BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1363 21. Wahlperiode 28.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ludwig Flocken (AfD) vom 20.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Tuberkulosescreening bei Asylbewerbern – Sinnvolle Maßnahmen in Deutschland und Hamburg Weltweit fordert keine andere Infektionskrankheit mehr Todesopfer als die Tuberkulose (1,3 – 3 Millionen Menschen pro Jahr). Noch vor hundert Jahren war die Tuberkulose (Morbus Koch) eine der vorherrschenden Todesursachen in Europa. Durch sehr aufwendige Maßnahmen konnte die Krankheit in Deutschland zwischen 1950 und 2010 pro Dekade um 50 Prozent zurückgedrängt werden. Entscheidend sind dabei die frühe Diagnose, die konsequente Behandlung sowie die Unterbrechung von bekannten Infektionswegen. Im Niedriginzidenzland Deutschland haben heute nur noch Spezialisten umfassende praktische Erfahrung. „In den letzten Jahren aufgetretene Fälle waren zur Hälfte nicht autochthon, die verursachenden Mykobakterien waren zum Teil atypisch, oft multiresistent . Das Fortschreiten der Krankheit wird durch eine gleichzeitig bestehende HIV-Infektion befördert; unter den Todesopfern sind viele Doppelinfizierte. Die überwiegenden Mehrheit der immunkompetenten TBC-Infizierten kann die Erreger beherrschen, wenn auch nicht eliminieren. Unter Hamburger Asylbewerbern sind von Jan 2014 bis Juni 2015 bei den Röntgenuntersuchungen 31 TBC-Fälle diagnostiziert worden.“ „Asylbewerber aus Hochinzidenzländern der Tuberkulose haben ein erhöhtes Risiko, bereits bei der Einreise nach Deutschland latent mit M. tuberculosis infiziert oder aktiv an einer Tuberkulose erkrankt zu sein. Bei der Ankunft in Deutschland sollten Asylbewerber aus Hochinzidenzländern sowohl auf das Vorliegen einer aktiven Tuberkulose als auch auf eine latente Infektion mit M. tuberculosis untersucht werden. Asylbewerber, die nicht aus Hochinzidenzländern der Tuberkulose kommen, sollten in gleicher Weise behandelt werden , wenn sie engen Kontakt zu Tuberkulosepatienten hatten oder HIVinfiziert sind.“ (Zitate aus Fachzeitschrift „Flugmedizin Tropenmedizin Reisemedizin “ 2015; von Gerd Burchard1, Christoph Lange2.) Der Fall eines Bulgaren, der in Frankfurt (a.M.) mit offener Lungentuberkulose aus einem Krankenhaus geflohen ist, hat verdeutlicht, dass bei den Behörden starke Hemmungen bestehen, die Bevölkerung vor der tödlichen Gefahr zu warnen, weil man offensichtlich Kollateralschäden auf die Willkommenskultur befürchtet. 1 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0035- 1557102#AF031503-1. 2 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0035- 1557102#AF031503-2. Drucksache 21/1363 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Fälle von aktiver Tuberkulose sind in Hamburg in der Zeit von 2005 bis 2015 diagnostiziert worden? (Bitte einzeln nach Kalenderjahren aufführen.) Meldejahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Anzahl der Fälle TB (Hamburg) Stand 21.08.15 187 188 164 156 177 169 159 146 196 150* 105 * Die angegebene Fallzahl kann aufgrund von Software-Umstellungen von der tatsächlichen Fallzahl abweichen. 2. Wie viele dieser, unter 1. genannten Fällen sind offene oder potenziell offene Lungentuberkulose gewesen? TB (Hamburg): Hauptsächlich betroffenes Organ Stand 21.08.15 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Lunge (Lungenparenchym , Tracheobronchialbaum , Kehlkopf) 133 149 115 113 131 130 117 113 147 105* 73 Anmerkung: Eine Unterteilung in „offene“ oder „potenziell offene Lungentuberkulose“ findet nicht statt. * Die angegebene Fallzahl kann aufgrund von Software-Umstellungen von der tatsächlichen Fallzahl abweichen. 3. Wie viele Fälle von latenter Tuberkulose-Infektion (LTBI) sind im gleichen Zeitraum (pro Jahr) diagnostiziert worden? Gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind Fälle von latenter Tuberkulose kein meldepflichtiger Tatbestand und werden daher nicht erfasst. 4. Welche diagnostischen Maßnahmen wurden getroffen, um LTBI zu diagnostizieren? Entfällt. Eine regelhafte Testung ist nach dem Infektionsschutz nicht vorgesehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 5. Wie viele Fälle von Organtuberkulose sind von 2005 bis 2015 pro Jahr diagnostiziert worden? Jahr Stand 21.08.15 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Fallzahl 54 39 49 43 46 39 42 33 49 45* 32 * Die angegebene Fallzahl kann aufgrund von Software-Umstellungen von der tatsächlichen Fallzahl abweichen. 6. Wie viele Infektionen mit atypischen Mykobakterien sind im gleichen Zeitraum pro Jahr diagnostiziert worden? Erkrankungen mit atypischen Mykobakterien unterliegen keiner Meldepflicht gemäß IfSG. 7. Welche therapeutischen Maßnahmen sind getroffen worden? Die therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung einer Tuberkulose richteten und richten sich nach den Empfehlungen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (www.pneumologie.de/dzk/). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1363 3 8. Welche anderen Maßnahmen zum Schutz des unmittelbaren Umfeldes sind getroffen worden? 9. Welche anderen Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit sind getroffen worden? Die Schutzmaßnahmen richten sich nach den neuen Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose und nach den Empfehlungen des RKI-Ratgebers für Ärzte (TB). 10. Werden bei TBC-Infizierten auch Tests auf HIV und andere Hepatitiden als B-Hepatitis durchgeführt? Die Tuberkulosebekämpfungsstelle des Bezirksamtes Hamburg-Mitte führt keine HIVTestungen und keine Hepatitis-Testungen durch. 11. Warum werden routinemäßig, auch bei Asylbewerbern aus HIV-Hochinzidenzländern , keine HIV-Tests durchgeführt? Das HIV-Virus wird nicht über alltägliche Sozialkontakte, wie Umarmungen oder Husten und Niesen übertragen. Eine Ansteckung ist nur über Sexualkontakte, Blut oder Muttermilch möglich. Eine Infektion mit dem HI-Virus spielt daher unter infektionsepidemiologischen Gesichtspunkten bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern keine anders geartete Rolle als bei der heimischen Bevölkerung.