BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13545 21. Wahlperiode 03.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 25.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Justizskandal – Sicherungsverwahrter nicht zurückgekehrt Nach aktuellen Berichten ist ein 55-jähriger Sicherungsverwahrter nach einem Freigang am 21.06.2018 nicht in die JVA Fuhlsbüttel zurückgekehrt. Er befand sich seit dem Jahr 2001 wegen schwerer räuberischer Erpressung und Unterschlagung in Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Hamburgische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (HmbSVVollzG) unterscheidet bei den Vollzugslockerungen gemäß § 13 HmbSVVollzG zwischen Ausführungen unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht, Ausgang in Begleitung, Ausgang, Langzeitausgang, Außenbeschäftigung und Freigang. Die genannten Lockerungsarten bringen, beginnend mit der Ausführung, über den Ausgang in Begleitung bis zum Langzeitausgang und dem Freigang für den Untergebrachten, ein zunehmendes Maß an Eigenverantwortlichkeit mit sich – vom Aufenthalt außerhalb der Vollzugsanstalt unter ständiger Aufsicht hin zu unbeaufsichtigten und unbegleiteten Vollzugslockerungen . Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang welche Lockerung im Einzelfall gewährt wird, ist abhängig von der Entwicklung des Untergebrachten und dem Vollzugsverlauf . Da Sicherungsverwahrte ihre Strafe bereits voll verbüßt haben und allein aus präventiven Gründen noch nicht entlassen wurden, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung gestellt, die sich deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts therapiegeleitet und freiheitsorientiert sein. Nach den Vorgaben des Gerichts muss die Konzeption der Sicherungsverwahrung Vollzugslockerungen vorsehen. Diese dürfen nur aus zwingenden Gründen versagt werden. Die Entwicklung des Sicherungsverwahrten beziehungsweise Fortdauer der Sicherungsverwahrung und die Umsetzung des Vollzugskonzepts werden von der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts in mindestens jährlichen Abständen überprüft. Das Gericht stützt sich dabei auf externe Gutachter und teilt seine Erwartungen hinsichtlich weiterer Therapie- und Lockerungsschritte der zuständigen Vollzugsanstalt mit. In den Jahren 2011 bis 2018 sind in Hamburg alle Sicherungsverwahrten aus unbegleiteten Ausgängen in die zuständige Anstalt zurückgekehrt. Im konkreten Fall erhielt der Sicherungsverwahrte seit Januar 2014 20 Ausführungen. Von August 2016 bis Juni 2017 erhielt der Sicherungsverwahrte insgesamt 29 Begleitausgänge bis zu fünf Stunden. Nach erfolgreicher Lockerungserprobung erfolgten bis zum 21. Juni 2018 weitere 48 unbegleitete Ausgänge, die bis auf die letzte Lockerung beanstandungslos verliefen. Bei der letzten Lockerung wurde dem Sicherungsverwahrten von 12.00 bis 17.00 Uhr von der JVA Fuhlsbüttel ein Ausgang gewährt. Der Sicherungsverwahrte sollte unter anderem durch die Vollzugslockerungen schrittweise auf eine mögliche Drucksache 21/13545 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bedingte Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in eine betreute Einrichtung vorbereitet werden. Nach dem Ausgang hatte sich der Sicherungsverwahrte in der JVA Fuhlsbüttel wieder einzufinden. Für die Rückkehrmodalitäten sind die Bediensteten der Abteilung für Sicherungsverwahrte zuständig. Die zuständige Behörde wurde um 17.53 Uhr und die Behördenleitung um 18.05 Uhr informiert. Weitere Erkenntnisse liegen dem Senat derzeit aufgrund der Nichtrückkehr des Sicherungsverwahrten nicht vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Warum ist der 55-jährige Sicherungsverwahrte nach seinem Ausgang nicht zurückgekehrt (bitte aus Sicht und nach Kenntnissen der zuständigen Behörde darstellen)? Welche Uhrzeit und Dauer des Ausgangs war von welcher zuständigen Stelle vereinbart worden? 2. Inwieweit sollte der 55-Jährige von wem nach seinem Freigang in Empfang genommen werden und wann ist genau festgestellt worden, dass er nicht zurückgekehrt ist? Wann sind die zuständige Behörde und die Behördenleitung darüber informiert worden? 3. Wie viele Ausgänge erhielt der 55-Jährige, bei denen er von Bediensteten wie lange begleitet wurde? Wann hatte sich dies geändert? (Bitte begründen.) 4. Warum wurde der 55-Jährige nicht von einem Justizvollzugsbeamten beim Ausgang am 21.06.2018 begleitet? 5. Wie viele und welche Lockerungsmaßnahmen sind seit wann bezogen auf den 55-Jährigen umgesetzt worden? 6. Wie ist der aktuelle Stand der Umstände des Hergangs nach den Ermittlungen ? 7. Wie viele und welche vergleichbaren Vorfälle hat es in den Jahren 2011 bis 2018 in Hamburg gegeben (bitte Angaben in Jahren, unter Angabe der Straftaten der Inhaftierten und der Einrichtung darstellen)? 8. Wer ist aus Sicht der zuständigen Behörde für die Flucht des 55- Jährigen verantwortlich beziehungsweise könnte es sein? Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Vorfall und wie wird nun mit welchen Maßnahmen darauf reagiert? 9. Welche angekündigten Maßnahmen zur Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel sind bisher wie umgesetzt worden ? a. Welche Maßnahmen plant der Senat in welchem Zeitraum umzusetzen ? b. Inwieweit ist ein Konzept erstellt worden beziehungsweise in welchem Zeitrahmen soll eine Erstellung erfolgen? c. Sind bisher Kosten entstanden? Wenn ja, in welcher Höhe und welche Kosten sind dazu in welcher Höhe noch eingeplant? Die Therapeutische Leitung der Abteilung für Sicherungsverwahrte wird seit Februar 2018 durch einen Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten mit der Fachrichtung Verhaltenstherapie der Asklepios Klink Nord/Ochsenzoll wahrgenommen . Darüber hinaus steht in Hinblick auf externe Therapien eine weitere Kooperationsvereinbarung mit dem Universitätsklinik Eppendorf kurz vor dem Abschluss. Das bestehende Therapiekonzept wird derzeit in enger Abstimmung mit dem neuen therapeutischen Leiter der Abteilung für Sicherungsverwahrung aktualisiert. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Ergänzungen des Konzeptes zu weiteren Kosten führen. Im Übrigen siehe Drs. 21/10038.