BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13353 21. Wahlperiode 15.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 07.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Was umfasst die vom Justizsenator auf der Jumiko (Frühjahrskonferenz der Justizminister) geforderte Stärkung des Opferschutzes im Einzelnen ? Jeder von uns kann Opfer einer Straftat werden und auch die Gefahr von Terroranschlägen besteht latent; die Stärkung des Opferschutzes ist daher von elementarer Bedeutung. Der Justizsenator verkündete heute, dass er auf der Frühjahrskonferenz der Justizminister einen Antrag zur Stärkung von Opferrechten eingebracht habe. In der Pressemitteilung der Justizbehörde heißt es dazu: „So spricht sich die Jumiko dafür aus, dass Opfer von terroristischen Angriffen mit Kraftfahrzeugen Anspruch auf Entschädigung bekommen und nicht auf Härtefallregelungen angewiesen bleiben. Bisher sieht das Opferentschädigungsgesetz (OEG) eine explizite Ausnahme des Entschädigungsanspruchs vor, wenn die Tat mit einem Kraftfahrzeug begangen wurde.“ Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Dezember 2017 einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Verbesserung der Opferentschädigung beschlossen (Drs. 19/234). Darin fordert er die Bundesregierung unter anderem auf, auf Bundes- und Landesebene zentrale Anlaufstellen für Opfer eines Terroranschlags und deren Angehörige zu schaffen, die im Falle eines Anschlags zusammenarbeiten. Sie sollen dabei auch auf die Betroffenen zugehen und die Regulierung der Entschädigungsansprüche verantwortlich koordinieren; daneben ist zu prüfen, wie Opfer von Gewalttaten einen schnelleren und unbürokratischen Zugang zu Sofortmaßnahmen erhalten und professionell begleitet werden können. Es stellt sich somit die Frage, welche Bedeutung Hamburgs Justizsenator der Stärkung der Opferrechten tatsächlich beimisst. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Recht der Sozialen Entschädigung (SER) soll umfassend reformiert und dabei insbesondere auf die Bedarfe der Opfer von Gewalttaten einschließlich der Opfer von Terrortaten ausgerichtet werden. Dieser Zielsetzung trägt auch der von Hamburg auf der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder (JuMi- Ko) eingebrachten Antrag „Opferschutz stärken – Opferentschädigung auch beim Einsatz von Kraftfahrzeugen als ‚Waffe‘“ Rechnung. Im Vorwege der JuMiKo haben sich bereits die Arbeits- und Sozialministerinnen und -minister auf ihrer 94. Konferenz im Dezember 2017 mit diesem Thema befasst und gefordert, dass das SER im Rahmen eines weiteren Sozialgesetzbuches neu geordnet wird. Das bedeutende Thema Drucksache 21/13353 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 des Opferschutzes berührt in den Ländern die Zuständigkeiten verschiedener Ressorts . Eine breite fachliche Diskussion kommt dem Ziel des Opferschutzes und dem Anliegen der Neuordnung des Rechts der Sozialen Entschädigung zugute und dient der Bundesregierung als gute Grundlage für dessen umfassende Reformierung. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Beauftragter der Bundesregierung für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Straftaten im Inland beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ernannt. Um einen schnellen und unbürokratischen Zugang zu Sofortmaßnahmen sowie eine professionelle Begleitung bei Terror- und Gewalttaten zu gewährleisten, wurde auf einer Bund- Länder-Besprechung am 15. Februar 2018 unter anderem beschlossen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Unterstützung der Länder eine Übersicht erstellt, aus der alle Anlaufstellen und Ansprechpartner für Opfer von Gewalttaten und Terror ersichtlich sind. Im Rahmen der Hamburger Zulieferung wurden die Kontaktdaten der bereits in Hamburg vorhandenen zentralen Anlaufstellen (unter anderem Versorgungsamt Hamburg als OEG-Durchführungsbehörde und OEG- Traumaambulanzen) zur Verfügung gestellt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Was beinhaltet der Antrag zur Stärkung von Opferrechten, den Hamburg auf der Jumiko eingebracht hat, konkret? a) Welche weiteren Regelungen als die Streichung des in § 1 Absatz 11 OEG vorgesehenen Ausschlusses für mittels eines Kraftfahrzeugs begangene tätliche Angriffe sind darin enthalten? Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben auf ihrer Frühjahrskonferenz (JuMiKo) am 6. und 7. Juni 2018 in Eisenach unter TOP I.13 den von Hamburg eingebrachten Antrag „Opferschutz stärken – Opferentschädigung auch beim Einsatz von Kraftfahrzeugen als ‚Waffe‘“ beschlossen. Der Beschluss ist abrufbar unter http://www.jm.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2018/Fruehjahrskonferenz_2018/TOP- I_-13.pdf. Der Antrag Hamburgs nimmt unter anderem Bezug auf die Empfehlungen zur Verbesserung des Opferschutzes in dem Abschlussbericht des Bundesbeauftragen für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, Herr Ministerpräsident a.D. Kurt Beck, aus dem November 2017, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/121317_Abschlussberi cht_Opferbeauftragter.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Der Abschlussbericht enthält konkrete Verbesserungsvorschläge, insbesondere: - Schaffung von zentralen Anlaufstellen für Opfer eines Terroranschlags auf Bundesebene , beispielsweise im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz , und Landesebene; - Schaffung einer Anlauf- und Betreuungsstelle im Falle eines Anschlags vor Ort; - deutliche Erhöhung der Härteleistungen; - zentrale behördliche Onlineplattformen mit Informationen für Betroffene; - Ersatz materieller Schäden unabhängig davon, ob ein Kraftfahrzeug im Einsatz war, und eine - schnellere Information der Angehörigen über den möglichen Tod, wenn eine Identifizierung unter Vorbehalt möglich ist. Teile dieser Anliegen werden auch in einem weiteren Antrag der Länder Nordrhein- Westfalen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (TOP II.22 „Opferschutzstrukturen auf Landesebene“, abrufbar unter http://www.jm.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2018/Fruehjahrskonferenz_2018/II-22- NW---Opferschutzstrukturen-auf-Landesebene.pdf) aufgegriffen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. b) Die Leistungen, die nach dem OEG gewährt werden können, richten sich nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, § 1 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13353 3 Absatz 1 OEG. In der BT.-Drs. 19/234 wurde angeregt, die Höhe der Entschädigungszahlungen für Verletzte und Hinterbliebene von terroristischen Straftaten aus Haushaltsmitteln des Bundes zu überprüfen . Dabei sei auch zu erwägen, „ob zukünftig auch ein höheres Schmerzensgeld und der Ersatz materieller Schäden aus dem entsprechenden Haushaltstitel geleistet werden könne.“ Inwiefern umfasst der auf der Jumiko eingebrachte Antrag auch eine Erweiterung des Leistungskatalogs des OEG? Der Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, auf den der Antrag Hamburgs Bezug nimmt, enthält hierzu entsprechende Empfehlungen. 2. Welche Härtefallregelungen bestehen zurzeit? Anspruchsberechtigte Personen nach dem OEG erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Das BVG beinhaltet in § 89 eine allgemeine Härtefallregelung. Danach kann nach vorheriger Zustimmung des BMAS ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben würden. Anlässlich der Entschließung des Bundestags vom 13. Dezember 2017 (BT.-Drs. 19/234) wurde auf einer Bund-Länder-Besprechung am 15. Februar 2018 einvernehmlich zwischen den Ländern und dem Bund vereinbart, dass vorläufig in Fällen, die dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin gleichgelagert sind, Entschädigungsleistungen im Wege eines Härteausgleichs nach § 1 Absatz 12 OEG in Verbindung mit § 89 BVG erbracht werden. Auf Bundesebene können zudem beim Bundesamt für Justiz sogenannte Härteleistungen beantragt werden. Die Härteleistungen werden nach Billigkeitsgesichtspunkten bemessen und in Form einmaliger Geldzahlungen erbracht. Antragsberechtigt sind Personen, die durch extremistische oder terroristische Gewalttaten an ihrem Körper oder in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sind. Bei bloßen Sachschäden ist eine Zahlung allerdings nicht möglich. Antragsberechtigt sind auch Hinterbliebene und Nothelfer. Die Einzelheiten zu den Härteleistungen ergeben sich aus dem Abschlussbericht des Bundesbeauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz. Über den deutschlandweit tätigen Verein Verkehrsopferhilfe e.V. (VOH) kann daneben bei Sach- und Personenschäden aus Unfällen, in denen das Auto von einem Angreifer vorsätzlich als „Tatwaffe“ eingesetzt wurde, ein Antrag an den Entschädigungsfond für Schäden aus Kfz-Unfällen gerichtet werden. Allerdings erstattet der Verein nur solche Schäden, für deren Erstattung keine andere Stelle (zum Beispiel gesetzliche Krankenversicherung ) aufkommt. Insbesondere erstattet der VOH zum Beispiel die über die Pauschalen des OEG hinausgehenden Kosten der Bestattung sowie Reisekosten im Zusammenhang mit dem Schadensereignis, Verdienstausfälle und Unterhaltsschäden . 3. Ist in Hamburg – wie in der BT.-Drs. 19/234 gefordert – die Errichtung einer zentralen Anlaufstelle für Opfer eines Terroranschlags und deren Angehörige geplant, die im Falle eines Anschlags zusammenarbeiten? Falls ja, welche Planungen bestehen konkret? Falls nein, weshalb nicht? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. a).