BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13352 21. Wahlperiode 15.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Ewald Aukes, Dr. Kurt Duwe, Daniel Oetzel und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 07.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Dieselfahrverbot Am 31. Mai 2018 trat in Hamburg auf zwei Streckenabschnitten das sogenannte Dieselfahrverbot, welches von der Umweltbehörde auch als Durchfahrtsbeschränkung bezeichnet wird, in Kraft. Als Ausweichstrecke für die Teilsperrung der Max-Brauer-Allee ist nach Angaben der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) die Strecke Königstraße – Holstenstraße vorgesehen.1 In der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Hamburg wird für die Maßnahmen in der Max-Brauer-Allee unter dem Prüfungspunkt Diesel-Durchfahrtsbeschränkung Folgendes angegeben: Ergebnis der Immissionsberechnung -7,2 μg/m³ Straßenabschnitt mit Luft-Messstation -7,5 μg/m³ Straßenabschnitt östlich der Luft-Messstation Auswirkung: Die berechneten Verlagerungseffekte in das umgebende Straßennetz führen zur Erhöhung von Grenzwertüberschreitungen an zwei weiteren Straßen: Straßen: Stresemannstraße (+1 bis +2μg/m³ auf bis zu 48,7 μg/m³) Reeperbahn (+1 μg/m³ auf 43,3 μg/m³)2 Zudem wird in Luftreinhalteplan vermutet, dass Fahrer als Umgehungsroute die Harkortstraße nutzen werden.3 Hinsichtlich der nun vorgesehenen Ausweichroute an der Holstenstraße teilte der Senat im Luftreinhalteplan Folgendes mit: 1 Informationsbroschüre der BUE, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/contentblob/ 11119068/2350005b7e80ed0f1ee8417569be94e5/data/d-flyer-diesel.pdf. 2 LRP Hamburg Seite 130, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/contentblob/9024022/ 7dde37bb04244521442fab91910fa39c/data/d-lrp-2017.pdf. 3 LRP Hamburg Seite 130. Drucksache 21/13352 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die für die Max-Brauer-Allee berechnete Maßnahme „Dieseldurchfahrtsbeschränkung “ führt auf dem betroffenen Abschnitt an der Holstenstraße zur Minderung der Belastung von -2,7 μg/m³.4 Für die Teilsperrung der Stresemannstraße schlägt die BUE gleich drei alternative routen vor: Route 1: Klosterwall/Steintorwall/Glockengießerwall/Lombardsbrücke/Esplanade/ Gorch-Fock-Wall/Jungiusstraße/St. Petersburger Straße Route 2: Glacischaussee/Holstenglacis/St. Petersburger Straße Route 3: Neuer Kamp/Feldstraße/Holstenglacis/Karolinenstraße Gemeinsame Führung der Ausweichrouten 1 bis 3 ab Rentzelstraße: Rentzelstraße /Schröderstiftstraße/Schäferkampsallee/Fruchtallee/Doormannsweg /Alsenplatz/Augustenburger Straße5 Im Luftreinhalteplan ist für die Stresemannstraße noch eine Umgehung über die Strecke Fruchtallee-Alsterglacis vorgesehen.6 Auf dem Stadtportal hamburg.de teilt der Umweltsenator Jens Kerstan auf dem Teil der Behörde für Umwelt und Energie Folgendes mit: Es war nie unser Ziel, Durchfahrtsbeschränkungen anzuordnen, aber an diesen Straßen sind sie notwendig, weil alle anderen Maßnahmen dort nicht greifen. Die Maßnahmen sind eine unverschuldete Härte für Autobesitzer, sie sind aber unvermeidbar, weil die Autohersteller getrickst haben und die Bundesregierung seit mehreren Jahren versucht hat, das Problem durch Nichtstun auszusitzen. Die Bundesregierung muss die Hersteller jetzt endlich verpflichten , ältere Dieselautos nachzurüsten. Das würde das Grenzwertproblem der Städte sehr schnell entspannen. Ohne die Betrügereien der Autokonzerne und die Untätigkeit des Bundesverkehrsministeriums müssten wir in Hamburg keine Diesel-Durchfahrtsbeschränkungen anordnen. Die Bundesregierung hatte seit unserem Beschluss ein Jahr Zeit eine Regelung zu schaffen oder tätig zu werden, um die Maßnahme zu vermeiden.7 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Aufgrund weiterhin bestehender Grenzwertüberschreitung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes wurde die 2. Fortschreibung des Hamburger Luftreinhalteplans (LRP) erarbeitet und am 30. Juni 2017 vom Senat beschlossen. Sie enthält eine Vielzahl an gesamtstädtisch wirksamen Maßnahmenpaketen und lokalen Einzelmaßnahmen, die zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwertes führen und damit die Gesundheit der betroffenen Anwohner schützen. An zwei besonders belasteten Straßenabschnitten wurden Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge eingeführt . Anlieger sind von dieser Beschränkung ausgenommen und können den 4 LRP Hamburg Seite 149. 5 Informationsbroschüre der BUE. 6 LRP Hamburg Seite 134. 7 http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/11119020/2018-05-31-bue-dieseldurchfahrtsbeschraenkungen /. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13352 3 Abschnitt weiterhin befahren. Die Entscheidung, Durchfahrtsbeschränkungen für bestimmte Kfz einzuführen, stand am Ende eines sorgfältigen Abwägungsprozesses, in dem auch die Ergebnisse einer gutachterlichen Immissionsmodellierung berücksichtigt wurden. Das Hamburger Luftmessnetz betreibt zur Bewertung der Luftqualität entsprechend der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) die darin festgelegten stationären Messungen. Die verkehrsnahen Messstationen stehen an vier derzeit repräsentativen Hotspots, siehe hierzu auch: http://luft.hamburg.de/. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Plant der Senat Messstationen auf den Ausweichstrecken einzurichten? a) Wenn ja, wo und bis wann? b) Wenn nein, wie will der Senat die Auswirkung auf die Umgehungsstrecken evaluieren? c) Wenn nein, warum werden die Auswirkungen nicht evaluiert? Da ausreichend Erkenntnisse aus Messungen und Gutachten (zum Beispiel Gutachten zum LRP) vorliegen, ist derzeit keine Messstation erforderlich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Mit welcher Begründung geht der Senat davon aus, dass der Rückgang der NOx-Belastung durch ein Dieselfahrverbot in der Max-Brauer-Allee (-7,2 μg/m³) höher ist als die Mehrbelastung auf den Ausweichrouten? Die NO2-Belastung an der Max-Brauer-Allee und den umliegenden Straßen wurden gutachterlich mit einem Ausbreitungsmodell berechnet. Bei der Modellierung wurden unter anderem die Höhe der Randbebauungen, deren Abstand zur Straße, die lokale Verkehrsbelastung, Ausrichtung zur Hauptwindrichtung und meteorologische Daten berücksichtigt. Die Ergebnisse sind im LRP dargestellt und zeigen, dass sich an stark befahrenen Straßen mit schluchtartiger Randbebauung wie an dem betroffenen Abschnitt in der Max-Brauer-Allee erhöhte NO2-Konzentrationen einstellen können. Die Ausweichrouten weisen andere Charakteristika der Bebauungssituation auf, sodass es nicht zu einer solchen Aufkonzentration in einzelnen Straßenabschnitten kommt und folglich keine Grenzwertüberschreitung modelliert wurde. 3. Wieso ist der Senat von der ursprünglichen Planung zur Einrichtung einer Umgehungsroute über die Harkortstraße abgewichen? Im Zuge der Erschließung des Entwicklungsgebiets Mitte Altona ist ein Umbau der Harkortstraße vorgesehen. Damit wird ab Herbst des Jahres 2018 die Harkortstraße abschnittsweise nicht mehr durchgängig befahrbar sein. Darüber hinaus wird im Jahr 2019 der Lessingtunnel zeitweise gesperrt. Diese Sperrungen beeinflussen maßgeblich die Verkehrsabwicklung in dem umgebenden Netz und führten schließlich dazu, dass die Harkortstraße als Ausweichroute für die Max-Brauer-Allee nicht zur Verfügung steht. 4. Welche Auswirkung hat die Umgehungsroute über die Holstenstraße auf die Luftqualität in dem betroffenen Abschnitt? a) Wie hoch ist der Anteil der Diesel-Pkw (schlechter als Euro 5) und Diesel-Lkw (schlechter als Euro 5) an der NO2-Gesamtbelastung in diesem Abschnitt? b) Welchen Anteil an der NO2-Gesamtbelastung haben andere Verkehrsteilnehmer , wie Busse, Schiffe oder motorisierte Zweiräder? (Bitte getrennt angeben.) Entsprechend den Berechnungen soll es an der Umgehungsroute über die Holstenstraße nicht zu Überschreitungen des EU-Grenzwertes kommen. Drucksache 21/13352 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Modellierung hat im Ergebnis die NO2-Gesamtbelastung ermittelt, siehe hierzu LRP: http://www.hamburg.de/contentblob/9024022/ 7dde37bb04244521442fab91910fa39c/data/d-lrp-2017.pdf. Siehe auch „Protokoll des Ausschusses für Umwelt und Energie gemeinsam mit dem Verkehrsausschuss“ zur Sitzung am 12.September 2017 (Sachverständigenanhörung ): https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/59299/wortprotokoll-der- %c3%b6ffentlichen-sitzung-des-ausschusses-f%c3%bcr-umwelt-und-energiegemeinsam -mit-dem-verkehrsausschuss.pdf. 5. Teilt der Senat immer noch die Auffassung, dass es durch das Fahrverbot auf der Max-Brauer-Allee zu einer Minderung der Belastung von -2,7 μg/m³ auf der Holstenstraße kommt? Der Senat sieht keinen Grund, die im LRP dargestellten Ergebnisse der Modellierung anders zu bewerten. 6. Wieso ist der Senat von der ursprünglichen Planung zur Einrichtung einer Umgehungsroute über die Alsterglacis abgewichen? Die empfohlene Ausweichroute für die Dieseldurchfahrtsbeschränkung in der Stresemannstraße verläuft wie geplant über nördlich gelegene Streckenabschnitte und die Fruchtallee. Im Zuge der Detailplanung wurde die Straße Alsterglacis zugunsten einer günstigeren Verkehrsführung nicht Bestandteil der Ausweichrouten. 7. Auf welcher Rechtsgrundlage soll nach Ansicht des Senats die Bundesregierung zurzeit in der Lage sein, die Hersteller zu einer Nachrüstung zu zwingen? Sind davon alle Hersteller oder nur solche, die eine Betrugssoftware eingesetzt haben, betroffen? Wenn alle Hersteller betroffen sind, sieht der Senat in der Maßnahme eine Verletzung des Rückwirkungsverbots? Als Rechtsgrundlage kommen in Betracht das Straßenverkehrsgesetz i.V.m. der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, der EU-Verordnung (EG) Nummer 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge und die EU-Richtlinie 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge. Im Übrigen hat sich der Senat mit dieser Frage noch nicht befasst. 8. Welche Formen der Nachrüstung sind aus Sicht des Senates bei Fahrzeugen , bei denen kein SCR-Katalysator eingebaut werden kann, möglich ? Typgenehmigungen und allgemeine Betriebserlaubnisse für Kraftfahrzeuge und Fahrzeugteile werden zuständigkeitshalber vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) erteilt. Technische Möglichkeiten einer Nachrüstung sind beim KBA zu beantragen und von diesem zu bewerten. 9. Plant der Senat eine Bundesratsinitiative zur Nachrüstung durch die Hersteller? Nein. Der Senat prüft eine Mitantragstellung zur diesbezüglich einschlägigen BR.-Drs. 236/18. 10. Wann und wie will der Senat die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Durchfahrtsbeschränkungen informieren? Der Minderungseffekt der im LRP enthaltenen Maßnahmen ist an den Messungen der HaLM-Stationen Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße erkennbar. Die Messergebnisse werden online veröffentlicht. 11. Welche Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden in der Habichtstraße geplant? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13352 5 Siehe hierzu LRP: http://www.hamburg.de/contentblob/9024022/ 7dde37bb04244521442fab91910fa39c/data/d-lrp-2017.pdf.