BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13308 21. Wahlperiode 12.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 05.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Justizvollzug – Aktueller Stand Ersatzfreiheitsstrafen in Hamburg In Hamburg können zu einer Geldstrafe Verurteilte ihre Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit tilgen, um eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB abzuwenden. Trotz dieser Möglichkeit kommt es regelmäßig zu der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. Dies belastet die Hamburger Justizvollzugsanstalten , welche schon lange mit einer angespannten Belegungs- und Personalsituation zu kämpfen haben, und führt zu zusätzlichen Kosten. So fielen beispielsweise im Jahr 2016 in Hamburg bei einer monatlichen, stichtagsbezogenen Durchschnittsbelegung von 96 Inhaftierten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten, 5,7 Millionen Euro zusätzlichen Kosten an,1 die von der Freien und Hansestadt Hamburg getragen werden mussten. Im Jahr 2016 wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet, die Maßnahmen zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen sowie sonstige mögliche Lösungen prüft und bewertet. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Anzahl Gefangener, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, steigt bundesweit an. Daher hat die Justizministerkonferenz auf ihrer Frühjahrstagung am 1. und 2. Juni 2016 beschlossen, eine Länderarbeitsgruppe „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einzurichten. Die Arbeit der Länderarbeitsgruppe ist noch nicht abgeschlossen. Mit einem abschließenden Bericht kann nicht vor der Frühjahrskonferenz der Justizminister in 2019 gerechnet werden. Auf der Grundlage der Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts über den Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzugs, jeweils zu den Stichtagen 31. März, 31. August und 30. November eines Jahres für den Zeitraum 31. März 2003 bis 30. November 2017 ist festzustellen, dass die Zahlen der Ersatzfreiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen bundesweit langjährig – mit Schwankungen – steigen, während sie in Hamburg bis Ende 2016 – mit Schwankungen – rückläufig waren und erst seit 2017 leicht steigen. Insofern stellt sich die Entwicklung in Hamburg vergleichsweise günstig dar. Circa 90 Prozent der eingeleiteten Geldstrafenvollstreckungen in Hamburg werden durch Zahlung, nachträgliche Gesamtstrafenbildung oder auf sonstige Weise (zum Beispiel Verjährung, Gnadenerweis) erledigt. Circa 4 Prozent der eingeleiteten Geldstrafenvollstreckungen werden durch Leistung gemeinnütziger Arbeit ganz oder teilweise getilgt. In circa 6 Prozent der eingeleiteten Geldstrafenvollstreckungen erfolgt 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/8664. Drucksache 21/13308 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 eine Voll- oder Teiltilgung durch Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe. Die Vermeidung der Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe – auch durch Leistung gemeinnütziger Arbeit – setzt jedoch regelmäßig eine hinreichende psychosoziale Handlungskompetenz des Verurteilten voraus. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Gefangene haben seit dem 01.12.2017 bis zum 01.06.2018 (jeweils zu den Stichtagen) eine Ersatzfreiheitsstrafe in den Hamburger Justizvollzugsanstalten verbüßt? Bitte jeweils nach den Hamburger Justizvollzugsanstalten aufschlüsseln. Die Anzahl der Gefangenen, die seit dem 01.12.2017 bis zum 01.06.2018 eine Ersatzfreiheitsstrafe in den Hamburger Justizvollzugsanstalten verbüßt hat, ist den nachfolgenden Tabellen zu entnehmen. 2017 01.12.2017 JVA Billwerder 39 JVA Fuhlsbüttel 1 JVA Glasmoor 6 JVA Hahnöfersand 0 Sozialtherapeutische Anstalt Hamburg 35 Untersuchungshaftan - stalt 20 Summe 101 2018 01.01.2018 01.02.2018 01.03.2018 01.04.2018 01.05.2018 01.06.2018 JVA Billwerder 47 50 46 62 72 67 JVA Fuhlsbüttel 1 1 2 1 0 0 JVA Glasmoor 0 2 0 1 1 3 JVA Hahnöfersand 0 0 0 0 0 0 Sozialtherapeutische Anstalt Hamburg 33 33 33 27 25 25 Untersuchungshaftan - stalt 20 26 22 28 23 23 Summe 101 112 103 119 121 118 2. Wie viele Ersatzfreiheitsstrafen konnten in Hamburg durch gemeinnützige Arbeit seit 2013 abgewendet werden? Wie oft griff dabei die Härtefallregelung gemäß § 3 Absatz 2 der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit (Tilgungsverordnung ) vom 11. Dezember 2012? Der nachfolgenden Tabelle sind die Eingangszahlen der Ersatzfreiheitsstrafen seit 2013 zu entnehmen sowie die Anzahl der Ersatzfreiheitsstrafen, die ganz oder teilweise durch gemeinnütze Arbeit abgewendet werden konnten. Die Anzahl der Fälle, die über die Härtefallregelung getilgt wurden, wird nicht statistisch erfasst. Jahr Eingangszahlen Aufträge Gemeinnützige Arbeit* davon ganz oder teilweise geleistet 2013 1.640 603 2014 1.458 602 2015 1.532 631 2016 1.067 477 2017 1.184 436 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13308 3 Jahr Eingangszahlen Aufträge Gemeinnützige Arbeit* davon ganz oder teilweise geleistet 2018** 472 200 * Bei den Eingangszahlen sind alle Auftragsarten enthalten. ** Stand 07.06.2018. 3. Wie hoch sind derzeit die Kosten für einen Haftplatz in Hamburg? Wie hoch waren die Kosten je Inhaftierten in den JVAs und welche Gesamtkosten sind 2017 entstanden? Der Tageshaftkostensatz für das Jahr 2018 wird nach Ablauf des Jahres ermittelt. 2017 betrug er 181,72 Euro. Der Aufgabenbereich Justizvollzug hatte 2017 Aufwendungen in Höhe von 133.928.763 Euro. 4. Welche Kosten fielen in Hamburg im Jahr 2017 annäherungsweise durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen insgesamt an? Die Anzahl der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen wird an Stichtagen erhoben, siehe Drs. 21/8445 und 21/8664. Eine Berechnung der Kosten kann auf dieser Grundlage nur näherungsweise erfolgen. Im Jahr 2017 sind demnach Gesamtaufwendungen in Höhe von rund 6,9 Millionen Euro entstanden. 5. Wie viele Hafttage wurden in Hamburg durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit seit dem Jahr 2013 eingespart und in welcher Höhe wurden hierdurch Haftkosten gespart (bitte nach Jahren darstellen)? Der nachfolgenden Tabelle können die Anzahl der getilgten Tagessätze/ersparten Hafttage sowie die dadurch eingesparten Haftkosten durch Leistung gemeinnütziger Arbeit vor Haftantritt entnommen werden. Jahr Anzahl getilgte Tagessätze/ersparte Hafttage 2013 22.606 2014 21.407 2015 22.592 2016 18.455 2017 16.087 2018* 6.966 * Stand 07.06.2018. Darüber hinaus wurden in den Justizvollzugsanstalten durch Leistung gemeinnütziger Arbeit („day by day“) folgende Hafttage und Haftkosten eingespart: 2013 2014 2015 2016 2017 JVA Billwerder Keine Angaben* 1.807 1.511 1.616 1.128 JVA Billwerder/Teilanstalt für Frauen 131 76 150 77 116 JVA Glasmoor 408 103 95 216 508 Summe 539 1.986 1.756 1.909 1.752 * Es sind für 2013 keine Auswertungen erfolgt. Für eine nachträgliche Ermittlung müssten Daten zunächst recherchiert und ausgewertet werden, was in der zur Beantwortung Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Bei Zugrundelegung der Tageshaftkostensätze sind folgende Aufwendungen erspart worden: Jahre Tageshaftkosten-sätze in € Hafttage EFS „day by day“ Anzahl getilgte Tagessätze/ ersparte Hafttage vor Haftantritt Aufwendungen in € (gerundet in Millionen) 2013 158,95 539 22.606 3,6 2014 170,77 1.986 21.407 4 2015 173,84 1.756 22.592 4,2 2016 164,30 1.909 18.455 3,3 Drucksache 21/13308 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahre Tageshaftkosten-sätze in € Hafttage EFS „day by day“ Anzahl getilgte Tagessätze/ ersparte Hafttage vor Haftantritt Aufwendungen in € (gerundet in Millionen) 2017 181,72 1.752 16.087 3,2 6. Wie hoch ist die Abbrecherquote in Hamburg beim Ableisten von gemeinnütziger Arbeit seit dem Jahr 2013? (Bitte nach Jahren darstellen .) Welche Maßnahmen werden in Hamburg ergriffen oder sind geplant , um diese Quote möglichst gering zu halten? Jahr Abbruchquote wegen Aufnahme von Ratenzahlung in % Abbruchquote bzw. gar keine GA geleistet 2013 12,76 30,42 2014 14,10 30,44 2015 12,41 29,93 2016 11,94 27,27 2017 14,56 31,05 2018* 15,19 22,36 * Stand 07.06.2018. Um die Abbruchquote möglichst gering zu halten, bemühen sich die zuständigen Behörden laufend um die Akquise adäquater Einsatzstellen. Darüber hinaus werden mit flankierenden Maßnahmen und Beratungen sowohl die Betroffenen als auch die Einsatzstellen unterstützt. 7. Welche Ergebnisse oder Zwischenergebnisse hat die Bund-Länder- Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses zu dem Thema „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten – Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ vorzuweisen? a. Welche Maßnahmen sind auf der Grundlage dieser Ergebnisse in Hamburg geplant? b. Falls noch keine (Zwischen-)Ergebnisse vorliegen, warum nicht und wann kann mit (Zwischen-)Ergebnissen gerechnet werden? Siehe Vorbemerkung.