BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13452 21. Wahlperiode 22.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf und Dirk Nockemann (AfD) vom 14.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Scheinehen in Hamburg Das „Hamburger Abendblatt“ berichtet am 13.06.2018, dass die Polizei mit einem Großaufgebot in mehreren Bundesländern gegen Schleuser aufgrund des Verdachts von bandenmäßig organisierten Scheinehen zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln vorgeht.1 Federführend für die Ermittlungen im Norden war die Staatsanwaltschaft Hamburg. Ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Hannover teilt mit, dass in Hamburg sechs Wohnungen und ein Geschäftsraum durchsucht worden sind. Die Durchsuchungen dienten allein der Beweisermittlung. Zu Festnahmen sei es nicht gekommen. Unter Tatverdacht stehen fünf deutsche Staatsbürger, wovon vier einen Migrationshintergrund haben sollen. Diese suchten in EU-Ländern nach Personen, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben und dann eine Scheinehe mit Menschen aus Asien eingehen. Durch die Schließung dieser Scheinehe erhielten Letztgenannte ein Aufenthaltsrecht. Größtenteils hätten diese Eheschließungen auf der dänischen Ostseeinsel Ærø stattgefunden, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Eheschließung dort einfacher für Ausländer sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Sind dem Senat Fälle von Scheinehen in Hamburg bekannt? a. Falls ja, wie viele? Bitte nach Herkunftsländern, Alter und Geschlecht aufschlüsseln. Ja. Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Das Merkmal „Scheinehe“ wird in der PKS nicht erfasst. Straftaten im Sinne der Fragestellung werden unter dem PKS-Schlüssel 725311 „Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Visum) durch Scheinehe“ und PKS-Schlüssel 725321 „Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis ) durch Scheinehe“ erfasst. In der PKS wird nicht das Herkunftsland des Tatverdächtigen (TV), sondern die Staatsangehörigkeit erhoben. Die Auswertung von PKS-Daten in Tabellenform als standardisierte Ergebnistabellen unterliegt einem bundesweit abgestimmten Prozess. Darin wird fachlich beschrieben, wie die PKS-Daten zu erheben sind und wie sie in den jeweiligen Ergebnistabellen ausgewertet werden. Eine direkte Verknüpfung von der Staatsangehörigkeit des TV zum Alter und Geschlecht des TV ist nicht möglich, da es sich um zwei getrennte Datenbestände handelt. 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/article214566633/Razzia-wegen-Scheinehen-in- Hamburg-Bremerhaven-und-auf-Sylt.html. Drucksache 21/13452 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bei der Berechnung der TV wird in der PKS eine echte Tatverdächtigenzählung vorgenommen . Dabei wird ein TV nur einmal gezählt, auch wenn er mehrfach registriert wurde. Dieses Prinzip wird sowohl für die Anzahl der TV insgesamt als auch für die Anzahl der TV für jedes Delikt angewendet. Wird ein TV mit zwei verschiedenen Delikten registriert, wird er für das jeweilige Delikt als TV gezählt. Für TV insgesamt wird er dagegen nur einmal gezählt. Zur vollständigen Beantwortung der Frage wäre die händische Durchsicht mehrerer zehntausend Hand- und Ermittlungsakten der letzten Jahre bei der Polizei erforderlich, dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im ausländerbehördlichen Fachverfahren besteht keine Möglichkeit, das Merkmal „Scheinehe“ zu erfassen. Insofern sind statistische Auswertungen nicht möglich. Erkenntnisse ergeben sich lediglich im Einzelfall aus der individuellen Ausländerakte. Eine händische Auswertung mehrerer zehntausend Akten ist jedoch in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Anlage. 2. Kam es in der Vergangenheit bereits zu Ermittlungen wegen des Verdachts auf bandenmäßig organisierte Scheinehen in Hamburg? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA sind – vorbehaltlich der richtigen und vollständigen Erfassung – seit dem Jahr 2013 insgesamt 89 Verfahren erfasst worden, in denen als Tatvorwurf eine Straftat nach § 96 Absatz 2 AufenthG verzeichnet ist. Eine Beiziehung und händische Auswertung dieser Verfahren zum Zwecke der Feststellung, ob eines oder mehrere von diesen den in der Fragestellung aufgeworfenen Gegenstand haben, ist im Rahmen der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Eine daneben veranlasste Umfrage innerhalb der für Schleuserverfahren mit Bezügen zur organisierten Kriminalität zuständigen Sachabteilung der Staatsanwaltschaft hat ergeben, dass dort neben dem aktuellen Verfahren keine weiteren Verfahren aus der jüngeren Vergangenheit erinnerlich sind, in denen wegen des Verdachts auf bandenmäßig organisierte Scheinehen ermittelt wurde. 3. Sind Aufenthaltsgenehmigungen aufgrund des Verdachts auf Scheinehe wieder entzogen worden? Welchen weiteren Status besitzen die Beschuldigten nach dem Entzug der Aufenthaltsgenehmigung? Wie in 1.a. aufschlüsseln. Soweit festzustellen ist, dass gemäß §§ 27, 28 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 30 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, ohne dass eine gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft besteht, ist die Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich zurückzunehmen. Der weitere Status richtet sich nach den jeweiligen individuellen Gegebenheiten. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.a. 4. Wie viele „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU“ sind in Hamburg in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 ausgestellt worden? Wie in 1.a. aufschlüsseln. Die Angaben sind den folgenden Übersichten zu entnehmen: Herkunftsland 2015 2016 2017 2018 Mazedonien (ehem. jugosl. Rep.) 120 162 141 40 Türkei 73 60 64 29 Indien 59 60 46 23 Brasilien 49 54 52 18 Serbien 42 66 30 20 Nepal 63 50 32 12 Ecuador 50 37 42 22 Russische Föderation 49 49 32 15 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13452 3 Herkunftsland 2015 2016 2017 2018 Albanien 28 23 38 31 Ukraine 30 31 44 12 Ägypten 39 31 19 14 Ghana 32 27 34 10 Guinea-Bissau 24 30 33 11 China 23 22 40 10 Kolumbien 20 22 36 9 Sonstige 434 349 386 140 Alter (in Jahren) 2015 2016 2017 2018 0 – 10 50 47 68 32 11 – 20 61 68 90 34 21 – 30 320 295 276 94 31 – 40 444 402 375 162 41 – 50 195 169 188 63 51 – 60 52 75 56 22 61 – 70 11 15 10 7 71 – 80 2 2 3 2 81 – 90 - - 3 - Geschlecht 2015 2016 2017 2018 männlich 618 574 521 199 weiblich 517 499 548 217 (Stand: 18. Juni 2018.) 5. Woher stammen die Personen, die einen Aufenthaltstitel erschlichen haben? Sofern sich die Frage auf die laufenden Ermittlungen bezieht, liegen der Ausländerbehörde hierzu noch keine Angaben vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.a. 6. Welchen Migrationshintergrund haben die vier Tatverdächtigen? 7. Welchen aufenthaltsrechtlichen Status besitzen die Tatverdächtigen? Nach den Erkenntnissen der ermittelnden Bundespolizei, soweit diese Hamburger Behörden bekannt geworden sind, ist ein Beschuldigter nepalesischer Staatsangehöriger . Dieser Beschuldigte, dessen ausländerrechtliche Zuständigkeit laut Ausländerzentralregister in Hof liegt, ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 AufenthG. Die übrigen Beschuldigten sind Deutsche, die nach Artikel 11 Absatz 1 Grundgesetz Freizügigkeit genießen; auf Deutsche findet das Aufenthaltsgesetz keine Anwendung (§ 1 Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 AufenthG). Über den konkreten Migrationshintergrund liegen den Hamburger Behörden keine Erkenntnisse vor. 8. Der Artikel spricht von Personen aus asiatischen Ländern. Welche asiatischen Länder sind gemeint? Bitte nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln . Hierüber liegen den Hamburger Behörden keine Erkenntnisse vor. Erfasste und aufgeklärte Fälle erfasste Fälle absolut relativ insgesamt davon nichtdeutsch 2015 3 3 100,0% 5 3 2016 10 10 100,0% 17 12 2017 6 6 100,0% 11 8 erfasste Fälle absolut relativ insgesamt davon nichtdeutsch 2015 16 16 100,0% 25 20 2016 21 21 100,0% 33 25 2017 40 40 100,0% 66 51 Nichtdeutsche Tatverdächtige nach Nationalitäten (PKS 725311) 2015 2016 2017 Mazedonien 1 0 2 Ägypten 1 0 1 Libanon 1 0 0 Portugal 0 1 0 Ungarn 0 1 0 Belarus 0 1 0 Brasilien 0 1 0 Venezuela 0 2 0 Armenien 0 1 0 Iran 0 2 0 Nepal 0 2 0 Thailand 0 1 1 Bulgarien 0 0 1 Rumänien 0 0 1 Spanien 0 0 1 Äthiopien 0 0 1 Tatverdächtige Tatverdächtige Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis) durch Scheinehe (PKS 725321) Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Visum) durch Scheinehe (PKS 725311) Aufklärung Aufklärung Seite 1 von 2 Drucksache 21/13452 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Nichtdeutsche Tatverdächtige nach Nationalitäten (PKS 725321) 2015 2016 2017 Bosnien- Herzegowina 1 0 0 Portugal 4 0 4 Russische Föderation 1 0 1 Türkei 2 2 3 Ukraine 1 0 1 Äthiopien 1 0 0 Ghana 1 0 6 Armenien 2 1 0 Iran 1 0 0 Kirgistan 1 0 0 Nepal 5 0 8 Mazedonien 0 3 0 Polen 0 2 1 Ungarn 0 1 1 Belarus 0 1 0 Marokko 0 1 1 Senegal 0 1 0 Ägypten 0 2 2 Bolivien 0 1 0 Brasilien 0 1 0 Dom. Republik 0 1 0 Ecuador 0 1 0 Afghanistan 0 2 1 Vietnam 0 2 0 Indien 0 1 1 Montenegro 0 0 1 Rumänien 0 0 1 Serbien 0 0 1 Algerien 0 0 1 Nigeria 0 0 2 Kamerun 0 0 1 Somalia 0 0 1 Tunesien 0 0 1 Dominica 0 0 1 Bhutan 0 0 1 Irak 0 0 4 Israel 0 0 1 Jordanien 0 0 1 Libanon 0 0 1 Pakistan 0 0 1 VR China 0 0 1 ungeklärt 0 2 1 Seite 2 von 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13452 5 13452ska_text 13452ska_Antwort_Anlage