BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13408 21. Wahlperiode 10.07.18 Große Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel, Carl-Edgar Jarchow, Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein, Michael Kruse, Dr. Kurt Duwe (FDP) und Fraktion vom 12.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Wie geht es weiter mit der Regulierung im Glücksspielwesen? Die Struktur des Glücksspielmarktes hat sich in den letzten Jahren stark verändert . Der regulierte Markt erstreckt sich über die herkömmlichen terrestrischen Glückspielangebote (zum Beispiel in Lottoannahmestellen, Spielbanken , Spielhallen oder Gaststätten mit Gewinnspielgeräten), die über eine deutsche Glücksspiellizenz verfügen und nach deutschem Recht legal sind. Zum nicht regulierten Markt zählen Glücksspielangebote, die über keine deutsche Glücksspielkonzession, aber über eine Glücksspielkonzession aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, verfügen. Diese werden in Deutschland geduldet und öffentlich beworben (zum Beispiel private Sportwettangebote, Zweitlotterien, Online-Casinos, Online-Poker et cetera). In § 10a GlüStV ist eine Experimentierklausel für Sportwetten vorgesehen. Im GlüStV sollten 20 Konzessionen für eine siebenjährige Experimentierphase an private Sportwettanbieter vergeben werden. Die Zuständigkeit des Konzessionsvergabeverfahrens liegt beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. Das behördliche Vergabeverfahren wurde nach einer Konsultationsphase und einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes zum einstweiligen Rechtsschutz gestoppt und hat bis heute keine Fortsetzung erfahren. Der Europäische Gerichtshof urteilte am 04. Februar 2016, dass mit § 10a GlüStV die Unvereinbarkeit des staatlichen Monopols auf die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten mit Artikel 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) nicht behoben sei. Die fehlende Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten hindert somit einen Wettvermittler nicht Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Sportwettveranstalter zu vermitteln . Problematisch ist ferner das in § 4 Absatz 4 GlüStV bestehende Internetverbot zur Vermittlung und Veranstaltung von Glücksspielen im Internet. Laut Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 30. Juni 2011 fehlt für die unterstellte Annahme, dass das Medium Internet per se als Vertriebskanal für Glücksspiel gefährlich ist, jeder wissenschaftliche Beweis. Die Suchtgefährlichkeit werde durch die konkrete Ausgestaltung des Spielablaufs bestimmt. Die in § 4 Absatz 5 GlüStV formulierten Ausnahmen des Internetverbots weisen auf die Möglichkeit einer effektiven Regulierbarkeit von Online -Glücksspiel hin. Die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Vollzug des bestehenden Regulierungsrahmens führen zu einem Anstieg unregulierter Spielformen im Inter- Drucksache 21/13408 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 net. Die Zielformulierungen der eingangszitierten Glücksspielregulierung werden damit konterkariert. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Verhandlungsergebnisse zur Neuregulierung im Glücksspielwesen wurden bei den vergangenen Ministerpräsidentenkonferenzen (18. Oktober bis 20. Oktober 2017, 01. Februar 2018, 15. März 2018) und den Konferenzen der Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder (25. Januar 2018, 22. Februar 2018, 17. Mai 2018) erzielt? Die Länder haben in Aussicht genommen, nach Vorliegen der jeweiligen haushaltsund verfahrensmäßigen Voraussetzungen eine Änderung der Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Länder bei der Glücksspielaufsicht nach § 9 Absatz 3, die ländereinheitlichen Verfahren nach § 9a und die Einrichtung des Fachbeirats nach § 10 Absatz 1 Satz 2 Glücksspielstaatsvertrag zu unterzeichnen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10813. 2. Wie beurteilt der Senat die Einrichtung einer spielform- und länderübergreifenden Sperrdatei aus Gründen der Suchtprävention und des Spieler - und Jugendschutzes? Mit der Frage, ob Spielersperren mittels einer länder- und spielformübergreifenden Sperrdatei umgesetzt werden sollen, hat sich der Senat noch nicht befasst. 3. Welche Alternativen im Bereich Sportwetten kommen für den Senat nach Auslaufen der Experimentierphase gemäß § 10a GlüStV zum 01. Juli 2019 in Betracht? 4. Wie beurteilt der Senat die Einführung eines staatlichen Monopols für den Bereich Online-Casinos? Damit hat sich der Senat bisher nicht befasst. 5. Sind dem Senat folgende Studien bekannt? Nash, O’Connell, Zevenbergen und Mishkin (2013): Effective age verification techniques: Lessons to be learnt from the online gambling industry, University of Oxford Rockloff, Greer und Fay (2011): The Social Contagion of Gambling: How Venur Size contributes to Player Losses, in: Journal of Gambling Studiesm 27, 487 – 497 Meyer und Brosowski (2015): Spieler- und Jugendschutz in Spielhallen : Ein Praxistest, in: Sucht, 61, 9 – 18 Häfeli, Lischer und Häusler (2015): Communications-based early detection of gambling-related problems in online gambling, in: International Gambling Studies, 15, 23 – 38 Bühringer, Kotter und Kräplin (2016): Qualitätsbezogene anstelle mengenorientierter Regulierung des Glücksspielangebotes, in: Beiträge zum Glücksspielwesen – Eine Fachreihe des Behördenspiegels, 2, 22 – 26 Walter (2018): Glücksspielregulierung verlangt nach evidenzbasierter Diskussion, in: Beiträge zum Glücksspielwesen – Eine Fachreihe des Behördenspiegels, 1, 22 – 26 Conolly et al. (2017): Gambling behaviour in Great Britain in 2015, NatCen Social Research, London European Commission (2011): Workshop on Online Gambling: Detection and Prevention of Problem Gambling Addiction (Conclusions), Brüssel, online verfügbar: http://ec.europa.eu/internal_market/ gambling/docs/workshops/workshop-ii-conclusions_en.pdf Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13408 3 Ja. 6. Welche Schlussfolgerungen für die Regulierung von Online-Glücksspiel zieht der Senat aus den genannten Studien? Die in der Frage 5. aufgeführten Studien und Aufsätze bilden lediglich einen Teil der wissenschaftlichen Literatur zu den Themen „Glücksspiel“ und „Spielerschutz“ ab. Die genannten Studien und Aufsätze können daher alleine keine Grundlage für eine Meinungsbildung des Senates sein. Die Meinungsbildung des Senats erfolgt durch die Bewertung unterschiedlicher Erkenntnisse. Hierzu zählen die Auswertung von Studien und die Verfolgung des wissenschaftlichen Diskurses genauso wie die Abwägung von schutzwürdigen Interessen. 7. Wie viele und welche in der Freien und Hansestadt Hamburg abrufbaren Online-Angebote für Casinospiele sind dem Senat bekannt? Der Behörde für Inneres und Sport sind derzeit rund 170 Internetseiten bekannt, über die Glücksspiele angeboten werden. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Casinospiele , aber auch Pokerspiele oder nicht erlaubnisfähige Wetten, wie zum Beispiel Wetten auf die Ziehungen des Deutschen Lotto- und Totoblocks (sogenannte Zweitlotterien ). Im Übrigen siehe Drs. 21/9282 und 21/13285. 8. Wie haben sich im Zeitraum von 2006 bis einschließlich 2017 die Anteile der unterschiedlichen Spielformen (Lotto, Sportwetten, Totalisatorwetten auf Pferderennen, Buchmacherwetten auf Pferderennen, Spiel in Spielbanken , Geldspielautomaten in Spielbanken, Geldspielautomaten in Spielhallen, sonstige Geldspielautomaten, Online-Casinospiele, Online- Poker) am Glücksspielmarkt in der Freien und Hansestadt Hamburg entwickelt? (Bitte nach Jahresumsatz und Anteil am jährlichen Gesamtumsatz aufschlüsseln.) Die nachstehenden Zahlen beruhen grundsätzlich auf dem Bruttospielertrag (Summe der Spieleinsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne – BSE –). Sie finden sich vielfach auch in den Jahresreporten der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder , die unter https://innen.hessen.de/buerger-staat/gemeinsame-geschaeftsstellegluecksspiel /evaluierung-ggs abrufbar sind. Bezüglich des Gesamtumsatzes gilt, dass der Hamburger Anteil regelhaft rund 2 Prozent beträgt, was ungefähr dem Bevölkerungsanteil Hamburgs an der Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht. Dies vorausgeschickt, können folgende Angaben mitgeteilt werden: BSE – LOTTO Jahr BSE Hamburg BSE Deutschland 2006 103.595.653 Euro Keine Angabe 2007 101.258.973 Euro Keine Angabe 2008 99.450.390 Euro Keine Angabe 2009 82.246.132 Euro Keine Angabe 2010 75.095.221 Euro Keine Angabe 2011 76.300.988 Euro Keine Angabe 2012 73.105.152 Euro Keine Angabe 2013 79.794.062 Euro 3,6 Mrd. Euro 2014 78.393.153 Euro 3,5 Mrd. Euro 2015 80.451.278 Euro 3,7 Mrd. Euro 2016 79.078.060 Euro 3,7 Mrd. Euro 2017 76.522.891 Euro Liegt noch nicht vor. Im BSE der LOTTO Hamburg GmbH in den Jahren 2006 – 2008 sind auch die Spieleinsätze enthalten, die die gewerblichen Spielvermittler Tipp24/Lotto24 bundesweit erzielten, da eine wohnortbasierte Zuordnung nicht vorgeschrieben war. BSE – Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (GKL) Drucksache 21/13408 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahr BSE Hamburg BSE Deutschland 2013 4,8 Mio. Euro 199 Mio. Euro 2014 4,7 Mio. Euro 200 Mio. Euro 2015 4,2 Mio. Euro 198 Mio. Euro 2016 5,2 Mio. Euro 221 Mio. Euro BSE – Soziallotterien Jahr BSE Hamburg BSE Deutschland 2013 8,9 Mio. Euro 417 Mio. Euro 2014 9,0 Mio. Euro 424 Mio. Euro 2015 9,1 Mio. Euro 427 Mio. Euro 2016 8,7 Mio. Euro 432 Mio. Euro Spieleinsätze Pferdewetten Spieleinsätze, inklusive Pferdewetten im Internet gemäß § 27 Absatz 2 GlüStV Jahr Spieleinsätze Hamburg Spieleinsätze Deutschland 2013 2,5 Mio. Euro 14 Mio. Euro 2014 17,2 Mio. Euro 32 Mio. Euro 2015 13,8 Mio. Euro 29 Mio. Euro 2016 18,4 Mio. Euro 37 Mio. Euro Spieleinsätze Hamburger Rennbahnen Jahr Spieleinsätze Hamburg-Horn Spieleinsätze Hamburg- Bahrenfeld 2006 4.256.628 Euro 7.204.787 Euro 2007 4.061.817 Euro 5.751.066 Euro 2008 3.998.510 Euro 4.180.245 Euro 2009 4.069.552 Euro 3.386.677 Euro 2010 3.443.254 Euro 4.233.129 Euro 2011 2.931.652 Euro 4.345.287 Euro 2012 2.846.195 Euro 3.734.048 Euro 2013 3.375.073 Euro 2.943.624 Euro 2014 2.995.840 Euro 3.054.812 Euro 2015 3.098.133 Euro 1.862.954 Euro 2016 2.486.389 Euro 2.224.951 Euro 2017 1.885.795 Euro 2.155.305 Euro BSE Spielbank Jahr BSE Hamburg BSE Deutschland 2006 50.784.920,32 Euro Keine Angabe 2007 47.925.000,00 Euro Keine Angabe 2008 38.438.766,49 Euro Keine Angabe 2009 32.623.261,01 Euro Keine Angabe 2010 28.455.812,67 Euro Keine Angabe 2011 27.232.786,11 Euro Keine Angabe 2012 29.038.785,31 Euro Keine Angabe 2013 34.207.953,50 Euro 523 Mio. Euro 2014 27.244.470,00 Euro 508 Mio. Euro 2015 31.129.449,50 Euro 557 Mio. Euro 2016 33.469.861,90 Euro 577 Mio. Euro 2017 32.740.371,53 Euro Liegt noch nicht vor. Umsätze bei Spielhallen und Geldspielautomaten Eine getrennte Erfassung der Spieleinsätze beziehungsweise des Umsatzes von Geldspielautomaten in Spielhallen und sonstigen Aufstellorten erfolgt nicht. Saldiert ergeben sich für die Geldspielautomaten (ohne Geldspielautomaten in Spielbanken und Unterhaltungsspielgeräte im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Hamburgisches Spielvergnügungssteuergesetz) in Hamburg Umsätze beziehungsweise Spieleinsätze in den Jahren 2006 bis 2017 wie folgt: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13408 5 Jahr Spieleinsätze 2006 227,49 Mio. Euro 2007 240,50 Mio. Euro 2008 339,95 Mio. Euro 2009 431,12 Mio. Euro 2010 515,14 Mio. Euro 2011 637,25 Mio. Euro 2012 674,14 Mio. Euro 2013 585,34 Mio. Euro 2014 553,94 Mio. Euro 2015 568,32 Mio. Euro 2016 580,35 Mio. Euro 2017 549,10 Mio. Euro Zu weiteren Glücksspielsegmenten, wie zum Beispiel den Gewinnsparvereinen, liegen keine gesonderten auf Hamburg bezogenen Zahlen vor. Vereinzelt sind noch Zahlen aus dem Besteuerungsverfahren bekannt. Hierbei handelt es sich aber um eine überschaubare Anzahl an Marktteilnehmern im jeweiligen Segment, sodass Rückschlüsse auf individuelle Geschäftssituationen möglich wären. Deshalb verbietet § 30 Abgabenordnung (Steuergeheimnis) die Offenbarung der entsprechenden Zahlen. 9. Wie unterscheiden sich die Nutzerzahlen der unterschiedlichen Glücksspielformen des Glücksspielmarktes in Hamburg von den Märkten in anderen Bundesländern? (Bitte für die Jahre 2006 bis einschließlich 2017 nach Spielform und Bundesland aufschlüsseln.) Zu den Nutzerzahlen der unterschiedlichen Glücksspielsegmente liegen keine Erkenntnisse vor. 10. Wie entwickelte sich der Glücksspielschwarzmarkt in der Freien und Hansestadt Hamburg von 2006 bis 2017 (bitte nach Spielform und Jahr analog zum Jahresreport der Glücksspielaufsichtsbehörden aufschlüsseln )? Die Entwicklung des Glücksspielmarktes beruht auf Umsatzschätzungen. Diese werden im Rahmen der Evaluierung des GlüStV nur für ganz Deutschland vorgenommen. Es liegen daher keine Angaben für Hamburg vor.