BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13449 21. Wahlperiode 22.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen und Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 14.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Ausgaben in Erst- und Folgeunterkünften – Hat der Senat den Durchblick ? Der Landesrechnungshof beanstandet in seinem Jahresgutachten aus 2018 (vergleiche Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2018, Drs. 21/12000), dass der Betrieb von Erst- und Folgeunterkünften nicht konsequent den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspräche (vergleiche Seite 199 f). Dies geht unter anderem auf zwar gültige, jedoch nicht allen Vertragsparteien vorliegende Vereinbarungen mit f & w fördern und wohnen AöR (f&w) zurück. Der Rechnungshof hat die Vorgehensweise bei den Vertragsabschlüssen als Verstoß gegen den Grundsatz der Schriftlichkeit bemängelt und darauf hingewiesen, dass über den inhaltlichen Umfang einer Vereinbarung vor dem Beginn der Leistungserbringung Klarheit herrschen muss. Das Fehlen einer allgemeingültigen und allen Vertragsparteien vorliegenden Vereinbarung zur Leistungserbringung hat – wie vom Rechnungshof in den Textzahlen (TZ) 694-715 festgestellt – zu erheblichen Folgeproblemen geführt, mit dem Ergebnis, dass die Behörde für Inneres und Sport (BIS) meist keine Kenntnis davon hatte, auf welche Weise Aufträge vergeben oder Gegenstände in Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg erworben wurden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen für Leistungserbringungen der Betreiberinnen und Betreiber öffentlich-rechtlicher Unterkünfte (örU) sehen Erstattungen der Personal- und Sachaufwendungen sowie sonstiger Kosten gegen Beleg vor. Die Vereinbarungen enthielten jedoch kaum konkrete Vorgaben zur Angemessenheit und zum vorausgesetzten Standard des Personal- und Mitteleinsatzes bei der Aufgabenwahrnehmung , mit der Konsequenz, dass Betreiberinnen und Betreiber weitestgehend selbst bestimmen konnten, welche Güter und Dienstleistungen sie als erforderlich ansehen wollten (vergleiche Rechnungshof Jahresgutachten 2018, TZ 698). In Drs. 21/12970 pflichtet der Senat dieser Feststellung bei und stellt in Aussicht, dass die Behörde für Inneres und Sport (BIS) die Beschaffungsprozesse hinsichtlich Verantwortung, Struktur und Transparenz klarer gestalten wolle. a. Mit welchem Ergebnis konnte dem Rechnungshof, wie in Drs. 21/12970 angekündigt, zum 30. April 2018 berichtet werden? b. Wie weit sind diese Prozesse inzwischen (Stichtag 14. Juni 2018) fortgeschritten? Bitte stellen Sie auch geplante Veränderungen dar, selbst dann, wenn diese noch nicht vollständig umgesetzt werden konnten. Drucksache 21/13449 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Verhandlungen mit den Betreibern über die Neugestaltung der Beschaffungsprozesse sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Einigkeit besteht in dem Bestreben, durch eine frühzeitige Genehmigung von Beschaffungen durch die Behörde für Inneres und Sport (BIS), Differenzen in der Abrechnungsphase zu vermeiden. Durch transparente Verfahrensabläufe, die in weiten Teilen bereits praktiziert werden, sollen Abläufe, Zuständigkeiten und Reaktionszeiten geregelt werden. Wesentliche Änderung zur Praxis der Jahre 2015 und 2016 ist die Absenkung der Wertgrenze ab der eine Genehmigung durch die BIS erfolgen muss. Diese wurde von 5.000,00 Euro auf 100,00 Euro je Einzelfall reduziert. Ausgenommen hiervon ist die Beschaffung von regelmäßig notwendigen Verbrauchsgütern. 2. Im Kontext der vom Rechnungshof beanstandeten intransparenten Kostenerstattungsprozesse ist es zur Verausgabung von Kosten durch die Betreiberinnen und Betreiber gekommen, die erhebliche Unterschiede in Art, Mengen und Preisen aufwiesen. So hat zum Beispiel eine Hilfsorganisation zum Betrieb einer Erstaufnahme eine Tochterorganisation gegründet und sämtliche damit verbundenen Kosten in Rechnung gestellt. Zudem wurden Fahrzeuge beschafft, ohne zu prüfen, ob überhaupt ein Bedarf besteht (vergleiche Jahresbericht Rechnungshof 2018, TZ 703). Mit Drs. 21/12970 bestätigt der Senat diese Vorgänge und stellt eine Prüfung aller Ausgaben durch die BIS in Aussicht. a. Um welche Hilfsorganisation geht es und welche Tochtergesellschaft wurde gegründet? b. Mit welchem Ergebnis konnte dem Rechnungshof, wie in Drs. 21/12970 angekündigt, zum 30. April 2018 berichtet werden? c. Sollten die Prüfungen zum 30. April noch nicht abgeschlossen gewesen sein, wie ist der aktuelle Sachstand (Stichtag 14. Juni 2018)? Die Arbeiterwohlfahrt Hamburg gründete für den Betrieb der von ihr betreuten Einrichtungen die AWO Hamburg – Gesellschaft für Bildung, Integration und Beratung gGmbH und der Arbeiter-Samariter-Bund die ASB Flüchtlingshilfe Hamburg GmbH. Die mit den Gründungen der Tochtergesellschaften verbundenen Rechtsberatungskosten wurden von den Betreibern zurückgefordert. Der grundsätzliche Bedarf von Fahrzeugen für den Betrieb der Einrichtungen ergab sich insbesondere durch notwendige Transporte von Material innerhalb der teilweise recht großen Anlagen, durch den Austausch von Ausstattungen und sonstigem Material zwischen den Standorten eines Betreibers sowie für den Transport eigener Beschaffungen. Rückforderungen beschränken sich in diesen Bereich auf Erstattungen für Kilometerpauschalen, wenn zusätzlich Leasingraten und andere Unterhaltskosten für Fahrzeuge geltend gemacht wurden. 3. Für die Berechnung der vereinbarten Gemeinkostenzuschläge werden Personalkosten abgerechnet. Der Rechnungshof beanstandet, dass eine Überprüfung durch die Verwaltung, inwieweit der Personaleinsatz vertragsgemäß war und die vorgegebenen Personalschlüssel eingehalten wurden, nicht möglich war (vergleiche TZ 703). a. Welche konkreten Maßnahmen im Bereich Controlling hat die Verwaltung für die Abrechnung von Personalkosten im Zuge der Gemeinkostenzuschläge in Erst- und Folgeunterkünften inzwischen implementiert? Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen können die Betreiber den Personaleinsatz anhand der Personalschlüssel eigenständig planen. Diese Personalschlüssel bilden somit eine Obergrenze. Der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) erfasst monatlich die Anzahl der Beschäftigten je Mitarbeiterbereich pro Standort. Auf dieser Basis werden die in Rechnung gestellten Personalkosten und der daraus resultierende Gemeinkostenzuschlag überprüft. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13449 3 4. Auch der Einsatz von Sicherheitsdienstleistern in Erst- und/oder Folgeunterkünfte hat große Unterschiede in Bezug auf das Verhältnis der Kosten zu den erbrachten Leistungen zutage gefördert. a. Welche Spannweite hinsichtlich der Preisgestaltung von Sicherheitsunternehmen , die in Erst- und/oder Folgeunterkünften zum Einsatz kamen, wurden festgestellt? Bitte stellen Sie dar, wie sich der Leistungsumfang je Sicherheitsdienstleister zu den Kosten pro Einrichtung verhält. In allen Erstaufnahmeeinrichtungen ist der Leistungsumfang des Sicherheitsdienstes nahezu identisch. Hierzu zählen insbesondere Tätigkeiten wie Zugangskontrolle, Streifengänge , Sicherung des Geländes gegen den Zutritt Unbefugter, Sicherung der Hygienebereiche und der Essensausgabe. Unterschiede in der Preisgestaltung resultieren wesentlich aus der Marktlage in den Jahren 2015 und 2016, in denen es für die Betreiber schwierig war, Sicherheitsdienstleister zu finden, die über das geeignete Personal im benötigten Umfang verfügten. Die Preisspanne lag in den Jahren 2015 und 2016 zwischen 16,38 Euro und 23,00 Euro (netto) je Stunde, zuzüglich Zuschlägen . In den Folgeunterkünften gibt es im Gegensatz zur Erstaufnahme keinen regelhaften Einsatz von Sicherheitsdiensten. In Ausnahmefällen wird der Einsatz eines Sicherheitsdienstes bedarfsbezogen und befristet mit der zuständigen Behörde fachlich abgestimmt und durch f & w fördern und wohnen AöR aufwandsbezogen abgerechnet. 5. Cateringunternehmen rechneten gegenüber den Betreiberinnen und Betreibern nach Einrichtungskapazität ab, auch wenn die tatsächliche Belegung erheblich geringer war. a. Um welche Cateringunternehmen und welche Erstaufnahmestandorte handelt es sich konkret? In einzelnen Fällen lagen die Mahlzeitenbestellungen der Betreiber oberhalb der Ist- Belegung, da aufgrund der hohen Zugangszahlen und schwer abzusehenden Entwicklung während der verstärkten Zuwanderung die Betreiber jederzeit mit einer Vollbelegung der von ihr betreuten Einrichtung rechnen mussten. Eine flächendeckende regelmäßige Abrechnung von Mahlzeiten auf Basis der Einrichtungskapazitäten erfolgte nicht. b. Sind die zu viel in Rechnung gestellten Kosten inzwischen zurückgefordert worden? i. Wenn nein, warum nicht? c. Um welche zu viel in Rechnung gestellten Summen handelt es sich? Es wurden keine Rückforderungen vorgenommen. Aufgrund der Unkalkulierbarkeit der kurzfristigen Entwicklung der Zuzugszahlen und der Notwendigkeit, sich auf eine Vollbelegung einstellen zu müssen, wird eine Rückforderung der Kosten für Mahlzeiten oberhalb der Ist-Belegung für nicht angemessen erachtet. d. Bei welchen Cateringunternehmen gehörte die Getränkeversorgung mit zum Leistungsumfang? e. An welchen Standorten mussten zusätzlich zum Caterer auch Kosten für die Getränkeversorgung in welcher Höhe geleistet werden? Grundsätzlich waren an allen Standorten Getränke im Catering enthalten. Für die Standorte des Betreibers Die Johanniter mussten Getränke bestellt werden, da diese nicht Bestandteil der geschlossenen Verträge waren. Kosten für die Getränkeversorgung fielen an den Standorten Fiersbarg (durchschnittlich 1.500,00 Euro/Monat), Kieler Straße (durchschnittlich 7.900,00 Euro/Monat), Wendenstraße (durchschnittlich 3.600,00 Euro/Monat) und Wiesendamm (durchschnittlich 2.300,00 Euro/Monat) an. Drucksache 21/13449 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 6. Bei den Stundenverrechnungssätzen der Reinigungsunternehmen fehlten wesentliche Informationen, etwa die Nachweise in Form von Stundenzetteln (vergleiche TZ 703). a. Welche Reinigungsunternehmen kamen insgesamt zum Einsatz? b. Welche Spannweite weisen die zur Anwendung gekommenen Stundenverrechnungssätze der betreffenden Reinigungsfirmen auf? In den Erstaufnahmeeinrichtungen kommen folgende Reinigungsunternehmen zum Einsatz: MJ Hansa Dienstleistungen GmbH, Gebäudedienste Peterhoff GmbH, Bernd Schmittendorf GmbH, Bogdol Gebäudemanagement GmbH, Gebäudereinigungshandwerk Kadir Baruc, Hanse Help Dienstleistungen UG, AWO Hamburg Dienste GmbH und Allzweck-Gebäudedienste. Die in Rechnung gestellten Stundensätze variieren zwischen 16,80 Euro und 28,60 Euro (netto) zuzüglich Zuschlägen. Darüber hinaus haben einige Betreiber mit Reinigungsunternehmen Pauschalen vereinbart, die sich an der Reinigungsfläche und dem Reinigungszyklus orientieren. 7. Auch bei der Inanspruchnahme von Dolmetscherdiensten und deren Vergütung lassen sich Spannen zwischen 20 Euro und 36 Euro plus Anfahrtskosten feststellen, ohne dass dies von der Verwaltung thematisiert worden wäre (vergleiche TZ 703). a. Wie ist der Einsatz von Dolmetschern/-innen und Sprachmittlern/- innen in der örU aktuell geregelt, unter welchen Umständen können Dolmetscher/-innen und Sprachmittler/-innen beauftragt werden, welche inhaltlichen Unterschiede zwischen Dolmetschern/-innen und Sprachmittlern/-innen bestehen und welche Stundenverrechnungssätze sind Standard? Für den Einsatz von Sprachmittlern und Dolmetschern ist grundsätzlich ein einheitlicher Honorarsatz von 20,00 Euro je Stunde vorgesehen. Dolmetscher haben jedoch – im Gegensatz zu den Sprachmittlern, die über ihre Muttersprache qualifiziert sind – unterschiedliche Ausbildungen durchlaufen und sind, aufgrund ihrer Qualifikation und insbesondere dann, wenn sie vereidigte Dolmetscher sind, in der Position, wesentliche höhere Honorare für ihre Tätigkeit zu verlangen. Werden höhere Stundensätze, beispielsweise für vereidigte Dolmetscher eingereicht, ist allerdings eine gesonderte Begründung erforderlich. Dies kann beispielsweise bei Beratungsgesprächen zur Vorbereitung einer Operation vorkommen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden Sprachmittler und Dolmetscher für alle notwendigen Leistungen, die der Betreiber innerhalb der Einrichtung erbringen muss eingesetzt. Dazu zählen insbesondere Beratungen im medizinischen und sozialen Bereich. Außerhalb der Einrichtung werden Kosten für einen Sprachmittler nur bei medizinisch notwendigen Facharzt- oder Krankenhausbesuchen übernommen, sofern der Betroffene keine eigene Vertrauensperson mit ausreichenden Deutschkenntnissen stellen kann. In den Folgeunterkünften ist der Einsatz von Sprachmittlern nur dann erforderlich, wenn es für die betroffenen Bewohner keine Handlungsalternative (Einsatz von Familienmitgliedern , Bekannten, Nachbarn et cetera) gibt und der Anlass eine Übersetzung unbedingt erfordert. Anlässe sind dabei beispielsweise individuelle Beratungs- und Konfliktgespräche sowie die Unterstützung von Bewohnerversammlungen, wenn die oben benannten Handlungsalternativen nicht zur Verfügung stehen und die sprachlichen Fähigkeiten der Beteiligten für die Erreichung der angestrebten Kommunikationsziele nicht ausreichend sind. Dolmetscher kommen in den Folgeunterkünften nicht zum Einsatz, da diese Qualifikationen im Hinblick auf die Einsatzbereiche fachlich nicht erforderlich sind.