BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1356 21. Wahlperiode 25.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Sparr (GRÜNE) vom 19.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Bunkersicherheit In den ersten Augusttagen wurde die Hamburger Öffentlichkeit durch gleich zwei Brände in Hochbunkern (Marckmannstraße in Rothenburgsort und VonSauer -Straße in Bahrenfeld) aufgeschreckt. In beiden Fällen waren im Innern gelagerte Gefahrstoffe in Brand geraten, es kam zu Explosionen und Verpuffungen , in Rothenburgsort gab es über 40 Verletzte. Dort können auch die Anwohner/-innen immer noch nicht in ihre Wohnungen zurückkehren (Stand: 19.08.15), weil sich giftige Substanzen in den Räumen abgelagert haben. Dass feuergefährliche und/oder giftige Substanzen hinter dicken Bunkermauern gelagert werden, erscheint auf den ersten Blick nicht abwegig. Dennoch legen die jüngsten Ereignisse eine genauere Betrachtung nahe. Die Behörden haben bereits angekündigt, die Hamburger Bunker einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund frage ich: 1. Wie lange mussten die Anwohner/-innen in Rothenburgsort warten, bis sie wieder in ihre Wohnungen zurückkehren konnten? 2. Was war für diese Entscheidung der Behörden ausschlaggebend? Kontrollmessungen ergaben, dass keine Schadstoffe mehr nachweisbar sind, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Bewohner erkennen lassen. Für eine abschließende Freigabe der Wohnungen ist die Begutachtung durch einen Brandsachverständigen erforderlich. Deren Ergebnisse werden voraussichtlich in der 35. Woche vorliegen . 3. Welche gesundheitsgefährdenden Substanzen wurden in der Marckmannstraße und der Von-Sauer-Straße in welcher Konzentration in Luft und Gebäuden gemessen (bitte dazu die jeweiligen Grenzwerte angeben )? Im Auftrag der Behörde für Umwelt und Energie wurden am 6. August 2015 acht Messungen in der Markmannstraße durchgeführt. Als Spitzenwert wurden in einer Probe 3.7 mg/m3 Benzol und 1.4 mg/m3 Naphthalin nachgewiesen. Alle anderen sieben Proben hatten Messwerte ergeben, die um den Faktor 10 bis 100 niedriger liegen. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Konzentrationsangaben sich auf die Stichproben beziehen. Weitere toxische oder als krebserzeugend eingestufte Substanzen wurden im Rahmen der Messmethode und deren Nachweisgrenzen nicht nachgewiesen . Für Benzol gilt seit dem 1. Januar 2010 europaweit ein Grenzwert für den Schutz der menschlichen Gesundheit. 5 µg/m3 dürfen im Jahresmittel nicht überschritten werden (39. BImschV). Für Naphthalin ist kein europaweiter Grenzwert für die Außenluft festgelegt . Die WHO hat in ihrer Leitlinie für Innenraumluftqualität einen Wert von 10 µg/m3 festgelegt. Drucksache 21/1356 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Darüber hinaus hat im Auftrag der Frank Siedlungsbaugesellschaft mbH & Co KG die Firma Eurofins GfA GmbH Messungen am 6./7. und 13./14. August 2015 in den evakuierten Wohnungen im direkten Umfeld des Bunkers Marckmannstraße 2 sowie der Außenluft durchgeführt. In den Messungen vom 6./7. August 2015 wurde der Grenzwert für Benzol in der Außenluft unterschritten, in allen Wohnungen jedoch deutlich überschritten. Die Messungen 13./14. August 2015 hatten ergeben, dass bis auf eine Ausnahme die Werte für Außenluft und Innenluft der Wohnungen unter dem Grenzwert von Benzol liegen. Die Innenraumluft in den Wohnungen der Umgebung des Hochbunkers Markmannstraße wurde im Auftrag des Gebäudeeigentümers untersucht. Die Untersuchungen wurden am 6. und 7.August 2015 durchgeführt und es wurde eine Vielzahl von chemischen Verbindungen festgestellt. Die im Folgenden aufgeführten chemischen Verbindungen stellen die gesundheitlich bedeutsamsten dar, die nachgewiesen wurden. Chemische Verbindung M ax im al w er t (p pm ) M ax im al w er t (µ g/ m ³) A G W /M A K /O EL 1 (p pm ) A kz ep ta nz ris ik o (µ g/ m ³) R ic ht w er t I I (m g/ m ³) A uß en lu ftG re nz w er t/Z ie lw er t (µ g/ m ³) Erläuterung NO2 1,3 0,35 (0,17 ppm) RW II kurz (30 min) HCN 1,8 0,9 Von SCOEL2 CO2 812 5000 AGW TRGS 900 CO 26 30 AGW TRGS 900 HCL 1,4 2 AGW Dicyan 2,3 5 MAK 2003 Benzol 180 20 5 Grenzwert Außenluft Styrol 0,5 20 AGW Vinylchlorid 2,7 2 AGW TRGS 900, Chloroform 1,3 0.5 AGW Naphthalinähnliche 39 0,03 Benzo(a)pyren 0,01 0,007 0,001 Zielwert Außenluft; Leitsubstanz schwerflüchtiger PAKs Erläuterung: AGW: Arbeitsplatzgrenzwert AR: Akzeptanzrisiko MAK: maximale Arbeitsplatzkonzentration OEL: Occupational Exposure Limit RW: Richtwert SCOEL: Scientific Committee on Occupational Exposure Limits Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1356 3 Messungen beim Bunkerbrand in der Von-Sauer-Straße wurden nicht veranlasst, da Vor-Ort Messungen der Feuerwehr für das austretende Rauchgas keine ungewöhnlichen Belastungen aufwiesen. 4. Muss die Lagerung gefährlicher Stoffe in Bunkern genehmigt werden? 5. Welche Regelwerke sind hierfür gegebenenfalls maßgebend? 6. Welche Behörde/n ist/sind dafür zuständig? Die Lagerung gefährlicher Stoffe in Bunkern muss genehmigt werden, da es sich hierbei regelhaft um eine Änderung der Nutzung von Anlagen handeln dürfte und für die neue Nutzung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen (hier: Gefahrstoffrecht) als für die bisherige gelten (Abschnitt II Nummer 1 der Anlage zu § 60 der Hamburgischen Bauordnung – HBauO). Für explosionsgefährliche Stoffe sind ab bestimmten Mengen Lagergenehmigungen erforderlich. Die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten bedarf unabhängig von der Gebäudeart ab einer bestimmten Lagermenge (nach der früheren Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) ab 5.000 Liter Flüssigkeit der Gefahrklasse AII beziehungsweise nach BetrSichV entsprechend der Entzündlichkeit beziehungsweise der Entzündbarkeit ab 10.000 Liter) einer Genehmigung. Aus bauordnungsrechtlicher Sicht ist verfahrensrechtlich entweder ein Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO oder bei öffentlichen Bauherrn ein Zustimmungsverfahre nach § 64 HBauO durchzuführen. Welche materiellen Vorschriften im jeweiligen Einzelfall gegebenenfalls beachtlich sein können, ist der Anlage 1 zur Globalrichtlinie „Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung“ zu entnehmen (siehe http://www.hamburg.de/baugenehmigung). Die Lagerung von explosionsgefährlichen Stoffen ist im Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) verankert und wird durch die 2. Verordnung zum Sprengstoffgesetz (2. SprengV) konkretisiert. Bei Überschreitung bestimmter Mengenschwellen ist die 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes einschlägig. Für die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten galt bis zum 31. Dezember 2002 die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) mit den zugehörigen Regelwerken Technische Regel für brennbare Flüssigkeiten (TRbF) 110 und 20; seitdem sind für Neuanlagen die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) mit der Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 510 maßgebend. Das Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung nach § 62 HBauO wird regelhaft von den Bezirksämtern durchgeführt. Für die Bereiche der Speicherstadt, der HafenCity und der Vorbehaltsgebiete ist die zuständige Stelle die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, für das Hafengebiet die Hafenverwaltung (HPA). Das Zustimmungsverfahren nach § 64 HBauO wird für das Gesamtgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen durchgeführt. Für explosionsgefährliche Stoffe gilt: Für Genehmigungen nach §17 Sprengstoffgesetz ist die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig. Für Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist die Behörde für Umwelt und Energie im konzentrierenden Verfahren zuständig. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) besteht in Abhängigkeit von der gelagerten Menge und dem Gefährlichkeitsmerkmal des Lagermediums eine Genehmigungspflicht. Die für die Genehmigungspflicht maßgeblichen Mengenschwellen sind in Anhang I und II der Vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG (4. BImSchV) aufgeführt, http://www.gesetze-iminternet .de/bimschv_4_2013/index.html#BJNR097310013BJNE000401116. Diese Genehmigungen werden bei der Behörde für Umwelt und Energie durchgeführt. Drucksache 21/1356 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Für brennbare Flüssigkeiten gilt: Zuständig für die Erlaubniserteilung ist die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. 7. Die Behörden haben aufgrund der aktuellen Erfahrungen bereits eine Untersuchung aller Hamburger Bunker angekündigt. Was genau soll untersucht werden? Siehe Drs. 21/1311. 8. Wann ist mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen zu rechnen? Mit der Überprüfung soll die aktuelle Nutzung auf Einhaltung und Übereinstimmung mit erteilten Genehmigungen sowie etwaige brandschutztechnische Mängel hin untersucht werden. 9. Ist vorgesehen, diese Ergebnisse einem Fachausschuss der Bürgerschaft vorzustellen? Ja, im Übrigen siehe Drs. 21/1311. 10. Falls aktuell bekannt: Wie viele und welche Bunker dienen in Hamburg gewerblichen Zwecken (bitte nach Bezirken auflisten)? 11. In wessen Eigentum befinden sich diese Bauten? Siehe Drs. 21/1311.