BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13563 21. Wahlperiode 03.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 25.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Kooperationsvereinbarung zur Bevorzugung von Zöllnern/-innen im geförderten Wohnungsbau? Der Wohnungsmangel in Hamburg erreicht offenbar auch Berufsgruppen wie die (verbeamteten) Zöllner/-innen. Doch erheblich mehr leiden unter der allgemeinen Wohnungsnot vor allem einkommensarme Haushalte, Alleinerziehende , Migranten/-innen und verschiedene andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen . Und sie leiden auch deswegen, weil das Angebot an günstigen Sozialwohnungen des 1. Förderweges infolge zu geringer Neubauzahlen und frühzeitig endender Bindungsfristen kontinuierlich abnimmt. Es mutet daher wie ein schlechter Witz an, dass die Stadtentwicklungsbehörde nun einer Berufsgruppe wie den Zollbeamten/-innen ab 2020 das Privileg einräumen will, bei der Vergabe von Sozialwohnungen in den Flüchtlingssiedlungen mit der Perspektive Wohnen bevorzugt zu werden. Laut Presseberichterstattung soll auch bereits eine entsprechende „Kooperationsvereinbarung “ zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der „BDZ Bund Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft“ abgeschlossen worden sein. Ideengeber für dieses mehr als nur skurrile Vorgehen ist angeblich der SPD- Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der seine Initiative damit begründet , dass die Zollverwaltung schließlich „mehr als 40 Prozent aller Bundeseinnahmen “ einnehme und damit quasi „ein Vorzugsrecht für Wohnraum“ erwirtschaftet habe. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat ein hohes Interesse daran, dass sich an den Standorten der Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen heterogene Bewohnerstrukturen entwickeln und stabile , durchmischte Quartiere entstehen. Angesichts der an diesen Standorten beabsichtigten vorzeitigen Kapazitätsreduzierungen hat die zuständige Fachbehörde die Wohnungsunternehmen , die an diesen Standorten Wohnungen errichten und Vertreter verschiedener Organisationen, die bezahlbaren Wohnraum für ihre Beschäftigten, Studierenden oder Auszubildenden suchen, Ende Mai zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen. Neben der Berufsgruppe der Nachwuchskräfte der Zollverwaltung (vertreten durch das Hauptzollamt Hamburg-Hafen) waren die Berufsgruppe des Krankenhaus- und Pflegepersonals (vertreten durch die Hamburgische Krankenhausgesellschaft und die Hamburgische Pflegegesellschaft), die Berufsgruppe der Polizeianwärter (vertreten durch die Akademie der Polizei), Studierende (vertreten durch das Studierendenwerk) und Auszubildende (vertreten durch das Azubiwerk und die Handwerkskammer ), das Personal der HOCHBAHN (vertreten durch die HOCHBAHN), Anwärterinnen und Anwärter der Steuerverwaltung (vertreten durch die Steuerverwaltung ) sowie der allgemeine Verwaltungsnachwuchs (vertreten durch das Zentrum für Aus- und Fortbildung) im Gespräch vertreten. Ziel ist der Abschluss einer gemeinsamen Kooperationsvereinbarung aller im Termin vertretenen Organisationen und Woh- Drucksache 21/13563 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nungsunternehmen, der aktuell vorbereitet wird. Nach Abschluss der Kooperationsvereinbarung wird diese im Transparenzregister veröffentlicht. Die Kooperationsvereinbarung soll die betroffenen Wohnungsunternehmen in dem Bestreben unterstützen, Nachfrage nach Wohnraum an diesen Standorten und über das Quartier hinaus in ihrem Bestand zu generieren sowie die vertretenen Organisationen , ihren Beschäftigten, Studierenden, Auszubildenden, die Anmietung bezahlbaren Wohnraums zu erleichtern. Zu diesem Zweck sieht die Kooperationsvereinbarung vorrangig für die Standorte Hörgensweg, Mittlerer Landweg, Rehagen, Duvenacker, Poppenbütteler Berg und Suurheid sowie gegebenenfalls später auch für Haferblöcken und Elfsaal ein Vorschlagsrecht der Organisationen für Haushalte vor. Wohnungskontingente für bestimmte Zielgruppen werden mit der Vereinbarung hingegen nicht festgelegt. Nach ihrer Nutzung als Flüchtlingsunterkunft stehen die Wohnungen allen Interessenten mit Wohnberechtigung zur Verfügung. Die Wohnungsunternehmen sind frei in ihrer Entscheidung, mit wem sie einen Mietvertrag abschließen. Unabhängig davon haben die Wohnungsunternehmen jedoch signalisiert, dass sie grundsätzlich Interesse daran haben, insbesondere auch Angehörige der im Gespräch vertretenen Organisationen in ihren Beständen mit Wohnraum zu versorgen und hierzu mit den Organisationen im Gespräch bleiben zu wollen. Grundsätzlich bedarf es zur Anmietung der öffentlich geförderten Wohnungen eines Wohnberechtigungsscheins . Inwieweit zur Umsetzung des Ziels der Durchmischung und Stabilisierung der neuen Quartiere in Einzelfällen eine Freistellung infrage kommt, entscheidet das örtlich zuständige Bezirksamt. Die Kooperationsvereinbarung führt unterschiedliche Interessen zusammen und beachtet auch die Vereinbarung zwischen Volksinitiative, Senat und Bürgerschaft (Drs. 21/5231 „Konsens mit den Initiatoren der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“). Die Initiativen für gute Integration sind mit der Kooperationsvereinbarung nicht befasst. Inwieweit andere Länder ähnliche Kooperationsvereinbarungen mit dem Ziel der Durchmischung und Stabilisierung neuer Quartiere planen, ist dem Senat nicht bekannt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Beschäftigte der Zollverwaltung mit einem überwiegenden Arbeitsplatz in Hamburg a. befinden sich jeweils in welchen Entgeltgruppen und Besoldungsstufen ? Bitte auch die Höhe des jeweiligen Grundgehalts angeben. b. leben seit mehr als sieben Jahren in Hamburg? c. sind nach Kenntnis des Senats beziehungsweise der zuständigen Stelle auf Wohnungssuche in Hamburg? d. haben nach Kenntnis des Senats in den letzten sieben Jahren keine Wohnung in Hamburg gefunden? 2. Wie viele Beschäftigte der Zollverwaltung mit einem überwiegenden Arbeitsplatz in Hamburg liegen oberhalb, wie viele unterhalb der Einkommensgrenzen bei gebundenem Wohnraum des 1. Förderweges? 3. Über wie viele eigene Wohneinheiten verfügt die Zollerwaltung in Hamburg und der näheren Umgebung und an wen sind sie vermietet? 4. Spricht etwas dagegen, dass der Zoll selbst Wohneinheiten für seine Mitarbeiter/-innen baut? Wenn ja, was? Wenn nein, wann ist mit einer bzw. der verstärkten Bautätigkeit zu rechnen ? 5. Ist es anderswo, das heißt in anderen Bundesländern, Städten oder Regionen, üblich, dass explizit Beschäftigte der Zollverwaltung auf dem sozialen Wohnungsmarkt bevorzugt werden, selbst wenn sie die Einkommensgrenzen überschreiten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13563 3 Wenn ja, wo und in welcher Form und Größenordnung? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesfinanzministerium ist um einen Antwortbeitrag gebeten worden. Es ist keine Antwort erfolgt. Im Übrigen ist der Zoll eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums der Finanzen und unterliegt ausschließlich dem Kontrollrecht der Bundesregierung und dem damit korrelierenden Fragerecht des Deutschen Bundestages . 6. Welche Inhalte hat die wann abgeschlossene und ab wann wirksame oben angeführte Kooperationsvereinbarung zwischen der Stadt und der Zollgewerkschaft im Einzelnen? Bitte auch etwaige Zahlen und Zeiträume angeben und die Kooperationsvereinbarung der Senatsantwort anhängen beziehungsweise ihren Fundort im Transparenzportal oder anderswo angeben. 7. Wer hatte beziehungsweise wo tauchte wann die Idee mit der Bevorzugung der Zollbeschäftigten auf? Siehe Vorbemerkung. 8. Wie hat sich die Kontaktauf- und Einflussnahme des Bundestagsabgeordneten Kahrs bezüglich der Stadtentwicklungsbehörde konkret abgespielt ? Wann ist was mit wem besprochen und vereinbart worden? Es haben diesbezüglich keine Gespräche stattgefunden. 9. Welche Rolle spielten bei der oben angeführten Vereinbarung die Bürgerverträge , die der Senat mit den sogenannten Initiativen für gute Integration abgeschlossen hat? Welche Rolle spielten diese Initiativen bei der Vereinbarung gegebenenfalls selbst? 10. Mit welchen anderen Personengruppen, zu welchen Zeitpunkten, für welche Wohnorte respektive -stätten und in welchen Dimensionen soll eine solche Vereinbarung getroffen werden und wer ist dabei der/die jeweilige Partner/in, mit dem/der die Feinheiten und die organisatorische Umsetzung abgestimmt werden? 11. Wie hält es die Stadt gegenwärtig oder zukünftig vor allem auch mit der Sorge um bezahlbare Wohnungen für Kranken- und Pflegekräfte? Gibt es für diese nachgefragten, aber nur mäßig bezahlten Personengruppen vergleichbare Pläne oder überhaupt konzeptionelle Überlegungen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? 12. Welche Eigenschaften zeichnen Hamburger Zollbeamte/-innen im Unterschied zu anderen Berufsgruppen im Durchschnitt aus, sodass sie als besonders „integrationsfreundlich“ eingestuft werden, also das betreffende Kriterium der Bürgerverträge hinsichtlich der Wohnungsbelegung erfüllen? Siehe Vorbemerkung.