BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13697 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Gymnasium kauft Burkinis für muslimische Schülerinnen Am 12. Juni 2017 berichtete „Die Bild“ darüber, dass das Pestalozzi- Gymnasium in Herne in besonderer Weise auf die Bedürfnisse muslimischer Schülerinnen reagiert habe. Da es Frauen und Mädchen gemäß dem Islam verboten ist, sich vor Angehörigen des männlichen Geschlechts zu entblößen , hat die Schulleitung insgesamt 20 „Burkinis“1 im Wert von 400 Euro angeschafft. Da auch Muslime gesetzlich zur Teilnahme am Schwimmunterricht verpflichtet sind, ist diese Maßnahme scharf kritisiert worden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht sowie die Teilnahme an Klassenfahrten unterliegen den Bestimmungen zur Schulpflicht nach § 37 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG). Eine Befreiung von der Teilnahme an Klassenfahrten aus religiösen Gründen ist nicht möglich und nicht zulässig. Der Sportunterricht bietet den Schülerinnen und Schülern vielfältige Möglichkeiten, Freude an der Bewegung zu fördern beziehungsweise zu erhalten, neue Bewegungserfahrungen zu sammeln, ihre Bewegungskompetenzen zu erweitern und unterstützt ihre Persönlichkeitsentwicklung. Einen festen Bestandteil des Sportunterrichts stellt der Schwimmunterricht dar, dem über das Genannte hinaus eine lebensrettende Funktion zukommt. Somit kommt gerade in Hamburg als Stadt mit großen Wasserflächen der erfolgreichen Teilnahme am Schwimmunterricht eine erhebliche Bedeutung zu, die Art der Schwimmbekleidung und wer sie beschafft hat, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Klassenfahrten fördern den Gruppenzusammenhalt, ermöglichen das Lernen in einem außerschulischen Umfeld und stärken die sozialen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern. Um die Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht sowie an Klassenfahrten sicherzustellen , führen die Schulen zunächst Gespräche mit den Sorgeberechtigten, um mögliche Bedenken und Befürchtungen auszuräumen und verfolgen dann im Bedarfsfall die Erfüllung der Schulpflicht nach der geltenden Richtlinie für Schulpflichtverletzungen . Im Hinblick auf zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen, wie zum Beispiel den Kauf von Burkinis, handeln die Schulen eigenverantwortlich. Der Schulaufsicht sind weder Fälle noch Beschwerden über den Kauf von Burkinis bekannt. 1 Gemeint ist ein Badeanzug, bei dem Extremitäten sowie Kopf, Rücken und Brust verdeckt sind. Drucksache 21/13697 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Schule nimmt nach Möglichkeit Rücksicht auf religiöse Haltungen der Schülerinnen und Schüler, zum Beispiel durch Einhaltung von Speisevorschriften und getrennte Unterbringung von Jungen und Mädchen auf Schulfahrten oder durch entsprechende Bekleidung beim Schwimmen. Darüber hinaus berät das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) pädagogisches Personal an Hamburger Schulen zu interkulturellen und religiösen Fragen. In der Regel handelt es sich um komplexe Anliegen, in denen Schwimmunterricht ein Teilaspekt ist. Spezifische Anfragen zur Anschaffung von Burkinis sind am LI nicht zu verzeichnen. In diesen Beratungen werden schulische Fachkräfte darauf hingewiesen, dass die Teilnahme am Schwimmunterricht Pflicht ist. Lehrkräfte werden darin gestärkt, den Sorgeberechtigten die Relevanz dieser Maßnahme, ihre lebensrettende Funktion und den gesundheitlichen Aspekt zu verdeutlichen. Dabei wird oft auf die Broschüre verwiesen „Vielfalt in der Schule – Religiöse Fragen in der Schule, Sport- und Schwimmunterricht , Sexualerziehung, Schulfahrten“, 7. aktualisierte Auflage für Pädagogisches Personal (siehe http://li.hamburg.de/publikationen/publikationen/2819050/ interkulturelle-erziehung). Darüber hinaus können Lehrkräfte und Schulleitung auf die Expertise der Lehrkräfte zurückgreifen, die an der „Qualifizierung zur Interkulturellen Koordination“ teilgenommen haben. Diese Qualifizierung wird von der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) am LI angeboten (siehe http://li.hamburg.de/iko/). Für eine gute Kommunikation mit den Eltern werden ebenfalls von der BIE Sprachund Kulturmittlerinnen und -mittler qualifiziert und vermittelt. Des Weiteren wird als Ratgeber und Orientierungsquelle die Handreichung für Eltern in acht verschiedenen Sprachen „Elternratgeber: Vielfalt in der Schule“ empfohlen (siehe http://li.hamburg.de/publikationen/2994684/vielfalt-elterninfos/). Im Übrigen siehe Drs. 21/4507. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Fälle sind dem Senat bekannt, in denen muslimische Schüler die Teilnahme am Schwimmunterricht aus religiösen Gründen verweigert haben? 2. Wie haben die zuständigen Lehrer und Schulleitungen jeweils reagiert? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/3668. 3. Gibt es Vorgaben für Lehrer, auf derartige Verweigerungen durch muslimische Schüler zu reagieren? Falls ja, wie sehen diese aus? Siehe Vorbemerkung. 4. In wie vielen Fällen hat die Schulleitung in der Vergangenheit der Verweigerung des Schwimmunterrichts durch muslimische Schüler nachgegeben ? 5. In wie vielen Fällen wurde die gesetzliche Teilnahmepflicht gegen den Willen muslimischer Schüler durchgesetzt? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/3668. 6. Ist dem Senat bekannt, ob beziehungsweise inwieweit der Burkini von muslimischen Schülern während des Schwimmunterrichts getragen wird? Einzelheiten sind dem Senat nicht bekannt und konnten in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. 7. Hat es in Hamburg bereits Fälle wie denjenigen aus Herne gegeben, bei denen eine Schule die Anschaffung von Kleidungsstücken übernommen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13697 3 hat, die den religiösen Bedürfnissen muslimischer Schüler Rechnung tragen? Falls ja, wird darum gebeten, diese näher zu beschreiben. 8. In welchem Rahmen darf eine Schule darüber verfügen, ob beziehungsweise inwieweit sie unterrichtsrelevante Kleidungsstücke für ihre Schüler anschafft? Siehe Vorbemerkung. 9. In wie vielen Fällen haben muslimische Schüler bislang die Teilnahme an Klassenfahrten verweigert und wie haben die zuständigen Lehrer und Schulleitungen jeweils reagiert? Sorgeberechtigte können gemäß § 28 Absatz 3 HmbSG Anträge auf temporäre Befreiung vom Unterricht oder von einzelnen schulischen Veranstaltungen stellen. Sind diese Anträge religiös motiviert, darf eine Befreiung nur dann gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Schülerinnen und Schüler an einem hohen religiösen Feiertag an einem Gottesdienst teilnehmen. Die Liste dieser Feiertage wird jährlich durch die zuständige Behörde veröffentlicht. In allen anderen Fällen ist eine Befreiung vom Unterricht nicht zulässig. Eine statistische Erfassung der Anträge auf Befreiung vom Schulunterricht erfolgt nicht. 10. In wie vielen Fällen haben muslimische Schüler bislang die Teilnahme am Sportunterricht verweigert und wie haben die zuständigen Lehrer und Schulleitungen jeweils reagiert? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 9.