogramm konzipiert ist. Drucksache 21/13299 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine Beiziehung aller Akten und deren Durchsicht im Hinblick darauf, ob in allen Fällen Vorwürfe im Sinne der Fragestellung Gegenstand des Verfahrens waren, oder ob auch Ermittlungen wegen anderer Tatbestandsalternativen des § 219a StGB eingeleitet worden sind, ist im Rahmen der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. In keinem der Verfahren wurde Anklage erhoben oder der Erlass eines Strafbefehls beantragt. 2. Wenn ja, was ist im jeweiligen Einzelfall Gegenstand des Vorwurfs und wie rechtfertigt sich dieser in Hinblick auf den Anspruch von Patienten/ -innen auf Information über das medizinische Leistungsspektrum von Ärzten/-innen, um darauf basierend sinnvoll von ihrem Recht auf freie Ärzte-/-innenwahl nach § 76 SGB V Gebrauch machen zu können? Was sind die aktuellen Verfahrensstände? Mit den Strafanzeigen, die den noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren zugrunde liegen (siehe Antwort zu 1.), wurde überwiegend auf den Internetauftritt der angezeigten Ärztinnen und Ärzte aufmerksam gemacht und die Rechtsauffassung dargelegt, dass die dortigen Inhalte strafbare Verstöße gegen § 219a StGB darstellten . In einem Verfahren aus 2018 wurde eine Äußerung in einer Magazin-Sendung des NDR zur Anzeige gebracht, ein anderes Verfahren aus 2018 hat den in Frage 3. behandelten Sachverhalt zum Gegenstand. Über Fortgang und Abschluss der Verfahren ist bislang noch nicht entschieden worden. 3. In einem Artikel der „tageszeitung“ vom 18. November 2018 erklären sich 33 Ärzte/-innen unter der Überschrift „Wir machen Schwangerschaftsabbrüche “ mit ihrer damals nach § 219a StGB angeklagten Kollegin Kristina Hänel solidarisch. Wurden infolge dieser öffentlichen Solidaritätsbekundung Hamburger Ärzte/-innen strafrechtlich verfolgt? Wenn ja, was ist im jeweiligen Einzelfall Gegenstand des Vorwurfs, wie wird dieser jeweils gerechtfertigt und was ist der jeweilig aktuelle Verfahrensstand ? Anfang 2018 wurde bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gemäß § 219a StGB gegen mehrere Hamburger Ärztinnen und Ärzte eingeleitet, denen in der zugrunde liegenden Anzeige die Solidaritätsbekundung mit der Beschuldigten zum Vorwurf gemacht wurde. Im Übrigen siehe Antwort zu 2.