BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13683 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 03.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Vorgehensweisen bei der Zuführung zur und in der Gefangenensammelstelle (Gesa) Neuland während des G20-Gipfels? Während des G20-Gipfels wurden laut Drs. 21/11582 insgesamt 226 Personen in Gewahrsam genommen sowie 197 vorläufig festgenommen und in der Gefangenensammelstelle Neuland untergebracht. In der Sitzung des G20- Sonderausschusses am 21. Juni wurde deutlich, dass es in der Gefangenensammelstelle Neuland bei 66 Prozent der Ingewahrsamnahmen zu rechtswidrigen Durchsuchungen der Betroffenen bei vollständigem Entkleiden gekommen ist. Zur Behandlung der Betroffenen in der Gefangenensammelstelle der Polizei hat das Landgericht Hamburg mittlerweile in etlichen Fällen am 25. Mai festgestellt, dass Durchsuchungen bei vollständigem Entkleiden ohne konkreten Anlass rechtswidrig gewesen seien und die Betroffenen nicht hätten gezwungen werden dürfen, ihre Notdurft unter Aufsicht von Polizeikräften zu verrichten. Zudem kritisiert das Gericht als rechtswidrig, dass die Richtervorführung nicht unverzüglich, sondern nach den oben genannten 15 – 40 Stunden geschehen sei. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele der in Gewahrsam Genommenen mussten sich in der Gefangenensammelstelle bei Durchsuchungen vollständig entkleiden? (Bitte prozentual auf Alle bezogen und in Zahlen angeben.) In der Gefangenensammelstelle (GeSa) wurden insgesamt 424 Personen verwahrt, darunter 228 in Gewahrsam Genommene. Von den insgesamt 228 in Gewahrsam genommenen Personen haben sich 142 Personen entkleidet; dies umfasst Abstufungen der Entkleidung (Entkleidung bis auf die Unterwäsche beziehungsweise Entledigung sämtlicher Kleidungsstücke). Dies entspricht einem Anteil an allen Verwahrten von 33,40 Prozent. Im Übrigen siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 21. Wahlperiode, Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Sonderausschusses „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“, Nummer 21/11, Sitzung vom 21. Juni 2018, TOP 1b). 2. Wie viele der in Gewahrsam Genommenen mussten sich in der Gefangenensammelstelle mehrfach, zum Beispiel erneut nach Anwaltsbesuchen , vollständig entkleiden? (Bitte prozentual auf Alle bezogen und in Zahlen angeben.) Durchsuchungen von verwahrten Personen nach einem Anwaltsgespräch erfolgten auf Grundlage von §§ 15, 15a des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) und sollten ein Einbringen gefährlicher Gegenstände in den Sicherheitsbereich der GeSa verhindern. Eine Dokumentation in Bezug auf die Abstu- Drucksache 21/13683 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 fung der Intensität der Durchsuchung ist nicht vorgeschrieben. Lediglich die Bewertung der tatsächlichen Anhaltspunkte für das Auffinden von Gegenständen im Intimbereich , die ein völliges Entkleiden erforderlich machen, wären nach Polizeidienstvorschrift (PDV) im Vorgang (zum Beispiel Bericht) zu dokumentieren. In den entsprechenden Fällen sind die Durchsuchungskräfte verpflichtet, die allgemeinen Regeln der Moral sowie des Anstandes, insbesondere des Schamgefühls, zu wahren. Ungeachtet dessen haben Untersuchungen des Dezernats Interne Ermittlungen (DIE) in Hinsicht auf die erfragten Sachverhalte Defizite in der Vollständigkeit der erforderlichen Dokumentation ergeben. 3. Wie lange befanden sich die in Gewahrsam Genommen jeweils in der Gesa Neuland? (Bitte einzeln in Anzahl der Stunden angeben.) Von den 424 in der GeSa verwahrten Personen wurden 271 Personen direkt aus der GeSa entlassen und 153 Personen entweder der Untersuchungshaft oder dem langfristigen Gewahrsam zugeführt. Die von der Polizei registrierte Verwahrdauer umfasst den Zeitraum ab Einlieferung einer Person in der GeSa bis zu ihrer Entlassung aus der GeSa beziehungsweise ihrer Überstellung in die Untersuchungshaft oder den langfristigen Gewahrsam. Die erfragten Daten finden sich in der Anlage. Die Angaben basieren auf den Einträgen im Elektronischen Verwahrbuch und dem Abgleich der zu den einzelnen Personen vorliegenden schriftlichen Unterlagen; im Übrigen siehe Antwort zu 1. sowie Drs. 21/13300. 4. Wer hat während des G20-Gipfels im Fall von Ingewahrsamnahmen und vorläufigen Festnahmen auf welcher rechtlichen Grundlage über eine etwaige Zuführung in die Gesa entschieden? Prüfungen der Voraussetzungen für eine Zuführung einer vorläufig festgenommenen Person und die Entscheidung, ob eine Person zur Vorbereitung und Durchführung der Zuführung in die GeSa verbracht werden sollte, erfolgten durch die im Rahmen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Michel der Polizei Hamburg durch Beamte, die im Einsatzabschnitt Kriminalpolizeiliche Maßnahmen (EA KPM) – Unterabschnitt (UA) Ermittlungen, Unterunterabschnitt (UUA) Kriminalpolizeiliche Entscheider – eingesetzt waren. Die Prüfungen erfolgten auf Grundlage des § 127 Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 112 StPO. Entscheidungen über die polizeirechtliche Maßnahme der Ingewahrsamnahme einer Person gemäß § 13 SOG hat im Rahmen der BAO Michel der am jeweiligen Einsatzort mit der entsprechenden Person befasste verantwortliche Polizeibeamte getroffen. 5. Welche Aufgabe hatten in diesem Zusammenhang und im weiteren Verfahren Entscheider/-innen, Koordinatoren/-innen, welche weitere Sachbearbeiter /-innen? (Bitte einzeln nach Aufgabe und Kompetenz sowie Verfahrensschritt aufführen.) Die Aufgaben der im Rahmen der BAO Michel tätigen erfragten Funktionsinhaber in der GeSa waren: Entscheider Entscheider wurden im UUA Kriminalpolizeiliche Entscheider des UA Ermittlungen innerhalb des EA KPM eingesetzt. Sie waren für die eingesetzten Kräfte der BAO Michel erster und einziger Ansprechpartner der Hamburger Kriminalpolizei. Die Entscheider entschieden nach telefonischer Sachverhaltsdarstellung über die Durchführung strafprozessualer oder gefahrenabwehrender Maßnahmen. Koordinatoren Ein Einsatz von Koordinatoren erfolgte in unterschiedlichen Bereichen: - Koordinatoren für die Sachbearbeitung wurden im UUA Kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung des UA Ermittlungen innerhalb des EA KPM eingesetzt. Diese hatten die Aufgabe, die eingegangenen Sachverhalte an die kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter zu verteilen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13683 3 - Tatbeobachter-Koordinatoren wurden im UA Ermittlungen des EA KPM eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, die in der GeSa angekommenen Tatbeobachter dem vorgesehenen Vernehmungsbeamten zuzuordnen. - Außen-Koordinatoren des UA Verfahrenssicherung des EA KPM hatten die Aufgabe , die Aufnahme der durch Gefangenentransporter (GeT) in die GeSa verbrachten Personen zu koordinieren, sodass nach dem Eintreffen eines GeT unmittelbar und ohne Zeitverzug mit der Aufnahme der zu verwahrenden Personen begonnen werden konnte. Sachbearbeiter In der GeSa wurden zum einen Sachbearbeiter zur Bearbeitung der Festnahmen und zum anderen Sachbearbeiter zur Bearbeitung der Ingewahrsamnahmen eingesetzt. 6. Welche Funktion hatten in diesem Zusammenhang Laufzettel? Die eingesetzten Laufzettel dienten der Protokollierung interner Arbeitsabläufe. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 1. 7. Wurden Laufzetteln die jeweiligen Ermittlungsakten zugefügt? Wenn nein, warum nicht? Die Laufzettel dienten der Dokumentation interner Arbeitsabläufe und wurden nur in begründeten Einzelfällen einer Akte beigefügt. 8. Wie viele Polizeibeamte/-innen haben während des G20-Gipfels jeweils insgesamt wie viele polizeilichen Tatzeugen/-innen und Tatbeobachter/ -innen in welchem Setting in und außerhalb der Gesa vernommen, um deren Angaben verwertbar (zum Beispiel durch Erfragen von Tatort, Vorwurf, Anzahl von Würfen von Materialien, ob getroffen oder nicht) niederzuschreiben? (Bitte einzeln nach Ort, polizeilichen Tatzeugen/ -innen und Tatbeobachtern/-innen beantworten.) Die erfragten Sachverhalte werden statistisch nicht erfasst. Für eine Beantwortung der Frage beziehungsweise eine Stichprobe wäre eine Durchsicht der Hand- und Ermittlungsakten der Sonderkommission (SoKo) „Schwarzer Block“ erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 9. Wurden sämtliche polizeilichen Tatzeugen/-innen und Tatbeobachter/ -innen einzeln vernommen oder gab es auch Gruppenvernehmungen? Wenn ja, wie viele Gruppenvernehmungen gab es? (Bitte einzeln nach polizeilichen Tatzeugen/-innen und Tatbeobachtern/-innen beantworten.) Die erfragen Sachverhalte werden statistisch nicht erfasst. Für eine Beantwortung wäre eine Durchsicht sämtlicher Hand- und Ermittlungsakten der SoKo „Schwarzer Block“ erforderlich. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . Der Polizei ist ein Sachverhalt bekannt, in dem auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Hamburg eine zeitgleiche gemeinsame Vernehmung von vier polizeilichen Zeugen (Tatbeobachtern) erfolgte. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 10. Waren den Polizeibeamten/-innen, die die Tatbeobachter/-innen vernahmen , jeweils auch die weiteren, zu dem jeweiligen Fall bei der Polizei vorhandenen Erkenntnisse, zum Beispiel ob eine Person festgenommen wurde oder ob es Geschädigte oder weitere Zeugen/-innen gegeben hat, zum Zeitpunkt der Vernehmung bekannt? (Bitte bei unterschiedlicher Sachlage angeben, welche Erkenntnisse in wie vielen Fällen Vorlagen und welche nicht.) Grundsätzlich verschaffen sich Vernehmungsbeamte vor einer Vernehmung Kenntnis von den Informationen, die zu dem zu bearbeitenden Sachverhalt bereits vorliegen. Die erfragten Daten werden von der Polizei nicht erhoben. Drucksache 21/13683 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 11. Gab es während des G20-Gipfels eine/n oder mehrere Tatbeobachterkoordinatoren /-innen? Wenn ja, wie viele und aus welchem Bundesland stammten sie? Als Tatbeobachterkoordinatoren wurden in der GeSa pro Schicht ein bis zwei Hamburger Kriminalbeamte eingesetzt; im Übrigen siehe Antwort zu 5. Lfd.Nr. Dauer* Lfd.Nr. Dauer* Lfd.Nr. Dauer* Lfd.Nr. Dauer* 1 00:00 60 02:00 119 12:38 178 20:56 2 00:01 61 02:13 120 12:45 179 21:05 3 00:04 62 02:13 121 13:04 180 21:10 4 00:04 63 02:20 122 13:14 181 21:10 5 00:04 64 02:29 123 13:39 182 21:12 6 00:04 65 02:30 124 13:45 183 21:13 7 00:08 66 02:35 125 13:54 184 21:15 8 00:10 67 02:39 126 14:00 185 21:19 9 00:30 68 02:44 127 14:08 186 21:20 10 00:41 69 03:05 128 14:12 187 21:21 11 00:51 70 03:22 129 14:29 188 21:24 12 00:52 71 03:22 130 15:10 189 21:27 13 01:18 72 03:24 131 15:38 190 21:27 14 01:19 73 03:25 132 15:40 191 21:37 15 01:20 74 03:40 133 15:51 192 21:46 16 01:20 75 03:44 134 16:07 193 21:54 17 01:25 76 03:45 135 16:28 194 22:03 18 01:26 77 03:50 136 16:30 195 22:13 19 01:29 78 03:52 137 16:40 196 22:14 20 01:30 79 03:55 138 16:41 197 22:16 21 01:30 80 03:55 139 16:45 198 23:58 22 01:30 81 03:55 140 16:57 199 00:14 23 01:30 82 04:01 141 17:17 200 00:35 24 01:30 83 04:02 142 17:20 201 00:44 25 01:30 84 04:05 143 17:23 202 01:26 26 01:30 85 04:10 144 17:38 203 01:52 27 01:30 86 04:18 145 17:40 204 02:41 28 01:30 87 04:21 146 17:41 205 02:53 29 01:30 88 04:22 147 17:49 206 03:19 30 01:30 89 04:33 148 17:51 207 03:27 31 01:31 90 04:37 149 17:55 208 03:32 32 01:31 91 04:40 150 18:14 209 04:42 33 01:31 92 04:44 151 18:15 210 04:45 34 01:31 93 04:48 152 18:16 211 06:24 35 01:31 94 05:13 153 18:18 212 09:38 36 01:31 95 05:19 154 18:25 213 10:00 37 01:31 96 05:24 155 18:28 214 10:18 38 01:31 97 05:35 156 18:33 215 ohne** 39 01:31 98 05:45 157 18:33 216 ohne** 40 01:31 99 05:52 158 18:34 217 ohne** 41 01:32 100 06:07 159 18:35 218 ohne** 42 01:33 101 06:08 160 18:44 219 ohne** 43 01:33 102 06:31 161 18:50 220 ohne** 44 01:33 103 07:11 162 18:52 221 ohne** 45 01:33 104 07:27 163 19:05 222 ohne** 46 01:34 105 07:28 164 19:07 223 ohne** 47 01:35 106 07:30 165 19:23 224 ohne** 48 01:35 107 07:46 166 19:38 225 ohne** 49 01:35 108 08:33 167 19:40 226 ohne** 50 01:35 109 08:41 168 19:55 227 ohne** 51 01:35 110 08:49 169 20:02 228 ohne** 52 01:35 111 08:57 170 20:03 53 01:35 112 09:39 171 20:15 54 01:36 113 10:00 172 20:18 55 01:40 114 10:11 173 20:20 56 01:40 115 10:15 174 20:36 57 01:51 116 10:33 175 20:41 58 01:55 117 10:48 176 20:44 59 01:59 118 11:26 177 20:50 ** Personen aus dem Reisebus, siehe Drs. 21/13300. * Angaben in Stunde:Minute; die Angabe zu lfd. Nr. 1 resultiert aus der in der EVB eingetragenen Einlieferungszeit und der auf dem Laufzettel eingetragenen Entlassungszeit. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13683 5 Anlage 13683ska_Text 13683ska_Anlage