BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13600 21. Wahlperiode 03.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 27.06.18 und Antwort des Senats Betr.: Mobbing an Hamburger Schulen Mobbing ist ein Gruppenproblem, bei dem sich das Normgefüge einer Klasse über längere Zeit verschoben hat. Im Regelfall spricht man von Mobbing, wenn jemand immer wieder von mehreren Kindern über eine lange Zeit geärgert oder ausgeschlossen wird, ohne dass der Betroffene die Angriffe aus eigener Kraft beenden kann. Neben Opfern und Tätern gibt es die große Gruppe der „Zuschauer“, welche es durch Präventionsangebote zu erreichen gilt. Mit zwei Angeboten, „Gegen den Strich“ und „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“ gehen die Beratungsstelle Gewaltprävention, die Unfallkasse Nord (UK Nord) und die Techniker Krankenkasse (TK) gegen Mobbing an Hamburgs Schulen vor. Ziel der Projekte ist es, Schülermobbing mit all seinen negativen psychischen und gesundheitlichen Folgen durch gezielte Maßnahmen auf allen Ebenen von schulischer Praxis nachhaltig und dauerhaft zu vermindern. Mobbing kann nur verhindert werden, indem alle Beteiligten sich mit dem Problem auseinandersetzen, sensibel auf Entwicklungen reagieren und Maßnahmen beziehungsweise Verhaltensweisen erproben und einsetzen, um dem Phänomen entgegenzuwirken. Dabei müssen Schülerinnen und Schüler, Klassenlehrkräfte, Fachlehrerinnen und Fachlehrer , Beratungsfachkräfte der Schulen und die Eltern der Kinder und Jugendlichen einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Schulen haben sich 2016, 2017 sowie im ersten Halbjahr 2018 an die Beratungsstelle „Gewaltprävention“ wegen Fälle von Mobbing gewandt? Wie in Drs. 21/10344 dargestellt, hat die Beratungsstelle Gewaltprävention im Schuljahr 2016/2017 85 Beratungsanfragen dokumentiert, die sich auf den Verdacht von Mobbing und auf konkrete Mobbingfälle (inklusive des Phänomens Cybermobbing) beziehen. In den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) gab es im Schuljahr 2016/2017 im Rahmen aller Fallbearbeitungen in 159 Fällen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Opfer von Mobbing und in 35 Fällen standen die Täter in Mobbingfällen im Fokus der Bearbeitung durch das ReBBZ. Die Auswertung der schulischen Anfragen zu Einzelfällen und Vorfällen erfolgt jeweils nach Abschluss eines Schuljahres. Unterjährige Auswertungen werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht vorgenommen. Somit liegen für das Schuljahr 2017/2018 noch keine Auswertungen vor. 2. Seit wann existieren die Präventionsangebote „Gegen den Strich“ und „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“? Das Präventionsangebot „Gegen den Strich“ existiert seit 2013. Drucksache 21/13600 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Präventionsangebot „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“ existiert seit 2008. Derzeit wird das Angebot – federführend durch die Beratungsstelle Gewaltprävention – grundlegend überarbeitet. Zum Schuljahr 2018/2019 startet die Pilotphase des Nachfolge-Projekts an über 20 Hamburger Schulen (Stadtteilschulen und Gymnasien). 3. Wie viele Schulen nehmen eines beziehungsweise beide gegenwärtig in Anspruch? 4. Wie viele Personen sind dabei jeweils involviert? Bitte in Hinblick auf die Schulen sowie die Anzahl von Schülern und Lehrern beantworten. Eine Inanspruchnahme beider Programme an einer Schule ist konzeptionell nicht vorgesehen , da das Präventionsangebot „Gegen den Strich“ ein Angebot für Grundschulen und das Präventionsangebot „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“ ein Angebot für Stadtteilschulen und Gymnasien ist. „Gegen den Strich“: Zweimal im Jahr bietet die Beratungsstelle Gewaltprävention eine eineinhalbtägige Fortbildung zum Projekt „Gegen den Strich“ an. Am Ende der Fortbildung erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Handreichung zur Umsetzung des Projekts (zwei Projekttage) an ihrem jeweiligen Standort. Fachkräfte aus 66 Schulen haben die Fortbildung seit 2013 abgeschlossen. „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“: Für das Angebot findet nach Ausschreibung über die Schulleitung einmal im Jahr eine „Multiplikatoren-Schulung“ statt. Die Schule benennt eine Multiplikatorin oder einen Multiplikator, die/der nach einer Fortbildung durch die Beratungsstelle Gewaltprävention eine schulinterne Fortbildung für die Klassenlehrkräfte des Jahrgangs 5 oder 7 durchführt. Dort erhalten die Lehrkräfte den sogenannten Anti-Mobbing-Koffer, der Filme, Handreichungen für fünf Projekttage, Arbeitsblätter und Hintergrundinformationen enthält. Die so qualifizierten Klassenlehrkräfte führen im Anschluss mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Projektwoche durch, die auch die Einbeziehung der Eltern (Elternflyer und Elternnachmittag) vorsieht. Über 110 Schulen haben seit Einführung des Programms an der „Multiplikatoren-Fortbildung“ teilgenommen. Im Jahr 2016 wurden alle qualifizierten Schulen angefragt, ein Feedback zur Akzeptanz und Umsetzung zu geben. 53 Schulen nahmen an der Abfrage teil. Davon gaben 39 Schulen an, die Projekttage regelmäßig durchzuführen (215 Schulklassen im Schuljahr 2015/2016). Neben der positiven Akzeptanz des Materials wurden auch konstruktive Hinweise gegeben, die in die aktuell laufende Überarbeitung eingeflossen sind. Aufgrund dieser Überarbeitung des Materials fand im Jahr 2017 keine Fortbildung statt. Zum Schuljahr 2018/2019 startet die Pilotphase des Nachfolge-Projekts, siehe Antwort zu 2. 5. Hat es seit dem 1. Januar 2016 Fälle von Mobbing gegeben, die in körperlichen Übergriffen mündeten? a) Falls ja, wie viele dieser Fälle wurden zur polizeilichen Anzeige gebracht? b) In wie vielen dieser Fälle musste den Opfern psychologische Hilfe gewährt werden? Im Einzelfall kann es auch bei Mobbingverdacht zu körperlichen Übergriffen kommen, bei denen eine polizeiliche Anzeige zu prüfen ist. Ebenso muss in jedem Einzelfall sehr ernsthaft die Einbeziehung psychologischer Hilfen abgewogen werden. Häufig betreffen diese Sachverhalte aber Entscheidungen der Sorgeberechtigten. Eine explizite Dokumentation der in der Frage angesprochenen Aspekte erfolgt in der Beratungsstelle Gewaltprävention nicht. Siehe Drs. 21/646. Im Übrigen werden Daten im Sinne der Fragestellung von der Polizei regelhaft nicht erhoben. 6. Wie hoch belaufen sich die Kosten für die Inanspruchnahme der genannten Präventionsangebote? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13600 3 Für die teilnehmenden Schulen entstehen keine Kosten. Das Angebot „Gegen den Strich“ wird von der Unfallkasse Nord gefördert (Honorarmittel für eine Dozentin). Das Angebot „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein“ wird von der Krankenkasse „Die Techniker“ gefördert (Produktion und Vervielfältigung des Materials). Die Fortbildungsangebote werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beratungsstelle Gewaltprävention durchgeführt und sind für die Teilnehmenden kostenfrei. 7. Für welche Dauer sind die Präventionsangebote konzipiert? Beide Angebote enthalten Handreichungen für Projekttage, die mit den Klassen durchgeführt werden. Darüber hinaus enthalten die Handreichungen Empfehlungen für die Weiterarbeit und Vertiefung nach den Projekttagen. Es ist vorgesehen, dass über die qualifizierten Fachkräfte der Schulen die Angebote jährlich durchgeführt und in der Schule etabliert werden (zum Beispiel eine themenspezifische Projektwoche fest im Jahresplan). Ebenfalls empfiehlt die Beratungsstelle Gewaltprävention, neben den Klassenlehrkräften auch die Schulleitung und den Beratungsdienst einzubeziehen . 8. Verfügen Hamburger Schulen über eigene Konzepte zum Umgang mit Mobbing? Der Umgang mit auftretendem Mobbing erfordert eine besondere Herangehensweise und Intervention. Viele Schulen verfügen in diesem Zusammenhang über Handlungsketten bei der Mobbingintervention. Die Beratungsstelle Gewaltprävention berät Schulen bei der Etablierung derartiger Handlungsketten. Auch finden verschiedene Fortbildungen zum Thema Mobbingintervention statt. In diesem Zusammenhang haben bereits Fachkräfte aus über 100 Schulen an der Fortbildung „No Blame Approach“ teilgenommen. Auch bei der Qualifizierungsmaßnahme „Begleitung von Opfern in Schulen“ (BeOS) ist das Themenfeld Mobbing Gegenstand mehrerer Module. 9. Werden Lehrkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung besonders geschult? Im Rahmen der Ausbildung für Beratungslehrkräfte wird das Thema Mobbing explizit durch die Beratungsstelle Gewaltprävention geschult. Im Rahmen der Fortbildungen für Lehrkräfte in Ausbildung wurden durch die Beratungsstelle Gewaltprävention regelmäßig Module zum Thema Cybermobbing angeboten. Im Hauptseminar und im Lehrertraining werden unter anderem die Zusammenarbeit mit Eltern, die Gestaltung von Lernentwicklungsgesprächen und Klassenratssituationen sowie der Umgang mit konflikthaltigen Situationen, zum Beispiel Mobbing, thematisiert und theoretisch fundiert reflektiert, auch zum Beispiel in kollegialer Fallberatung und in Trainingssituationen zu Deeskalationsstrategien. Im Übrigen siehe Drs. 21/13544. 10. Was tun Schulen, um Fälle von Mobbing frühzeitig zu erkennen? Schulen können Unterstützung und Beratung in der Beratungsstelle Gewaltprävention, den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) beziehungsweise dem Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) oder anderen externen Institutionen erbitten. Lehrkräften wird empfohlen, bei Verdacht auf Mobbing den schulischen Beratungsdienst hinzuzuziehen. Eine erste Analyse kann durch vertrauliche Einzelgespräche erfolgen. Auch das zuständige ReBBZ und die Beratungsstelle Gewaltprävention unterstützen und beraten beim Umgang mit Mobbingfällen. 11. Welche Hilfestellung wird betroffenen Schülern und deren Familien durch die Schulen gewährt? Schülerinnen und Schüler sollten dafür sensibilisiert werden, beginnende Mobbinghandlungen nicht zu tolerieren und Hilfe bei erwachsenen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern zu holen (zum Beispiel Klassenlehrkräfte, Beratungsdienst, Eltern). Betroffenen wird empfohlen, alle Vorfälle zu dokumentieren (Mobbingtagebuch). Besonders die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der schulischen Beratungsdienste stellen eine wichtige Anlaufstelle für betroffene Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern dar. Darüber hinaus können sich Eltern auch an das ReBBZ oder die Beratungsstelle Gewaltprävention wenden. Drucksache 21/13600 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 12. Wie gehen Schulen mit Schülern um, die nachweislich andere Kinder gemobbt haben? Abhängig vom Schweregrad des Mobbings und den jeweiligen Mobbinghandlungen bieten sich unterschiedliche Interventionswege an (zum Beispiel Einbeziehung dieser mobbenden Schülerinnen und Schüler in eine konstruktive Auflösung, Grenzziehung und Normverdeutlichung mit der Schulleitung, Ordnungsmaßnahmen nach § 49 Hamburgisches Schulgesetz).