BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13695 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Lässige Ladies, Koole Kerle und Salam-Training Die Projekte Lässige Ladies, Koole Kerle und Salam-Training sind Angebote des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ aus dem Bereich Stärkung der Verbindlichkeit erzieherischer Maßnahmen. Dabei handelt es sich dabei um bewegungs- und handlungsorientierte Kompaktworkshops, die geschlechtsspezifisch ausgerichtet sind. Ein Trainingskurs umfasst fünf Termine zweistündiger Dauer für eine Gruppe von circa sechs gewaltbereiten Mädchen oder Jungen im Alter von zwölf bis 18 Jahren und kann als schulisches Angebot, zum Beispiel im Rahmen des Wahlpflichtbereichs, installiert werden. Die Mädchen und Jungen üben alternative Handlungsstrategien ein, die es ihnen in Zukunft ermöglichen sollen, in Konfliktsituationen „lässiger“ beziehungsweise „cooler“ zu reagieren. Die Nachhaltigkeit dieser Maßnahme wird durch die Einbindung von Trainingseinhalten in den Unterricht und eine verbindliche Teilnahme an einer zentralen Fortbildungsveranstaltung von Lehrkräften und Sozialpädagogen gesichert. Das Salam-Training richtet sich indes an Jugendliche mit Fluchterfahrungen zwischen 14 und 18 Jahren, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind und gewaltbereites, delinquentes beziehungsweise hochdelinquentes Verhalten zeigen. Das Salam-Training kann Schulen bei der Integration dieser Jugendlichen unterstützen, wobei folgende Ziele im Mittelpunkt stehen Ziele: Erlernen von neuen, gewaltfreien und prosozialen Verhaltensweisen, Förderung von sozialen Kompetenzen, Steigerung der Motivation, sich auf Angebote einzulassen, Zunahme der Integration. Das Salam-Training orientiert sich in der Durchführung an den Abläufen der Koole-Kerle- und Lässige-Ladies- Trainings und wird zusätzlich durch geschulte Dolmetscher begleitet. Es stellt die interkulturelle Weiterentwicklung der beiden Trainingsprogramme dar. Wie bei Koole Kerle und Lässige Ladies nehmen die Ansprechpartner der Schulen an einer der beiden begleitenden Multiplikatorenfortbildungen teil, die zentral über die Beratungsstelle Gewaltprävention durchgeführt werden. Die Beratungsstelle Gewaltprävention berät beim schulischen Einbindungsprozess . Die Unterstützung bei schwierigen Einzelfällen erfolgt darüber hinaus durch enge Kooperation zwischen der Beratungsstelle Gewaltprävention und dem durchführenden Jugendhilfeträger Nordlicht e.V. Ziele dieser Maßnahmen sind, die Schulen im Umgang mit gewaltbereiten Schülern professionell zu unterstützen und die pädagogischen Kompetenzen der Fachkräfte vor Ort zu erweitern. Die Teilnahme an diesem Angebot setzt somit die Bereitschaft zur nachhaltigen Einbindung der Trainingsinhalte in den Schulalltag voraus. Das Hauptziel des Schülerinnen- und Schülertrainings: Wecken einer intrinsischen Motivation, das eigene gewalttätige Verhalten zu verändern. Darüber hinaus geht es darum, dass die Teilnehmenden erkennen, dass es umsetz- Drucksache 21/13695 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 bare Handlungsalternativen zum jetzigen Konfliktverhalten gibt. Die Teilnehmenden erfahren Achtung ihrer Person durch die Trainer. Auch sollen sie die Nachteile gewalttätiger Konfliktlösungen erkennen. Zudem erkennen und reflektieren sie Körpersprache und erfahren einen Erkenntnisgewinn über mögliche Hilfen für die eigene Lebenslage. Die Ziele der Lehrerfortbildung sowie des optionalen Trainings in konfrontativer Gesprächsführung für Lehrkräfte und Sozialpädagogen bestehen in einer Steigerung der Nachhaltigkeit von Lässige Ladies und Koole Kerle durch die Einbindung von Trainingsinhalten in den Unterricht. Auch werden eine Verringerung von Etikettierungen der Jugendlichen durch positive Verstärkung (Labeln) sowie eine Erweiterung der pädagogischen Kompetenzen angestrebt. Für Umsetzung und Nachhaltigkeit müssen Schulen, die sich für dieses Projekt bewerben, folgende Rahmenbedingungen erfüllen: einen Ansprechpartner als Kontaktperson der Schule benennen. Bindend für die Anmeldung ist die Teilnahme von jeweils zwei Fachkräften aus der Schule an einer ganztägigen Fortbildung an einem Samstag von 9 – 17 Uhr. Hier werden das Konzept , die Inhalte und die Einbindung der Module in den Unterricht vorgestellt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Handlungskonzept „Handeln gegen Jugendgewalt“ (Drs. 18/7296, Drs. 19/8174, Drs. 20/5972) setzt bei seinen Bemühungen unter anderem auf die Ausweitung und flächendeckende Umsetzung von Anti-Gewalt-Trainings in der Schule. Schulen erhalten fachliche und rechtliche Hinweise, Qualifizierungsangebote für Fachkräfte sowie eine Auswahl an Trainingskursen für Kinder und Jugendliche, um die Verbindlichkeit erzieherischer Maßnahmen zu stärken. Besonderes Ziel ist die verbindliche Zuweisung gewaltauffälliger Schülerinnen und Schüler gemäß § 49 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) in entsprechende von der Schule vorgehaltene Trainingskurse. Das oben beschriebene Angebot „Lässige Ladies, Koole Kerle und Salam-Training“ gehört zu diesen Maßnahmen. Insgesamt konnten seit 2008 zu diesem Programm 21 Fortbildungen mit 204 teilnehmenden Fachkräften und circa 84 Trainingskurse für circa 562 Schülerinnen und Schüler durchgeführt werden. Im Schuljahr 2016/2017 haben insgesamt neun Trainingskurse („Koole Kerle“, „Lässige Ladies“, „Salam-Training“) mit 60 Schülerinnen und Schülern stattgefunden. Im Schuljahr 2017/2018 konnten drei weitere Trainings mit 22 Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie sehen die zu erarbeitenden Handlungsstrategien zur besseren Bewältigung von Konfliktsituationen aus? Konzeptionell versucht das Trainingsangebot die folgenden Ziele durch Übungen mit den Jugendlichen zu erarbeiten beziehungsweise zu erreichen: Die Teilnehmenden erkennen, dass es umsetzbare Handlungsalternativen zum jetzigen Konfliktverhalten gibt, sollen die Nachteile gewalttätiger Konfliktlösungen erkennen, erkennen und reflektieren Körpersprache, erfahren einen Erkenntnisgewinn über mögliche Hilfen für die eigene Lebenslage. 2. Wie stellen sich mögliche Konfliktsituationen dar, auf die hier Bezug genommen wird? Bitte exemplarisch darstellen. Vor dem Training findet ein Austausch zwischen den schulischen Fachkräften und den Trainerinnen und Trainern statt, bei dem die Problemlagen, Vorfälle und Konfliktsituationen besprochen werden. Das beinhaltet den biographischen Hintergrund, konkrete Konflikte und Vorfälle in der Klasse oder ein gewalttätiges Fehlverhalten auf dem Schulgelände. Auch während der Trainingsintervalle (insgesamt fünf Termine) werden Rückmeldungen zum Verhalten während der Schulzeit an die Trainerinnen und Trainer weitergegeben. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13695 3 3. Was ist mit „Fluchterfahrungen“ gemeint? Das „Salam-Training“ richtet sich an weiterführende Schulen und berufliche Schulen, an denen Klassen zur Alphabetisierung (Basis- und Alphaklassen) und zur Vorbereitung auf den Unterricht in Regelklassen (Internationale Vorbereitungsklassen, IVK) eingerichtet wurden. Die Schülerinnen und Schüler dieser Klassen und der Trainingskurse sind in der Regel erst in letzter Zeit nach Deutschland eingereist, viele von ihnen als unbegleitete minderjährige Ausländer (umA). 4. Fällt unter „Fluchterfahrungen“ auch eine Wirtschaftsmigration nach Deutschland? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. Alleinige Voraussetzung für die Aufnahme in einer Schule ist das Vorliegen der Schulpflicht gemäß §§ 37 fortfolgende HmbSG. 5. Wie viele Fälle der folgenden Fälle, die im Rahmen des Salam-Trainings behandelt worden sind, hat es wann in Hamburg gegeben? Bitte jeweils den zugrunde liegenden Sachverhalt nennen. a) Gewaltbereites Verhalten eines Geflüchteten b) Delinquentes Verhalten eines Geflüchteten c) Hochdelinquentes Verhalten eines Geflüchteten Das Salam-Training hat insgesamt (seit 2015) zweimal mit jeweils acht Schülerinnen und Schülern stattgefunden. Die Schulen entscheiden über die Auswahl und Teilnahme der Schülerinnen und Schüler am „Salam-Training“. Anlass und Hintergründe werden zwischen den Lehrkräften und den Trainerinnen und Trainern des „Salam- Trainings“ in Vorgesprächen erörtert, aber nicht an die Beratungsstelle Gewaltprävention weitergegeben. 6. Was ist unter prosozialen Verhaltensweisen zu verstehen und wie können diese zur Konfliktbewältigung beitragen? Die Förderung von sozialen Kompetenzen und das Erlernen von gewaltfreien Verhaltensweisen im Umgang miteinander werden hier als Förderung eines prosozialen Verhaltens verstanden. Das „Salam-Training“ ist ein handlungs- und bewegungsorientierter Kompaktkurs mit sich abwechselnden Inhalten von knappen Theorieanteilen und praktischen Handlungs - beziehungsweise Trainingssequenzen. Das Training besteht aus fünf Modulen mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten: Kennenlernen, Erörtern biographischer und kultureller Aspekte, Regelvereinbarungen, Sinnhaftigkeit von Regeln, Konsequenzen bei Regelverstößen, Körpersprache und Körperwahrnehmung, Kickboxen, Thaikido, Selbstbewusstsein, Einstellung zu Gewalt, gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien. 7. Wie viele Dolmetscher für welche Sprachen arbeiten derzeit am Salam- Training mit? Die zwei Durchführungen des Salam-Trainings seit 2015 erfolgten in Kooperation mit arabischsprachigen Dolmetschern. 8. Wie viele schwierige Einzelfälle hat es seit dem Beginn des Salam- Trainings gegeben? Bitte jeweils den zugrunde liegenden Sachverhalt sowie die ergriffenen Maßnahmen nennen. 9. Aus welchen Staaten stammt das Klientel des Salam-Trainings gegenwärtig ? Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 10. Wie bewertet der Senat die evidenten Erfolge des Salam-Trainings? Die jeweilige Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Schulen und dem Träger verlief sehr positiv (Termine, Absprachen, Empfehlungen). Eine valide quantitative Aus- Drucksache 21/13695 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 wertung des Erfolgs auf der Verhaltensebene der Schüler ist bei der geringen Anzahl von Teilnehmenden nicht möglich. Qualitativ kam es zu positiven Rückmeldungen: alle Jugendlichen wollten das Training fortsetzen; einige Jugendliche konnten deshalb in ergänzende Hilfen integriert werden (Jugendhilfe-Maßnahmen). Die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler reflektiert nach dem Training ihr Verhalten gegenüber anderen Personen besser. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.