BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13694 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: BeOS – Begleitung von Opfern an Schulen Der Opferschutz resultiert als Konsequenz aus der verstärkten Fokussierung auf die Opferperspektive. Er dient dem Schutz des Opfers und der Vertretung seiner Interessen und Rechte ebenso wie der Prävention von potenzieller Opferwerdung. Die bisherige Unterstützung von Opfern an Hamburger Schulen durch schulische Fachkräfte, ReBBZ-Fachkräfte, BBZ-Fachkräfte oder BZBS-Fachkräfte erfolgte nicht durch standardisierte fachliche Verfahren beziehungsweise wurde nicht durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt. Seit 2012 bietet die Stadt Hamburg die Qualifizierung BeOS „Begleitung von Opfern in Schulen“ an. Diese wurde im Schuljahr 2017/2018 durch die vertiefenden Aspekte zum Kinderschutz erweitert. BeOS-Fachkräfte (Schule, ReBBZ, BZBS, BBZ), GiK-Fachkräfte, Kinderschutz- und Gewaltmoderatoren (jeweils nur ReBBZ), schulische Kinderschutzfachkräfte und die Fachkräfte der schulischen Beratungsdienste sind alle beratend oder in der schulischen Einzelhilfe tätig, ihre Kompetenzen ergänzen sich. Die Kooperation im Team ist fachlich erforderlich. Die fachlichen Schwerpunkte aller Kollegen unterscheiden sich, ermöglichen dadurch eine umfassende Hilfestellung in der Einzelhilfe beziehungsweise im System Schule. Körperliche Auseinandersetzungen, Gewalthandlungen, Ausgrenzungsprozesse und Mobbing unter Schülerinnen und Schülern werden an Hamburger Schulen seit vielen Jahren von allen Beteiligten beobachtet. Bei dem Thema Gewalt an Schulen wird nicht selten zunächst an die Täter beziehungsweise Tatverdächtigen gedacht. Aus diesem Grund steht nun die Analyse der schulischen Gewaltmeldungen wie auch Fallanalysen einzelner Kinder/Jugendlicher , deren physische oder psychische Verletzungen dramatisch waren. Im Ergebnis wurde das Qualifizierungskonzept „Begleitung von Opfern in Schulen “ (BeOS), das im Februar 2013 mit 24 Teilnehmer/-innen startete. Die Nachhaltigkeit dieser Qualifizierung in Schulen soll darüber erreicht werden, dass die qualifizierten Fachkräfte mit der Schulleitung, im Kollegium, mit Schülern/-innen und Eltern über standortspezifische Verbesserungen, Projekte und Maßnahmen nachdenken und angemessene Angebote in die Tat umsetzen. Für die Umsetzung der Maßnahme werden Fachkräfte der Beratungsdienste Hamburger Stadtteilschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen, Fachkräfte der regionalen Beratungs- und Bildungszentren (ReBBZ) Abteilung Beratung , Fachkräfte des Beratungs- und Unterstützungszentrums Berufliche Schulen (BZBS) sowie Fachkräfte des Bildungs- und Beratungszentrums Pädagogik bei Krankheit/Autismus (BBZ) ausgewählt. Die Fortbildungsmodule und Supervisionsangebote basieren auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Traumatologie, der Notfallpsychologie, der Notfallseelsorge, der Kriminologie und der systemischen Supervision. Die professionelle Arbeit der Drucksache 21/13694 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Krisenintervention wird ebenso berücksichtigt wie die therapeutischen Aspekte der Opferbegleitung. Die Fortbildung vermittelt Kompetenzen im Bereich der Gesprächsführung und im Umgang mit schulischen Opfern. Dazu gehören das Erfassen frühzeitiger Anzeichen und Signale einer Traumatisierung, das Vermitteln betroffener junger Menschen an entsprechende Fachstellen und Institutionen, das Anbieten konstruktiver Wege der Konfliktbewältigung, um den Opfern so eine möglichst unbeschwerte Rückkehr in den Schulalltag zu ermöglichen. Die BeOS-Fachkräfte können die Schulleitung/Leitungen beraten und unterstützen . Sie informieren die schulischen Leitungskräfte über die Unterstützungsmöglichkeiten im Einzelfall sowie für das System Schule (Einzelhilfe, Fortbildung, Prävention, schulisches Krisenteam, Vernetzung und Kooperation mit Fachberatungsstellen). Die schulischen BeOS-Fachkräfte unterstützen in ihrer Rolle die Kollegen bei speziellen Fragen zum Opferschutz und in deren Fallverständnis und entwickeln gemeinsam eine Handlungskette. Bei Fragen zum Kinderschutz unterstützen die schulischen BeOS-Fachkräfte die Kollegen zur Entwicklung eines abgestimmten, zielgerichteten Handelns. Empfohlen wird, dass die BeOS-Fachkraft Mitglied des schulinternen Krisenteams ist. Die BeOS-Fachkräfte der ReBBZ unterstützen ebenso ihre Kollegen innerhalb der ReBBZ, unterstützen gegebenenfalls die Fachkräfte der Schulen in ihrer regionalen Zuständigkeit oder halten schulische Informationsveranstaltungen ab. Die BeOS-Fachkräfte der ReBBZ, des BZBS und des BBZ erarbeiten nach Möglichkeit eine Übersicht über das zur Verfügung stehende Beratungssystem der Region. Sie nehmen Kontakt zu den fachlichen Ansprechpersonen auf und vereinbaren Austauschtreffen. Die schulischen BeOS-Fachkräfte erhalten diese Übersicht für die Erledigung ihrer beratenden Aufgaben. Die qualifizierten BeOS-Fachkräfte treffen sich nach Abschluss der Qualifizierungsmaßnahme regelmäßig zu Informations- und Austauschtreffen, um sich bei allen Aufgaben und Fragestellungen gegenseitig beraten, professionalisieren und unterstützen zu können. Die Informations - und Austauschtreffen werden gemeinsam über die Beratungsstelle Gewaltprävention und die ReBBZ-Aufsicht organisiert. Ergänzende Fortbildungen werden gemeinsam ermittelt und im Rahmen der Veranstaltungen kontinuierlich umgesetzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Ausgangslage hat zur Entwicklung von BeOS geführt? Waren womöglich konkrete Ereignisse ursächlich? Bis 2012 erfolgte die Unterstützung von Opfern an Hamburger Schulen nicht durch standardisierte fachliche Verfahren beziehungsweise wurde nicht durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt. Deshalb entwickelte die Beratungsstelle Gewaltprävention der für Bildung zuständigen Behörde das Konzept „Begleitung von Opfern in Schulen“ (BeOS), welches im Februar 2013 mit 24 Teilnehmenden startete. 2. Welche Aspekte zum Kinderschutz wurden im Schuljahr 2017/2018 vertieft ? Im Bereich Kinderschutzkonzept an Schulen wurden in den verschiedenen Modulen der Schutzauftrag und das Verfahren bezüglich einer Gefährdungseinschätzung gemäß Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), die rechtlichen Aspekte und die Definition zur Kindeswohlgefährdung dargestellt. In der Folge wurden der Handlungsleitfaden „Kinderschutz in Schulen“ vorgestellt, Methoden bezüglich einer Risikoanalyse in Schulen bearbeitet (Bestandaufnahme) und zum Thema „Schwieriges zur Sprache bringen – was hilft, mit Eltern in Kontakt zu kommen?“ gearbeitet. Im Modul Sexualisierte Gewalt – Basiswissen wurden Handlungsleitlinien bei Vorfällen sexualisierter Gewalt vorgestellt und zur Gesprächsführung (Betroffenenberatung) gearbeitet. Behandelt wurden auch die Themen kindliche Sexualität sowie Definitionen zum sexuellen Missbrauch und zu sexuellen Übergriffen beziehungsweise Grenzverletzungen . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13694 3 Im Bereich Gestaltung von Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe wurde die Rolle der Kinderschutzkoordinatorin beziehungsweise des Kinderschutzkoordinators in den bezirklichen Jugendämtern erörtert. Außerdem wurde das Thema „Kinder alkoholabhängiger Eltern“ angesprochen. Ein Modul beinhaltete Fragestellungen zur Kindeswohlgefährdung und zum Kinderschutz aus medizinischer Sicht. 3. Wie viele BeOS-Fachkräfte aus folgenden Bereichen stehen gegenwärtig zur Verfügung? a) Schule b) ReBBZ c) BZBS d) BBZ Nach Kenntnisstand der Beratungsstelle Gewaltprävention stehen gegenwärtig 78 BeOS-Fachkräfte in den unterschiedlichen Einrichtungen der für Bildung zuständigen Behörde zur Verfügung: Zu a) 53 Fachkräfte arbeiten in Hamburger Stadtteilschulen, Gymnasien oder Beruflichen Schulen. Zu b) 22 Fachkräfte sind in den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) tätig. Zu c) Eine Fachkraft arbeitet im Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS). Zu d) Zwei Fachkräfte sind im Bildungs- und Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit/Autismus (BBZ) tätig. 4. Welche Ausbildung haben diese Leute? Die Fachkräfte bringen unterschiedliche Ausbildungen und Berufserfahrungen in den Tätigkeitsfeldern ihrer Einsatzbereiche mit. Es handelt sich um Sonderschulpädagoginnen und -pädagogen, Psychologinnen und Psychologen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Lehrerinnen und Lehrer verschiedener Lehrämter mit Zusatzausbildungen wie zum Beispiel der Beratungslehrerausbildung. 5. Wie viele Kinderschutz- und Gewaltmoderatoren sind gegenwärtig im BeOS aktiv? Die jeweiligen Vor-Qualifizierungen der Fachkräfte werden im Rahmen der BeOS- Qualifizierung nicht erfasst. 6. Wie viele schulische Kinderschutzfachkräfte und Fachkräfte der schulischen Beratungsdienste sind gegenwärtig im BeOS aktiv? Schulische Kinderschutzfachkräfte werden für die Arbeit in den Grundschulen qualifiziert und sind nicht als BeOS-Fachkräfte aktiv. Die schulischen BeOS-Fachkräfte arbeiten in den weiterführenden Schulen, siehe Antwort zu 3. 7. Wie viele Teilnehmer hat das BeOS momentan? Am Qualifizierungskurs im Schuljahr 2017/2018 haben 20 Fachkräfte teilgenommen. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler wird statistisch nicht erfasst. 8. Was haben diese Schüler für Erfahrungen gemacht? Bitte anhand ausgewählter Beispiele illustrieren. Im Rahmen der jährlichen Befragung von BeOS-Fachkräften konnten die folgenden Schwerpunkte der Beratungstätigkeit ermittelt werden: Mobbing/Cybermobbing, Gewaltvorfälle an Schulen, Symptome der Traumatisierung, selbstverletzendes Verhalten , Verdacht auf Kindeswohlgefährdungen, Hinweise auf häusliche Gewalt und sexualisierte Gewalt. Daraus kann geschlossen werden, dass die BeOS-Fachkräfte unmittelbar und mittelbar Betroffene von Gewalthandlungen unterstützen und beraten. 9. Wie viele Fachkräfte aus den folgenden Stellen sind gegenwärtig in das BeOS involviert? Drucksache 21/13694 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a) Beratungsdienste Hamburger Stadtteilschulen Gymnasien und Beruflichen Schulen b) Regionale Beratungs- und Bildungszentren (ReBBZ) Abteilung Beratung c) Beratungs- und Unterstützungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) d) Bildungs- und Beratungszentrums Pädagogik bei Krankheit/Autismus (BBZ) Siehe Antwort zu 3. 10. Welche Schulen werden seit Beginn der Maßnahme von BeOS-Fachkräften beraten? Die qualifizierten BeOS-Fachkräfte der ReBBZ beraten sämtliche Schulen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Die schulischen BeOS-Fachkräfte haben sich im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahme gegen eine Veröffentlichung ihrer Schulstandorte ausgesprochen . Innerhalb der Schulen sind sie bekannt und sind in die jeweiligen schulinternen Beratungsprozesse integriert (Handlungs- und Interventionsketten). 11. Wie viele ergänzende Fortbildungen haben bislang mit welchen Schwerpunkten stattgefunden? In den letzten Jahren haben insgesamt sechs ergänzende Fortbildungen mit den folgenden Schwerpunkten stattgefunden: „Kontakt und Konflikt zu Eltern bei vermuteter Kindeswohlgefährdung“ „Abschied, Trauer, Verlust – im schulischen Kontext“ „MuT-Gruppen – ist eine Hilfe nach SGB VIII/§ 29, Soziale Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen, die von Mobbing betroffen sind“ „Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung im Kontext Schule“ (doppelte Durchführung) „Suizidprävention anhand des Projektes (U25)“ 12. Wie viel Geld steht der BeOS jährlich zur Verfügung? Pro Schuljahr werden für externe Honorarkräfte, die im Rahmen der BeOS-Qualifizierung Inhalte referieren, insgesamt 5.000 Euro an Honorarmitteln veranschlagt.