BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13692 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Richard Seelmaecker und Dennis Gladiator (CDU) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Ausreisepflichtige Strafgefangene – Wie stellt sich die aktuelle Situation dar? Innenminister Seehofer hat einem Bericht „Der Welt“ vom 15. März 2018 zufolge die Ankündigung seines Vorgängers erneuert, ausreisepflichtige Straftäter konsequenter abzuschieben. Bereits im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 400 ausländische Gefängnisinsassen mehr abgeschoben als 2016; in Hamburg waren es 2017 110 Strafgefangene, die direkt aus der Haft zur Abschiebung gebracht wurden, 21 mehr als im Vorjahr. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn es ist äußerst wichtig, dass ausreisepflichtige Straftäter Deutschland schnellstmöglich wieder verlassen, auch um diejenigen, die wirklich Schutz suchen, nicht zu gefährden oder in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Dennoch stoßen die Behörden immer wieder an ihre Grenzen, auch bei ausreisepflichtigen Straftätern, deren Haftentlassung ansteht. Die Antworten auf die Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/4309, 21/4453, 21/4571 und 21/5149 zeigen exemplarisch, welche Gründe immer wieder dazu führen, dass die Rückführung von Gefangenen scheitert. So ist beispielsweise der Gefangene, der am 1. Mai 2016 in der JVA Billwerder einen Bediensteten erheblich verletzte, seit 1999 ausreisepflichtig; seiner Rückführung stand bislang die ungeklärte Identität sowie das Fehlen gültiger Heimreisedokumente entgegen. Seit der Jahrtausendwende wechselten sich somit stetig Gefängnisaufenthalte aufgrund teilweise erheblicher Straftaten mit Zeiträumen, in denen er Duldungen und Sozialleistungen erhielt, ab. Das Strafende wird im August 2018 erreicht sein. Und dieses Beispiel ist bei Weitem kein Einzelfall. Wenn die Versuche der Behörden, die wahre Identität der Gefangenen zu klären beziehungsweise Heimreisedokumente zu beschaffen misslingen oder andere Gründe der Rückführung entgegenstehen und die Abschiebung aus der Haft heraus insofern scheitert, „wird dem Gefangenen bei der Entlassung aufgegeben, sich unverzüglich bei der Ausländerbehörde zu melden“, teilt der Senat in der Drs. 21/4453 mit. Inwiefern dies dann überprüft beziehungsweise überwacht wird, ist allerdings fraglich. In der Drs. 21/10838 heißt es: „Der aufenthaltsrechtliche Status der in diesem Jahr aus einer Hamburger Justizvollzugsanstalt entlassenen Strafgefangenen wird nicht erfasst. Eine nachträgliche Erhebung würde die Auswertung von circa 300 Gefangenenpersonalakten erfordern, die in diesem Jahr entlassen wurden und nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft ver- Drucksache 21/13692 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 fügen. Das ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele ausreisepflichtige Strafgefangene wurden im ersten Halbjahr 2018 aus der Haft in jeweils welche Staaten abgeschoben? Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Zielstaat Personen Albanien 2 Algerien 2 Bulgarien 3 Chile 1 China 1 Georgien 2 Guinea 1 Italien 1 Kenia 1 Kolumbien 1 Kosovo 2 Lettland 2 Litauen 3 Marokko 2 Mazedonien (ehem. jugosl. Rep.) 1 Moldau 2 Montenegro 1 Polen 6 Rumänien 7 Serbien 4 Spanien 2 Tunesien 1 Türkei 2 Ungarn 1 Gesamt 51 a. Wegen welcher Delikte waren die Straftäter jeweils verurteilt? Lfd. Nr. Delikt 1 Räuberischer Diebstahl 2 Sonstiger Diebstahl in besonders schweren Fällen 3 Körperverletzung 4 Diebstahl 5 Vergehen gegen das BtMG 6 Gefährliche Körperverletzung 7 Diebstahl 8 Mord, unerlaubter Waffenbesitz 9 Wohnungseinbruchsdiebstahl 10 Raub 11 Wohnungseinbruchsdiebstahl 12 Vergehen gegen das BtMG 13 Verstoß gegen das BtMG 14 Räuberischer Diebstahl 15 Diebstahl 16 Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz 17 Diebstahl 18 Vergewaltigung 19 Wohnungseinbruchsdiebstahl 20 Verstoß gegen das BtMG Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13692 3 Lfd. Nr. Delikt 21 Körperverletzung mit Todesfolge 22 Anstiftung zum Mord 23 Vergewaltigung 24 Diebstahl in besonders schweren Fällen 25 Diebstahl 26 Diebstahl 27 Gefährliche Körperverletzung 28 Schwerer Raub 29 Diebstahl 30 Diebstahl 31 Wohnungseinbruchsdiebstahl 32 Diebstahl 33 Wohnungseinbruchsdiebstahl 34 Vergehen gegen das BtMG, Diebstahl mit Waffen 35 Gefährliche Körperverletzung 36 Versuchter Totschlag 37 *) 38 Sonstiger Diebstahl im besonders schweren Fall 39 Wohnungseinbruchsdiebstahl 40 Vergehen gegen das BtMG 41 Diebstahl 42 Schwerer Raub 43 Beleidigung, Diebstahl, Vergehen gegen das BtMG, versuchter Totschlag 44 Raub 45 Einbruchsdiebstahl 46 Gefährliche Körperverletzung 47 Verstoß gegen das BtMG 48 Raub 49 Gefährliche Körperverletzung 50 Erschleichen von Leistungen, Wohnungseinbruchsdiebstahl 51 Diebstahl *) Zu einer Person ist keine Angabe möglich, da sie aus einer auswärtigen Haftanstalt abgeschoben wurde. b. Wie viele von diesen wurden zur weiteren Strafverbüßung in deren Heimaltland überstellt, wie viele infolge Zeitablaufs des Zeitpunkts der vorzeitigen Haftentlassung des Verurteilten zur Bewährung oder aufgrund anderer Verfahrensnormen? Ein ausreisepflichtiger Strafgefangener, der aus der Haft abgeschoben wurde, kann nicht zur weiteren Strafverbüßung in sein Heimatland überstellt werden. Der Umstand der Abschiebung schließt in tatsächlicher Hinsicht eine Entlassung aus anderen Gründen aus. 2. Befindet sich der damals 44-jährige Gefangene, der am 1. Mai 2016 einen Bediensteten in der JVA Billwerder erheblich verletzte und dessen Strafende für August 2018 vorgesehen war, noch in Haft? a. Falls ja, hat sich am vorgesehenen Strafende aufgrund weiterer Verurteilungen etwas verändert? Das vorgesehene Strafende hat sich aufgrund einer weiteren Verurteilung zu einem Jahr und zwei Monaten wegen Körperverletzung entsprechend nach hinten verschoben . b. Falls nein, weshalb seit wann nicht mehr und wo befindet er sich jetzt? Entfällt. c. Konnten mittlerweile Identität geklärt und Heimreisedokumente beschafft werden? Drucksache 21/13692 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Falls nein, was wurde seit Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/4571 wann unternommen, um dies voranzutreiben? Eine für November 2017 geplante Sammelanhörung durch eine Delegation aus Senegal , für die der Betroffene vorgesehen war, musste vom Bundesministerium des Innern kurzfristig storniert werden. Auch eine für April 2018 vorgesehene Anhörung wurde kurzfristig storniert. Am 2. Juli 2018 fand eine Sammelanhörung in München statt, zu der der Betroffene vorgeführt wurde. Das Ergebnis wird derzeit abgewartet. 3. In den Drs. 21/4453, 21/4571 und 21/5149 wird auch der Fall eines abgelehnten Asylbewerbers, der am 1. April 2016 aus dem offenen Vollzug der JVA Hahnöfersand entlassen wurde und dessen Abschiebung ebenfalls an fehlenden Heimreisedokumenten scheiterte, geschildert. Es wird angegeben, dass die algerische Vertretung mit Schreiben vom 29. April 2016 gebeten wurde, ein Heimreisedokument auszustellen. Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Liegt zwischenzeitlich eine Antwort der algerischen Vertretung vor? a. Falls ja, – gegebenenfalls wann – wurde das Heimreisedokument ausgestellt? Die algerische Botschaft teilte mit Schreiben vom 28. November 2016 mit, dass der Betroffene den dortigen Behörden nicht bekannt sei. Am 8. Juni 2017 wurde der Betroffene dennoch bei der algerischen Botschaft vorgeführt. Mit Schreiben vom 19. Juni 2017 teilte die Botschaft erneut mit, dass der Betroffene nicht als algerischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte. Ein anschließendes Identifizierungsverfahren in Marokko verlief ebenfalls negativ. Mit Schreiben vom 29. November 2017 teilte auch das tunesische Konsulat mit, dass der Betroffene bei den dortigen Behörden unbekannt sei. b. Falls ja, ist eine Rückführung erfolgt? Falls nein, I. Weshalb nicht? Nein, siehe Antwort zu 3.a. II. Ist der Betroffene seit seiner Entlassung aus der JVA Hahnöfersand am 1. April 2016 polizeilich wieder in Erscheinung getreten? Falls ja, mit welchen Delikten und gegebenenfalls welchen strafrechtlichen Konsequenzen? Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Ein aktueller Auszug aus dem Bundeszentralregister liegt nicht vor, aus dem Vorgangserfassungs - und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft ergeben sich keine mitteilungsfähigen Verfahrensabschlüsse. Der Senat sieht davon ab, Angaben über laufende Ermittlungsverfahren zu machen, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Siehe im Übrigen Drs. 21/5149. III. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden zu seinem aktuellen Aufenthaltsort vor? Zu seinem aktuellen Aufenthaltsort liegen den zuständigen Behörden keine Erkenntnisse vor. Zu der Person wurde im November 2017 der Fortzug nach unbekannt gemeldet und die Ausschreibung zur Fahndung veranlasst. 4. Wie viele ausreisepflichtige Strafgefangene befanden beziehungsweise befinden sich seit dem 1. Januar 2018 im offenen Vollzug? Bitte nach Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13692 5 JVA Glasmoor, JVA Hahnöfersand und Außenstelle Bergedorf der Sozialtherapie getrennt darstellen. Justizvollzugsanstalt Anzahl Glasmoor 4 Hahnöfersand 0 Sozialtherapeutische Anstalt, Außenstelle Bergedorf 3 5. Wie viele ausreisepflichtige Strafgefangene konnten im ersten Halbjahr 2018 aus der Haft a. aus rechtlichen Gründen, b. aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden? Wie viele von diesen wurden gemäß § 57 Absatz 1 oder 2 Strafgesetzbuch bedingt aus der Haft entlassen? Bitte unter Angabe der Staatsangehörigkeit und der den Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten darstellen. Sofern die Voraussetzungen für eine Rückführung nicht vorliegen, wird keine Maßnahme geplant. Über nicht geplante Maßnahmen erfolgt keine statistische Erfassung. 6. Wenn eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, wird dem Gefangenen bei der Entlassung aufgegeben, sich unverzüglich bei der Ausländerbehörde zu melden (Drs. 21/4453). a. Wie und von wem wird überprüft, ob eine Meldung bei der Ausländerbehörde erfolgt? Bitte für Endstrafler und gemäß § 57 StGB bedingt Haftentlassene getrennt darstellen. Die Überprüfung erfolgt durch die zuständige Ausländerbehörde im Rahmen der regulären Sachbearbeitung. Die Vorgehensweise ist dabei für alle Meldeauflagen gleich. b. Welche Maßnahmen werden bei der Meldung des Betroffenen von der Ausländerbehörde ergriffen? Sofern die Ausreisepflicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht umgehend durchgesetzt werden kann, wird dem Betroffenen eine Duldung ausgestellt. Die Person wird auf ihre Ausreisepflicht hingewiesen und entsprechend über mögliche Unterstützung bei der Ausreise informiert. Darüber hinaus wird im Rahmen der weiteren Sachbearbeitung fortlaufend geprüft, ob die der Durchsetzung der Ausreisepflicht entgegenstehenden Gründe noch bestehen oder entfallen sind und eine Durchsetzung der Ausreisepflicht möglich ist. Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht , zum Beispiel für die Erlangung von Passersatzpapieren, werden entsprechend weiter verfolgt.