BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13493 21. Wahlperiode 26.06.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 19.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Geplanter neuer Standort der Einrichtung für wohnungslose Frauen „FrauenZimmer“ unzulänglich Das FrauenZimmer ist eine von f & w fördern und wohnen AöR geführte Einrichtung für wohnungslose Frauen. Seit 13 Jahren in der Hinrichsenstraße 4a angesiedelt, bietet das FrauenZimmer 30 Übernachtungs- und 20 Wohnplätze für Frauen in schwierigen Lebenslagen. Die aktuellen Räumlichkeiten decken den Bedarf an benötigten Plätzen nicht ab. Bereits im Juni 2016 wurde daher beschlossen der Einrichtung ein neues Objekt mit höheren Unterbringungskapazitäten zur Verfügung zu stellen (vergleiche Drs. 21/4788). Dieser an sich begrüßenswerte Beschluss wurde bis heute nicht umgesetzt. Laut Schreiben der Sozialsenatorin Dr. Leonhard an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte vom 3. Juli 2017 sieht die BASFI einen Umzug des Frauen- Zimmers in die Eiffestraße 398 im Laufe dieses Jahres vor. Sowohl der Standort als auch das Objekt sind jedoch aus verschiedenen Aspekten heraus (unter anderem Gewerbegebiet, Nähe zum „Straßenstrich“, Lärmbelastung , Wegfall der unmittelbaren Nachbarschaft zu bisheriger Kooperations- Projekten wie dem ragazza e.V., sanierungsbedürftiger Zustand des Gebäudes , ungünstige Raumaufteilung) unzulänglich. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der derzeitige Standort der Frauenübernachtungsstätte und der Einrichtung für Frauen mit Hilfebedarf nach §§ 67 ff SGB XII und § 53 SGB XII in der Hinrichsenstraße war mit einer Kapazität von 30 Plätzen ständig zu 100 Prozent oder teilweise darüber hinaus ausgelastet. Die zuständige Behörde und der Betreiber f & w fördern und wohnen AöR (f & w) waren sich darüber einig, dass die Situation in der Hinrichsenstraße nicht mehr ausreichend für den Bedarf an Plätzen für die Übernachtungsstätte ist. Darüber hinaus war über das Gesamtkonzept der Wohnungslosenhilfe eine Erweiterung der Plätze in der Frauenübernachtungsstätte beschlossen worden, die zu einer Erweiterung der Platzzahl von bisher 30 Plätzen auf 60 Plätze führen sollte. Auch sollte die Einrichtung nach §§ 67 ff SGB XII/§ 53 SGB XII (FrauenZimmer) nicht von der Übernachtungsstätte getrennt werden. Mithin war eine Kapazität von 80 Plätzen erforderlich. Infolgedessen wurde eine Alternativlösung gesucht, die sowohl eine Verbesserung der Situation in der Übernachtungsstätte mit sich bringt als auch eine Erweiterung realisieren kann. An die Alternativlösung waren – nach Rücksprache mit f & w und den Mitarbeiterinnen der Übernachtungsstätte – einige Bedingungen geknüpft. Sie sollte möglichst zentral liegen (das heißt nicht in den städtischen Randbereichen), für den Zweck geeignet sein und entsprechende Erweiterungsmöglichkeiten ohne eine Verdichtung der Belegungssituation sowie genügend Lagerungsfläche für die Habe der Frauen bieten. Unter diesen Vorgaben war es nicht einfach, geeignete Immobilien zu finden. Dennoch wurden einige Alternativlösungen geprüft. Ein Ausbau der Übernachtungsstätte Drucksache 21/13493 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 am bisherigen Standort wurde zunächst in Erwägung gezogen. Hierfür müsste die Verlegung der Aufnahme- und Verteilungsstelle von f & w in die Zentrale am Grünen Deich abgewartet werden. Der anschließend erforderliche Umbau der sehr unübersichtlichen frei werdenden Räumlichkeiten wäre jedoch so aufwändig, dass diese Lösung verworfen werden musste. Nachdem keine Belegenheiten über die Akquisition für weitere Plätze in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung zur Verfügung standen, wurden die Objekte des Landesbetriebes Erziehung und Bildung (LEB), die bislang für die Unterbringung von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen vorgesehen waren und aufgrund nachlassender Bedarfe aufgegeben werden mussten, für die Nutzung durch die Frauenübernachtung geprüft. An den Prüfungen war f & w sowohl wegen der Bauprüfung als auch wegen der fachlichen Bewertung beteiligt. Geprüft wurden folgende Objekte: Oehlecker Ring (Lage zu weit außerhalb/Platzzahl nicht ausreichend für Übernachtungsstätte und Einrichtung nach §§ 67 ff SGB XII/§ 53 SGB XII) und Krausestraße inklusive Container Dehnhaide, mit Option ein weiteres Holzhaus auf dem Gelände zu realisieren. Diese Option wurde von f & w und den Mitarbeiterinnen der Übernachtungsstätte aufgrund zu geringer Fläche und fehlender Lagermöglichkeiten abgelehnt. Zuletzt wurde die Eiffestraße 396 (Fronthaus) geprüft. Hier findet bereits in dem kanalseitigen Gebäude des Grundstückes die öffentlichrechtliche Unterbringung von Zuwanderern und Wohnungslosen statt (gemischte Belegung mit Familien). Das Gebäude bietet räumlich die erforderlichen Kapazitäten, auch für die benötigte Lagerfläche. Beide Einrichtungsteile können über die Stockwerkaufteilung räumlich getrennt werden. Es gibt einen Eingangsbereich, in dem der für die Übernachtungsstätte wichtige Wachdienst tätig sein könnte und – bedingt durch die frühere Hotelnutzung – gibt es eine nutzbare Raum- und Zimmeraufteilung inklusive der Möglichkeiten für Bäder und Küchen sowie Büros. Das Objekt war nach Auffassung aller Beteiligten gut für die Maßnahme nutzbar. Das Umfeld – auf der Straßenseite der Einrichtung überwiegend Gewerbe, auf der anderen Straßenseite Wohnbebauung – hat ausreichende Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten , Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel). Die Lage befindet sich außerdem im weiteren Umfeld der bisherigen Einrichtung (Entfernung unter 1 km Luftlinie). Insofern würden durch eine Verlegung keine bisherigen Kontakte der Zusammenarbeit (zum Beispiel mit dem Marienkrankenhaus) verhindert werden. Die Entfernung zu weiteren wichtigen Anlaufstellen (Bezirksamt, Fachstelle für Wohnungsnotfälle, Wohnungsloseneinrichtungen ) ist ebenso wie im bisherigen Standort erreichbar. Der Nachteil einer stark befahrenen Eiffestraße relativiert sich insofern, als dass sich in zentralen Bereichen Hamburgs eine solche Situation nicht vermeiden lässt. Darüber hinaus befand sich auch die bisherige Lage in einem Dreieck stark befahrener Straßenzüge (Lübecker Straße, Bürgerweide und Landwehr). Die Immobilie ist nach Abwägung aller vorgenannten Faktoren und der Handlungsalternativen für die Maßnahme geeignet. Eine weitere Handlungsalternative steht derzeit nicht zur Disposition. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist es zutreffend, dass das Gebäude Eiffestraße 398 (Fronthaus) als neuer Standort für das FrauenZimmer vorgesehen ist? 2. Ist bekannt, dass die frauenspezifische Einrichtung dann unmittelbar im Gewerbegebiet angesiedelt wäre? Falls ja, wie wird in Hinblick auf das Anliegen der Einrichtung, Frauen sozial zu integrieren, die Wahl eines gewerblichen Standortes anstelle eines Standortes in einem Wohngebiet begründet? a. Wäre eine, wie am jetzigen Standort, medizinische sowie psychiatrische Anbindung möglich? b. Welche Möglichkeiten wären vorhanden, wohnungslose Frauen fußläufig an andere institutionelle Netzwerke anzubinden, wenn der Standort nur von Geschäften und Gewerbe umgeben ist? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13493 3 c. Ist der Fakt, dass in der Übernachtung ein hoher Prozentsatz psychisch kranker sowie suchterkrankter Frauen unterkommt, hinsichtlich deren körperlicher Unversehrtheit durch die Veränderung von einer Anliegerstraße (jetziger Standort) zu einer stark befahrenen Hauptstraße berücksichtigt worden? 3. Ist bekannt, dass die frauenspezifische Einrichtung – Anlaufstelle für überwiegend psychisch belastete, suchtkranke Frauen mit Gewalterfahrungen – dann in der unmittelbaren Nähe zum Prostitutionsgebiet lokalisiert wäre? Falls ja, wie wird diese kritische Nähe zum „Rotlichtmilieu“ in Hinblick auf das Anliegen der Einrichtung, den Frauen einen geschützten Raum bereitzustellen, begründet? Siehe Vorbemerkung. Bei dem Standort Eiffestraße 396 (Fronthaus) geht es vorrangig um eine Notunterbringung, die möglichst schnell in die öffentlich-rechtliche Unterbringung oder in andere bedarfsgerechte Maßnahmen überführen soll, wenn eine Wohnungsversorgung nicht möglich ist. Eine medizinische sowie psychiatrische Versorgung wird auch am neuen Standort sichergestellt. 4. Konzeptionell ist das differenzierte Hilfsangebot von Übernachtung (SOG) und Wohnen (§§ 67 fortfolgende und §§ 53 fortfolgende SGBXII) innerhalb des FrauenZimmers gewünscht. Es bietet Frauen aus der Übernachtung die Möglichkeit, eine Perspektive zu entwickeln und diese mit vertrauten Beziehungen innerhalb des gleichen pädagogischen Setting umzusetzen. Der in dem Objekt in der Eiffestraße vorgesehene Wohnbereich entspricht jedoch nicht den Anforderungen um ein Gefühl eines „zu Hauses auf Zeit“ zu affizieren. Die Flure erinnern vielmehr an ein Pflegeheim, die Sanitäranlagen haben den „Charme“ der Sechzigerjahre . Es ist zu befürchten, dass aufgrund der Räumlichkeiten und der Umgebung sich hilfesuchende Frauen gegen das Wohnen im Frauen- Zimmer an dem neuen Standort in der Eiffestraße 398 entscheiden werden . Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: a. Wäre der Standard von Zwei- – Dreibettzimmern in der Übernachtung am potenziell neuen Standort in der Eiffestraße 398 zu halten oder würde eine Verdichtung in der Unterbringung der Frauen erfolgen ? Die Raumplanung und -gestaltung obliegt grundsätzlich dem Träger der Einrichtung. Eine Verdichtung der Unterbringung der Frauen ist nicht geplant. b. Wie sind die Wohngemeinschaften in der stationären Maßnahme am potenziell neuen Standort in der Eiffestraße 398 geplant? Ist davon auszugehen, dass die Frauen wie bisher in einem geschützten Rahmen ihre Zukunftsperspektiven planen? Bestehende Vereinbarungen und Konzepte zielen darauf ab, für die leistungsberechtigten Frauen nach §§ 67 ff SGB XII und § 53 SGB XII alle Voraussetzungen zu schaffen und Hilfen zur Verfügung zu stellen, um ihre Zukunftsperspektiven in einem angemessenen, geschützten Rahmen entwickeln und umsetzen zu können. Diese Bedingungen ändern sich auch nach dem Umzug in die neue Belegenheit nicht. 5. Ist anzunehmen, dass eine Unterbringung mehrfach belasteter Frauen an dem geplanten Standort in der Eiffestraße 398, einer der meistbefahrenen Straßen Hamburgs, aufgrund der erhöhten Lärmbelastung zu noch weiteren gesundheitlichen Problemen bei den betroffenen Frauen führen wird? Falls ja, wie wird dies legitimiert beziehungsweise was für Maßnahmen werden zur Verhinderung gesundheitlicher Schäden der Frauen geplant? Der Standort wurde durch das bezirkliche Bauamt auf seine Eignung für diese Maßnahme geprüft. Unter anderem wurde ein Lärmschutzgutachten erstellt. Durch eine Drucksache 21/13493 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Fassadenertüchtigung an der Frontseite des Gebäudes können die damit verbundenen Auflagen erfüllt werden. 6. Wurden alternative Möglichkeiten zur Unterbringung des FrauenZimmers in der Nähe des jetzigen Standortes geprüft? Falls ja, welche? Bitte mit Grund der Ablehnung auflisten. Falls nein, wieso nicht? 7. Trifft tatsächlich zu, dass die Eiffestraße 398 „nach Auffassung aller Beteiligten – f & w, den Mitarbeiterinnen der Frauen-Übernachtung und des Frauenzimmers … – eine für diese Funktion absolut geeignete Immobilie“ ist, wie es die Sozialsenatorin in Ihrem Schreiben vom 3. Juli 2017 behauptet? Falls nein, wie kommt sie zu dieser Aussage? 8. Wurden f & w fördern und wohnen AöR und die Mitarbeiterinnen des FrauenZimmers in die Suche nach einem geeigneten Objekt/Standort für die Vergrößerung der Einrichtung eingebunden beziehungsweise wurden ihnen der Auswahlvorgang transparent gemacht? Wenn ja, bitte konkretisieren. Wenn nein, wieso nicht? Siehe Vorbemerkung.