BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13591 21. Wahlperiode 03.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 26.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Hat der Senat bezüglich der Berufsorientierung an Gymnasien dazugelernt ? In einem langen Leserbrief im „Hamburger Abendblatt“ beschreibt eine Schülerin , warum sie die Einführung des neuen Schulfachs „Berufs- und Studienorientierung in der Oberstufe“ skeptisch sieht und kritisiert die bereits seit dem Schuljahr 2017/2018 in die gymnasiale Oberstufe eingeflossene Berufsund Studienorientierung. Statt bei der Berufsfindung zu helfen, würden Schüler offenbar von Berufsmesse zu Berufsmesse geschickt. Es zähle bei der Benotung, wer am meisten Messestände besucht habe und nicht, wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Tatsächlich ist es so, dass nur eine Berufs- und Studienorientierung, die auch Hintergründe und Praxiserlebnisse vermittelt, nachhaltig bei der Berufswahl helfen kann. Das von der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, der Agentur für Arbeit und der Schulbehörde gemeinsam entwickelte Handbuch „Berufliche Orientierung wirksam begleiten“ soll den Lehrern helfen, den Schülern das Thema näherzubringen . Es umfasst allerdings beachtliche 360 Seiten für 50 Unterrichtseinheiten . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Leserbrief reflektiert den gegenwärtigen Zustand. Dieser Zustand wird jedoch geändert. Daher gibt der Leserbrief keine Hinweise auf das künftige Konzept. Berufliche Orientierung ist ein wichtiges Aufgabengebiet in Hamburger Schulen. In der gymnasialen Oberstufe wurde das Thema bisher häufig fächerübergreifend unterrichtet . Anhand des Rahmenkonzepts „Berufliche Orientierung in der gymnasialen Oberstufe “ wird ab dem Schuljahr 2018/2019 die berufliche Orientierung fest als eigenes Unterrichtsfach im Unterricht der Stadtteilschulen, Gymnasien und Beruflichen Gymnasien verankert. Ein verbindliches Kerncurriculum strukturiert jetzt erstmals das inhaltliche Vorgehen. Das Kerncurriculum beschreibt allgemeine Kompetenz- und Inhaltsbereiche, Fachund personale Kompetenzen sowie konkrete Inhalte beziehungsweise Unterrichtsziele . Die Schulen legen die Verantwortlichkeiten für die Berufs- und Studienorientierung so fest, dass allen Schülerinnen und Schülern in der Studienstufe bis zu ihrem Schulabschluss jeweils eine Lehrkraft als Bezugsperson für die Reflexion ihrer individuellen Beruflichen Orientierung zur Verfügung steht. Im Zuge des Weiterentwicklungs- und Erprobungsprozesses wird die berufliche Orientierung mit einem Stundenkontingent von mindestens 34 Unterrichtsstunden verbindlich in der Stundentafel der Studienstufe verankert. Die erzielten Lernerfolge und Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden benotet und fließen in die Semesterleistung ein. Die Lehrkräfte binden in diesen Prozess die Erziehungsberechtigten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Teams Akademische Berufe der Jugendberufs- Drucksache 21/13591 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 agentur ein und nutzen Lernentwicklungsgespräche oder andere Gesprächsanlässe, um mit den Schülerinnen und Schülern deren Ergebnisse zu reflektieren. Grundsätzlich bestehen unterschiedliche Organisationsformen wie auch Möglichkeiten der Leistungsbewertung der beruflichen Orientierung in den gymnasialen Oberstufen der Schulen. Als mögliche Varianten werden die Integration in das Seminarfach, Unterricht an Projekttagen sowie im Rahmen des regulären Fachunterrichts im Profil vorgeschlagen. Die Entscheidung, innerhalb welcher Organisationsform das Kerncurriculum eingebunden wird, obliegt der Schule. Die Bewertung der Lernleistungen erfolgt im Rahmen der laufenden Unterrichtsarbeit – dokumentierte mündliche, schriftliche und praktische Arbeit – oder anstatt einer Klausur als gleichgestellte Leistung. Die Art der Leistungserbringung beziehungsweise der Leistungsnachweise ist von der Organisationsform unabhängig. Das neue Handbuch „Berufliche Orientierung wirksam begleiten – Unterrichtseinheiten für die Berufs- und Studienorientierung in der gymnasialen Oberstufe“ ist auf das neue Rahmenkonzept abgestimmt und unterstützt ab dem Schuljahr 2018/2019 den Erprobungsprozess der weiterentwickelten schulischen Konzepte. Berufsberaterinnen und Berufsberater der Arbeitsagentur und Lehrkräfte wirkten daran mit, sodass ein handlungsorientiertes Unterrichtsmaterial geschaffen wurde, das die Inhalte des Kerncurriculums berücksichtigt. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), die Servicestelle für „Berufs- und Studienorientierung“ und die für Bildung zuständige Behörde begleiten und unterstützen die Schulen und deren Lehrkräfte, siehe auch Antwort zu 8. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Wie beurteilt der Senat die Umsetzung der zum Schuljahr 2017/2018 eingeführten Berufsorientierung (BOSO) an Hamburger Gymnasien? a) Wo gab es welche Probleme? b) Wie erfolgte die Benotung und welche Kritik wurde an dieser geäußert ? Mit Einführung des Rahmenkonzepts im Schuljahr 2017/2018 begann in den Schulen der Weiterentwicklungsprozess der jeweiligen Konzepte. Die Weiterentwicklungen können bereits in diesem Schuljahr erprobt werden; verbindlich beginnt der Erprobungsprozess jedoch erst im Schuljahr 2018/2019. Hinsichtlich der Benotung bestanden zu Beginn Unklarheiten, welche Teile des Berufsorientierungsprozesses in der gymnasialen Oberstufe benotet und mit welchem Anteil diese Note in den Bezugsfächern berücksichtigt werden soll. Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 4. Oktober 2017 und der ersten Landeskonferenz am 17. April 2018 haben Abteilungsleitungen für die Oberstufen und Koordinatorinnen und Koordinatoren für die berufliche Orientierung konkrete Umsetzungsbeispiele nebst Vorschlägen für die Benotung erarbeitet . Diese wurden den Stadtteilschulen, Gymnasien und Beruflichen Gymnasien mit einer gymnasialen Oberstufe im Rahmen der Landeskonferenz vorgestellt. Die Verankerung der beruflichen Orientierung erfolgt in den Schulen im Seminar, das mit Einführung der Profiloberstufe Bestandteil der Stundentafel in den Schulen ist. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO AH) haben Schulen aber auch die Möglichkeit, die vorgegebenen Unterrichtsstunden den Profilfächern zuzurechnen und die vorgegebenen Inhalte hier zu unterrichten. Zudem setzen einzelne Schulen die Unterrichtsstunden im Rahmen einer Projektwoche zur beruflichen Orientierung im Umfang von mindestens 34 Unterrichtstunden um und wählen für die Benotung das Seminar oder die Profilfächer als Bezugsfächer. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie wurde die vorgesehene Mindestzahl im Schuljahr 2017/2018 von 34 Stunden in den Unterricht eingebettet? In welchen Fächern fand die Berufsorientierung in der Praxis zumeist statt? Bitte die Anteile der entsprechenden Fächer nennen. Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13591 3 3. Grundsätzlich entscheiden die Schulen selbst über die Organisationsform . Gibt die Schulbehörde Empfehlungen, wie hoch der Anteil der folgenden Aspekte in etwa sein sollte? a) außerschulische Aktivitäten (und welche sind das?) b) Messebesuche c) Praktika d) selbstorganisierte Messen/Berufswochen Bestandteil des Rahmenkonzepts ist das Kerncurriculum, das Unterrichtsinhalte und Unterrichtsziele konkret beschreibt. Der verbindliche Erprobungsprozess, der im Schuljahr 2018/2019 beginnt, wird durch die Einführung des Handbuchs „Berufliche Orientierung wirksam begleiten“ unterstützt. Teil des Handbuches ist der Abschnitt „Anregungen zur innerschulische Organisation“, der eine beispielhafte Modulauswahl zur Unterrichtsgestaltung zeigt. 4. Wie wird in diesem Zusammenhang ein im Rahmen der Berufsorientierung absolviertes Praktikum bewertet? Berufspraktika können in der gymnasialen Oberstufe durchgeführt werden und sind Unterricht am außerschulischen Lernort. Nach § 57 Absatz 2 Nummer 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) beschließt die Lehrerkonferenz über die Grundsätze der Leistungsbewertung, wozu auch die Entscheidung zählt, welche Leistungsnachweise zu erbringen sind. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Was genau ist der Unterschied zwischen der Berufsorientierung zum Schuljahr 2017/2018 auf 2018/2019 an Gymnasien? Das Rahmenkonzept wurde im Schuljahr 2017/2018 eingeführt und besteht seitdem als unveränderte Vorgabe. Auf dieser Basis erfolgen die Weiterentwicklungen in den Schulen. Die Erprobung und Verstetigung beginnt zum Schuljahr 2018/2019. Hierfür steht den Schulen das Handbuch „Berufliche Orientierung wirksam begleiten“ zur Verfügung . 6. Ist die neue Form der Berufsorientierung zum Schuljahr 2018/2019 eine Reaktion auf die Kritik an der Fassung des auslaufenden Schuljahres? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Nein. Das 2017 beschlossene Rahmenkonzept gilt weiterhin. 7. Wie soll die Benotung der Berufsorientierung künftig geregelt werden? Siehe Vorbemerkung. 8. Das 360 Seiten umfassende Handbuch „Berufliche Orientierung wirksam begleiten“ ist für 50 Unterrichtseinheiten vorgesehen, obwohl nur 34 Stunden vorgesehen sind. Erhalten die Lehrer zusätzlich eine kurze Empfehlung, welche Kapitel Priorität haben sollten? Die Unterrichtseinheiten sind modular aufgebaut und können entsprechend der Bedarfe der Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Sie wurden so aufbereitet, dass sie zum Beispiel auch von Lehrkräften, die bisher keine Erfahrung im Bereich der Berufs- und Studienorientierung haben, leicht durchgeführt werden können. Als Anregung für die innerschulische Organisation enthält das Handbuch eine beispielhafte Modulauswahl für die Gestaltung von 34 Unterrichtsstunden. 9. Bietet das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) Lehrern Fortbildungen für das Thema Berufliche Orientierung an? Wenn ja, welche mit welchem Stundenumfang? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/13591 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Das LI berät und unterstützt Hamburger Schulen und Lehrkräfte in Fragen der Berufsund Studienorientierung sowie zu Fragen der ökonomischen Bildung. Das Zentrum Schule & Wirtschaft (ZSW) und das Referat Berufliche Bildung des LI bieten zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen zur Berufs- und Studienorientierung und der ökonomischen Bildung an. Begleitend zur Einführung des neuen Rahmenkonzeptes zur Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe hat das LI eine Reihe von neuen Fortbildungsmodulen aufgesetzt, um die Schulen bei der Implementierung des neuen Rahmenkonzeptes zu unterstützen. Im Schuljahr 2017/2018 wurden insgesamt 43 dreistündige Lehrerfortbildungen vom ZSW angeboten, davon sieben Veranstaltungen zum Schwerpunkt ökonomische Bildung , fünf Veranstaltungen zum neuen Rahmenkonzept für die gymnasiale Oberstufe, und 30 Veranstaltungen zu Einblicken in die Ausbildung sowie zu Fragen der Berufsund Studienorientierung. Im kommenden Schuljahr wird das Fortbildungsangebot erweitert durch in der Regel dreistündige Fortbildungen. In diesen Fortbildungen wird Lehrkräften das neue Material vorgestellt und Beratung zur Unterrichtsgestaltung angeboten. In Kooperation mit außerschulischen Partnern, wie beispielsweise dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut , der Handwerks- und der Handelskammer, der Deutschen Bundesbank, der Agentur für Arbeit und anderen werden den Schulen darüber hinaus Projekte und Wettbewerbe zur Berufs- und Studienorientierung sowie der ökonomischen Bildung angeboten (siehe hierzu auch: http://li.hamburg.de/zsw/).