BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13368 21. Wahlperiode 15.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 08.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Beschäftigungsverhältnisse in Drittmittelprojekten an der Universität Hamburg Mit dem neuen, im März 2016 in Kraft getretenen Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss die Laufzeit von Arbeitsverträgen nicht nur der angestrebten Qualifizierung „angemessen“ sein, sondern auch die Befristung von wissenschaftlichen Personal in Drittmittelprojekten soll sich am bewilligten Projektzeitraum orientieren. Berichten zufolge werden aber seit circa einem halben Jahr die von Projektleitern/-innen gewünschten Beschäftigungsverhältnisse in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten – also trotz vorhandener gesicherter Finanzierung – durch die Verwaltung der (UHH) in mehreren Fällen verweigert und nicht verlängert. Dies beträfe unter anderem auch Projekte in Exzellenzclustern. Forschung hat eine Dynamik, in der auch die Kontinuität von Beschäftigungsverhältnissen wichtig ist, um die Intensität und Qualität der wissenschaftlichen Arbeit zu gewährleisten. Die Planungssicherheit sowohl der Projekte wie auch die der daran beteiligten Mitarbeitenden leiden darunter. Bei den genannten Beschäftigungsverhältnissen handelt es sich weder um solche, die institutionelle Aufgaben wahrnehmen, noch um Folgeverträge , die eventuelle Einklagemöglichkeiten eröffnen würden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Für das wissenschaftliche Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat der Bundesgesetzgeber 2007 im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) Sonderbefristungsregelungen geschaffen, die über die allgemeinen arbeitsrechtlichen Befristungsmöglichkeiten hinausgehen. Sie sollen sicherstellen, dass dem wissenschaftlichen Nachwuchs einerseits ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sich für eine wissenschaftliche Karriere – in einer Hochschule oder auch außerhalb des Wissenschaftsbetriebs – zu qualifizieren. Andererseits sollen sie sicherstellen , dass die begrenzt verfügbaren Qualifikationsstellen nach einem bestimmten Zeitraum wieder frei werden und für die nächsten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zur Verfügung stehen. Das Gesetz spricht von einem Zeitraum von sechs Jahren vor der Promotion und sechs Jahren nach der Promotion, wobei Anrechnungen unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen möglich sind. Damit besteht ein Spielraum bei der Ausgestaltung und des Zeitraums der Verträge. 2016 ist die erste Novelle des Gesetzes in Kraft getreten. Ziel der Novelle ist es, Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis entgegen zu wirken und vor allem unsachgemäße Kurzbefristungen zu unterbinden. Nach § 2 Absatz 2 Satz 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend entsprechend der Zweckbestimmung dieser Mittel beschäftigt wird. Eine „Finanzierung aus Mitteln Dritter” liegt vor, wenn ein Projekt nicht aus den der Hochschule oder For- Drucksache 21/13368 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schungseinrichtung zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird. Die Dauer der Befristung muss sich in der Qualifizierungsphase am Qualifizierungsziel, bei Drittmittelprojekten an der Dauer der Mittelbewilligung orientieren. Kürzere Verträge bleiben in begründeten Ausnahmefällen möglich. Beispielsweise ist es möglich, dass zur Durchführung eines Projekts konsekutiv Beschäftigte mit unterschiedlichen Fertigkeiten benötigt werden. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung prüft – in Anknüpfung an die europäische Rechtsprechung – im Bereich der Drittmittelbefristungen auch, ob eine Befristung trotz Vorliegens eines Sachgrunds nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) unwirksam ist. Die Rechtsprechung hat dazu Grenzen in Bezug auf die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse und die Gesamtzahl der Verlängerungen in Anknüpfung an die gesetzlichen Kriterien in § 14 Absatz 2 S.1 Teilzeit- und Befristungsgesetz herausgearbeitet sowie Aspekte aufgeworfen, die in Einzelfällen ein Überschreiten dieser Grenzen rechtfertigen können. Die Arbeitgeber sind daher gehalten , die Voraussetzungen für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages in jedem Einzelfall unter Einbeziehung der Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs zu prüfen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Universität Hamburg (UHH) wie folgt: 1. Wie viele Personen sind derzeit auf Drittmittelstellen der Universität Hamburg beschäftigt? Bitte differenziert nach Statusgruppen sowie nach „ausschließlich“, „über 50 Prozent“ und „bis zu 50 Prozent“ angeben. Drittmittelbeschäftigte werden nicht „auf Stellen“ beschäftigt. In der Tabelle unten sind die (auch) drittmittelfinanziert Beschäftigten der Universität Hamburg nach Beschäftigungskategorien aufgeführt. Grundlage hierfür ist eine Auswertung der Beschäftigungsverhältnisse im Mai 2018. Beschäftigungskategorie ausschließlich bis zu 50 % über 50% Gesamtergebnis HochSchulLehr 52 10 15 77 TVP/studAngest. 84 10 11 105 WiMA§28(1)Promo 17 5 0 22 WiMA§28(2)Habil 4 1 0 5 WiMA§28(3)DriMi 899 47 25 971 WiMA§28(3)Lehre 0 3 0 3 WiMA§28(3)Sonst 14 6 3 23 Gesamtergebnis 1070 82 54 1206 2. Wie gestaltet sich die Dauer der Befristungen bei Arbeitsverträgen, die in den letzten zwei Jahren an der Universität Hamburg in Drittmittelprojekten geschlossen worden sind? Bitte Anteil der Verträge unter einem, unter zwei und unter drei Jahren angeben sowie nach Statusgruppe, Fachbereich und etwaig Exzellenzcluster differenzieren. Siehe Anlage. Die Betrachtung ist an der UHH stichtagsbezogen jeweils zum 31.12.2016 und 31.12.2017 erfolgt, da technisch eine Auswertung der Gesamtjahre nicht möglich ist. 3. Wie viele drittmittelfinanzierte Stellen sind über welche Regelungen im WissZeitVG an der Universität Hamburg befristet? Bitte unterscheiden nach sachgrundloser Befristung (§ 2 Absatz 1 WissZeitVG), Befristungen nach Drittmitteln (§ 2 Absatz 2 WissZeitVG) und Befristungen nach TzBfG? Befristungsgrund § 14 TzBfG § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG § 2 Abs. 1 S. 2 WissZeitVG § 2 Abs. 2 WissZeitVG § 2 Abs. 5 WissZeitVG Gesamtergebnis Beschäftigte 78 631 162 134 10 1015 Die Beschäftigtenzahl ist entsprechend der Befristungsgründe aufgeführt. An der UHH als familienfreundlicher Hochschule erfolgt die Befristung aus Drittmitteln finanzierter wissenschaftlicher Mitarbeiter soweit möglich nach § 2 Absatz 1 WissZeitVG – gemäß Satz 1 vor der Promotion, und gemäß Satz 2 bei Beschäftigung nach der Promotion. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13368 3 Eine Befristung nach § 2 Absatz 2 WissZeitVG erfolgt grundsätzlich nur dann, wenn die jeweiligen Beschäftigten die Höchstbefristungsdauer des § 2 Absatz 1 WissZeitVG bereits ausgeschöpft haben. 4. In wie vielen Fällen wurden seit Oktober 2017 die oben genannten Beschäftigungsverhältnisse , trotz vorhandener Sicherung der Finanzierung durch Drittmittel, seitens der Verwaltung der Universität Hamburg verweigert beziehungsweise nicht verlängert? Die zuständige Behörde geht davon aus, dass der Fokus dieser Teilfrage auf der Anzahl der Fälle liegt, die aufgrund des Aspektes der Kettenbefristung abgelehnt wurden . Bisher konnte aus diesem Grund in 13 Fällen keine befristete Beschäftigung erfolgen. Neben der sogenannten Kettenbefristungsproblematik kann es auch vorkommen , dass die Befristung des vorgesehenen Arbeitsvertrages selbst nicht rechtssicher möglich ist, da etwa die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 WissZeitVG oder des TzBfG in der fraglichen Konstellation nicht erfüllt würden. Über solche Ablehnungen wird keine gesonderte Statistik geführt. 5. Aus welchem Grund und auf welcher Rechtsgrundlage wurden diese Beschäftigungsverhältnisse nicht weiter fortgeführt? Die Beschäftigungsverhältnisse wurden nicht fortgeführt, da keine rechtssichere Befristungsmöglichkeit mehr bestand. Insbesondere aufgrund der aktuellen europäischen und nationalen Rechtsprechung zur Kettenbefristung hätte eine rechtsmissbräuchliche und somit eine unwirksame Befristung gedroht. Die Kettenbefristung steht dabei über dem Befristungsgrund des individuellen Vertrages. 6. Sieht der Senat Wege, etwaig zu große vorhandene und nicht nachvollziehbare Handlungsspielräume der Verwaltung der UHH gesetzlich oder anderweitig besser zu regulieren? 7. Plant der Senat Maßnahmen zur Eindämmung von Befristungen und prekären Berufsperspektiven an den Hochschulen auf Landesebene? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die staatlichen Hamburger Hochschulen sind im Rahmen der rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. Den Rahmen gibt im wissenschaftlichen Bereich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz vor. In diesem Rahmen sind die Hochschulen wie alle Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, gesetz- und rechtmäßig zu handeln. Insoweit können Beschäftigte regulär Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten suchen. Der Umgang und die Erfahrungen mit dem novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetz werden mit den Hochschulen regelmäßig – auch im Hinblick auf die Gesetzesevaluation im Jahr 2020 – besprochen. Aufgrund des mit den Hochschulen initiierten dauerhaften Dialogs zum CoC, der nun auch Berichtspflichten an die zuständige Behörde umfasst, wird auf der Umsetzung der in der AG vereinbarten Vorgabe, unsachgemäße Laufzeiten von Verträgen zu vermeiden, ein besonderes Augenmerk liegen. Der CoC ist jedoch keine Richtlinie, sondern eine Vereinbarung zwischen den Hochschulen und basiert auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative der Hochschulen. 8. Was hält der Senat davon, aus den von 20 Prozent auf 30 Prozent steigenden Overheadmitteln einen Ausfallfond zur Steigerung der Planungssicherheit der Mitarbeitenden einzurichten? Die in der AG CoC vereinbarten Maßnahmen werden innerhalb der aktuellen Rahmenbedingungen umgesetzt. 9. In welchem Umfang an Semesterwochenstunden waren Drittmittelbeschäftigte im Wintersemester 2015/2016, im Sommersemester 2016, im Wintersemester 2016/2017, im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2017/2018 an der Universität Hamburg einschließlich des UKE in der Lehre tätig? Bitte differenziert nach den gefragten Semestern und den Lehreinheiten darstellen. Drucksache 21/13368 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Grundsätzlich sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und wissenschaftliche Mitarbeiter im Rahmen ihrer aus Drittmitteln finanzierten Beschäftigungsverhältnisse nicht in der Lehre tätig. Nur in sehr wenigen Ausnahmefällen ist die Durchführung von Lehrveranstaltungen in den Drittmittelbewilligungen überhaupt erlaubt beziehungsweise vorgesehen, sodass dann eine entsprechende Beschäftigung erfolgen kann. Eine zentrale Erfassung dieser Angaben erfolgt nicht und ist in der vorgegebenen Zeit auf Basis einer Auswertung aller in Drittmittelprojekten beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der damit verbundenen Ausgestaltung der Drittmittelprojekte nicht möglich. Bereich Beschäftigungskategorie < 1 Jahr < 2 Jahre < = 3 Jahre Präsidialverwaltung & Zentrale Einheiten Hochschullehrer*innen TVP/studAng 11 2 6 WiMA§28(1) 1 WiMA§28(3) 2 5 10 Fakultät für Rechtswissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAng WiMA§28(1) 1 1 WiMA§28(3) 4 Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Hochschullehrer*innen 1 TVP/studAngest. 6 WiMA§28(1) 1 WiMA§28(3) 5 25 Fakultät für Erziehungswissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAngest. 1 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 5 6 31 Fakultät für Geisteswissenschaften Hochschullehrer*innen 2 1 TVP/studAngest. 1 1 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 2 10 35 Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAngest. 3 11 12 WiMA§28(1) 1 1 1 WiMA§28(3) 36 91 303 Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAngest. 1 WiMA§28(1) 2 WiMA§28(3) 5 6 25 Fakultät für Betriebswirtschaft Hochschullehrer*innen 1 TVP/studAngest. 1 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 1 9 Gesamt 76 141 469 Anzahl der Arbeitsverträge in Drittmittelprojekten an der Universität Hamburg für 2016 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13368 5 Anlage Bereich Beschäftigungskategorie < 1 Jahr < 2 Jahre < = 3 Jahre Präsidialverwaltung & Zentrale Einheiten Hochschullehrer*innen TVP/studAng 6 11 9 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 4 8 9 Fakultät für Rechtswissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAng 1 1 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 1 1 6 Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Hochschullehrer*innen 1 TVP/studAngest. WiMA§28(1) 1 WiMA§28(3) 2 4 24 Fakultät für Erziehungswissenschaften Hochschullehrer*innen 1 TVP/studAngest. 1 1 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 1 9 37 Fakultät für Geisteswissenschaften Hochschullehrer*innen 4 1 TVP/studAngest. 1 2 2 WiMA§28(1) WiMA§28(3) 4 11 76 Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften Hochschullehrer*innen 1 TVP/studAngest. 5 8 12 WiMA§28(1) 1 2 WiMA§28(3) 27 82 293 Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaften Hochschullehrer*innen TVP/studAngest. WiMA§28(1) 2 WiMA§28(3) 3 4 18 Fakultät für Betriebswirtschaft Hochschullehrer*innen TVP/studAngest. WiMA§28(1) 1 WiMA§28(3) 1 1 12 Gesamt 61 146 506 Anzahl der Arbeitsverträge in Drittmittelprojekten an der Universität Hamburg für 2017 Drucksache 21/13368 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 13368ska_Text 13368ska_Anlage A01