BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13337 21. Wahlperiode 12.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath und Dr. Jens Wolf (CDU) vom 06.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Ist 12 Euro Mindestlohn bei Behörden sowie öffentlichen Betrieben und Unternehmen wirtschaftlich zu Ende gedacht? Löhne und Gehälter müssen von Unternehmen verdient werden. Wenn SPD und GRÜNE nach entsprechenden Äußerungen aus dem rot-grünen Senat einen Mindestlohn von 12 Euro (Drs. 21/12916) in städtischen Beteiligungen anstreben, hätten sie und der Senat sich vorab eigentlich auch Gedanken machen müssen, wie viele Personen inwiefern betroffen sind und wie die finanziellen und arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Erste Bürgermeister hat wiederholt erklärt, unter anderem in seiner Regierungserklärung am 11. April 2018, dass Beschäftigte, die ihr Leben lang in Vollzeit arbeiten, einen Rentenanspruch erwerben sollen, der ein Leben unabhängig von Transferleistungen ermöglicht. Dieses Ziel kann durch einen Stundenlohn von etwa 12 Euro erreicht werden. Dem Senat ist bewusst, dass dies vielerlei Anpassungen (Preise, Verträge, Aufträge, Gehaltsgefüge, Zuwendungen et cetera) erforderlich macht. Ein wesentliches Instrument diese Anpassungen zu gestalten, sind Tarifverträge. Der Vorschlag des Ersten Bürgermeisters, einen Stundenlohn von 12 Euro auf dem Wege von Tarifverhandlungen zu erreichen, wird für die öffentlichen Unternehmen Hamburgs über den Einfluss des Senats auf deren Tarifverhandlungen umgesetzt. Damit wird das Instrument des gesetzlichen Mindestlohns, dessen Einführung von Hamburg unterstützt wurde, auf tariflicher Ebene ergänzt. Der Umsetzungsprozess, um dieses Ziel gegebenenfalls stufenweise zu erreichen, wird derzeit von den Behörden und Ämtern betrieben, er ist noch nicht abgeschlossen. Über weitere Schritte wird der Senat zu gegebener Zeit entscheiden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann haben welche Mitglieder des Senats innerhalb der letzten zwölf Monate mit jeweils welchen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden oder Wirtschaftsverbänden zum Thema 12 Euro Mindestlohn Gespräche welchen Inhalts geführt? Die Mitglieder des Senats befinden sich im regelmäßigen Austausch mit Gewerkschaften , Arbeitgeberverbänden oder Wirtschaftsverbänden, in denen auch das Ziel eines Stundenlohns von 12 Euro eine Rolle spielt. Diese Gespräche sind damit Gegenstand des in der Vorbemerkung beschriebenen internen Prozesses und der Senatsentscheidung zur Beantwortung des Bürgerschaftlichen Ersuchens 21/12916. 2. Warum ist der Senat der Meinung, dass er unabhängig von der von der SPD im Bund mit ins Leben gerufenen Mindestlohnkommission agieren muss und wie bewertet er die Arbeit der Mindestlohnkommission? Drucksache 21/13337 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Inwiefern handelt es sich bei der Drs. 21/12916 um einen Eingriff in die Tarifautonomie? 4. 12 Euro Mindestlohn in städtischen Betrieben und Unternehmen wirken sich auch auf private Unternehmen der betroffenen Branchen (Reinigungskräfte , Servicekräfte im Gastronomiebereich) aus. Hat der Senat sich bereits mit möglichen Auswirkungen auf die Privatwirtschaft befasst? Wenn ja, von welchen Annahmen geht er aus? Wenn nein, warum nicht? 5. Drs. 21/10931 informiert darüber, in welchen Behörden, öffentlichen Betrieben und Unternehmen, aber auch bei welchen Zuwendungsempfängern jeweils wie viele Beschäftigte beziehungsweise wie viele VZÄ zum Stichtag 31. Oktober 2017 weniger als 12 Euro Stundenlohn erhalten haben. a) Entsprechen die dort genannten Zahlen zu den Mitarbeitern und VZÄ bei den Behörden, öffentlichen Betrieben und Unternehmen auch der Prognose des Senats bezüglich der Zahl der vom Mindestlohn profitierenden Personen? Wenn nein, inwiefern gibt es Abweichungen? b) Welche Auswirkungen hat ein Mindestlohn von 12 Euro auf all jene, die bereits knapp darüber verdienen? Muss sich das Gehaltgefüge dann nicht insgesamt nach oben verschieben? Wenn ja, wie viele Personen sind davon betroffen? Wenn nein, warum nicht? c) Hat sich der Senat mit der Frage befasst, wie die betroffenen Behörden, öffentlichen Betrieben und Unternehmen die höheren Personalkosten finanzieren sollen? Wenn ja, welche konkreten Finanzierungsvorschläge für die jeweils betroffenen Einheiten sind vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? d) Warum gelten die 12 Euro Mindestlohn nicht für die Beschäftigten von Zuwendungsempfängern? Die Fragen 2. bis 5. beziehen sich auf den in der Vorbemerkung beschriebenen laufenden Entscheidungsprozess im Senat. Dieser ist noch nicht abgeschlossen. 6. Drs. 21/12795 macht deutlich, dass der Senat bei Neuausschreibungen für Glas- und Gebäudereinigung jedes Jahr rund knapp eine halbe Million Euro spart. Da Personalkosten bei Reinigungsfirmen der wesentliche Kostenfaktor sind, ist davon auszugehen, dass Einsparungen hier nur möglich sind, wenn man den Anbieter wählt, der seinen Mitarbeitern am wenigsten zahlt. a) Welcher Mindestlohn gilt aktuell bei den für die Stadt tätigen Reinigungskräften aus der Privatwirtschaft? Nach der Siebten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung (Siebte Gebäudereinigungsarbeitsbedingungenverordnung – GebäudeArbb V7) vom 21. Februar 2018 (BAnz AT 27.02.2018 V2) betragen die Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 10. November 2017 in Hamburg je nach Lohngruppe 10,30 Euro (Lohngruppe 1) oder 13,55 Euro (Lohngruppe 6). b) Aufträge mit welchem Gesamtvolumen an private Reinigungsfirmen erteilte der Senat im Jahr 2016? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13337 3 Der Vergabeausschuss der Finanzdeputation hat im Jahr 2016 der Vergabe von insgesamt 56 Glas- und Gebäudereinigungsaufträgen mit einem Netto-Jahresauftragsvolumen von 4.935.306,70 Euro zugestimmt. c) Gedenkt der Senat, künftig auch den für ihn tätigen Reinigungsfirmen aus der Privatwirtschaft nur Aufträge zu erteilen, wenn sie auch 12 Euro Mindestlohn zahlen? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht und droht so nicht die Schaffung einer zwei Klassengesellschaft bestehend aus für bei städtischen Unternehmen beschäftigten Reinigungskräften und für die Stadt nur tätigen Reinigungskräften? Siehe Antwort zu 2. bis 5. 7. Hat der Senat sich mit der Frage befasst, welche Auswirkungen ein hoher Mindestlohn bereits für ungelernte Kräfte auf die Ausbildungsbereitschaft der betroffenen Branchen hat, wenn ausgebildete Fachkräfte nur knapp über Mindestlohn bezahlt werden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 2. bis 5. 8. Sollte der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik des rot-grünen Senats nicht auf der Förderung der dualen Ausbildung und damit einem qualifizierten Abschluss liegen, sodass bei der Entlohnung sich 12 Euro Mindestlohn automatisch ausschließen, da eine Fachkraft besser entlohnt wird? Wenn ja, inwiefern fördert der Senat aktuell die duale Ausbildung? Wenn nein, warum nicht? Der Senat hat der Bürgerschaft wiederholt seine Strategien und Handlungsansätze dargestellt, gemeinsam mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern die Attraktivität der dualen Ausbildung zu stärken. Zentrale Ansätze hierzu sind die flächendeckende Einrichtung der Jugendberufsagentur und die Berufs- und Studienorientierung in allen Hamburger Schulen (siehe Drs. 20/4195) sowie der Schulentwicklungsplan für berufsbildende Schulen. Aktuell dargelegt sind diese Ansätze im Gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm 2015 – 2020 (siehe Drs. 21/7483) sowie in der Fortschreibung der Fachkräftestrategie des Senats (siehe Drs. 21/13304). 9. Wer bestimmt wann anhand welcher Kriterien, ob der Mindestlohn in Höhe von 12 Euro in Behörden, städtischen Betrieben und Unternehmen noch angemessen ist? Wird es eine Kommission extra für Hamburg geben? Spricht diese dann auch Empfehlungen für eine mögliche Anhebung aus? Ist eine Evaluation geplant? Wenn ja, wann durch wen? Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 2. bis 5.