BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13699 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: „Cool in School“ – Eine Maßnahme zum Umgang mit gewalttätigen Schülern Gewalttätige Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen sind ein Phänomen, das viele Schulen kennen. Wie sich derartige Fälle im Einzelnen darstellen, sei an folgendem Beispiel illustriert: Der vierzehnjährige Abdul steht plötzlich während des Unterrichts auf und schlägt einer Mitschülerin eine blutige Nase, weil sie sich in der Pause den Anordnungen seiner „Bodyguards “ widersetzt hat. Vier Wochen später würgt einer dieser Bodyguards auf Befehl von Abdul aus ähnlichen Beweggründen einen anderen Mitschüler fast bis zur Bewusstlosigkeit. Für Pädagogen sind gewalttätige Schüler eine wachsende Problemgruppe. Oft „schmeißen“ sie ganze Stunden und fallen durch delinquentes Verhalten auf dem Schulhof sowie in der Freizeit auf. In ihrem Erleben macht sie Gewalt stark und unangreifbar. In der Auseinandersetzung mit ihren Taten sind sie Meister im Rechtfertigen und Verharmlosen von Gewalt. Gleichzeitig haben sie Probleme und Schwierigkeiten, bei deren Bewältigung sie Hilfe benötigen. Typische Neutralisierungstechniken sind: die Ablehnung von Verantwortung („Es war nicht so gemeint…“), die Umdeutung und/oder Verneinung des Unrechts („Der hat mich so blöd angeguckt …“), die Bagatellisierung des Ablaufs und/oder der Folgen („Geohrfeigt, aber nicht geschlagen…“), die Verdammung der Verdammten („Meine schlechte Kindheit…“), die Berufung auf höhere Instanzen und Werte („Im Namen der Familienehre oder Clique…“). Der Maßnahmenkatalog für jugendliche Gewalttäter in Deutschland ist vielfältig , nur bleibt sie meist losgelöst vom schulischen Kontext. Das bundesweit wachsende Fortbildungsangebot für Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte im Bereich der Gewaltprävention signalisiert den Unterstützungsbedarf und die Suche nach geeigneten Konzepten im Umgang mit gewaltauffälligen Schülern. Bei der praktischen Umsetzung dieser Angebote wird immer wieder deutlich, dass sie nur wirksam bestehen können, wenn sie für alle an der Schule Beteiligten transparent sind und getragen werden. Seit 2008 gibt es das Programm Cool in School. Das schulische Anti-Gewalt- Training richtet sich an Schüler oder Schülerinnen, die im schulischen Kontext gewaltauffällig sind. Das Angebot wird in den Schulen so installieret, dass es sich mit dem Schulalltag und dem Kollegium eng verzahnt und im Weiteren neben einer primären Motivation auch sekundär im Rahmen einer Klassenkonferenz als „Bewährungsauflage“ für den weiteren Schulbesuch formuliert werden kann. Die Maßnahme Cool in School wird im Rahmen des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ durchgeführt. Die Beratungsstelle Gewaltprävention bietet jedes Jahr die berufsbegleitende Zusatzqualifizierung für Fachkräfte aus Schule, ReBBZ und Jugendhilfe zum Cool-in-School-Trainer Drucksache 21/13699 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 und zur Trainerin an. Der Ausbildungsumfang beträgt 100 Stunden. Ziel dieser Ausbildung ist die eigenständige Anleitung und systematische Umsetzung von Anti-Gewalt-Trainings im schulischen Kontext. Weiterhin sollen die Schulen im Rahmen dieser Maßnahme im Umgang mit gewaltauffälligen Schülerinnen und Schülern professionell qualifiziert und auf lange Sicht hin selbständig handlungsfähig gemacht werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wann wurde die Maßnahme „Cool in School“ ins Leben gerufen? Die erste Konzeption des Trainings entstand 2008, die erste Qualifizierung von schulischen Fachkräften erfolgte im Schuljahr 2008/2009. 2. In wie vielen Fällen hat die Maßnahme bislang Anwendung gefunden? Seit 2008 hat die Beratungsstelle Gewaltprävention der für Bildung zuständigen Behörde acht Qualifizierungskurse durchgeführt. Insgesamt wurden zwischen 2008 und 2017 181 Trainings mit 1.209 Schülerinnen und Schülern umgesetzt (Stichtag 31.07.2017). Die Auswertung für das Schuljahr 2017/2018 ist noch nicht abgeschlossen. 3. Wie viele Stellen stehen zur Umsetzung der Maßnahme gegenwärtig zur Verfügung? Die Beratungsstelle Gewaltprävention hat im Zuge der Umsetzung des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ (Drs. 18/7296, Drs. 19/8174, Drs. 20/5972) eine Stelle für die Entwicklung, Durchführung und Koordination von sozialen Trainingskursen und Anti-Gewalt-Trainings erhalten. 4. Um was für Stellen handelt es sich dabei? Bitte auch die Anzahl der Wochenstunden sowie die Vergütung nennen. Es handelt sich um eine Vollzeitstelle eines Tarifbeschäftigten (E13). 5. Wie viele Personen haben 2017 an der berufsbegleitenden Zusatzqualifizierung teilgenommen? 6. Wie viele dieser Personen sind daraufhin zu Cool-Trainern ausgebildet worden? Bitte anhand der Zugehörigkeit zu folgenden Arbeitgebern antworten : a) Schule, b) ReBBZ, c) Jugendhilfe. Insgesamt konnten seit 2008 115 Trainerinnen und Trainer aus den folgenden Institutionen qualifiziert werden (nur wenige Fachkräfte (circa fünf Personen) begannen die Qualifizierungsmaßnahme, konnten diese aber aus unterschiedlichen Gründen nicht abschließen): 80 Fachkräfte in Schulen und Bildungsabteilungen der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) zwölf Fachkräfte in den ReBBZ-Beratungsabteilungen und der Beratungsstelle Gewaltprävention 23 Fachkräfte aus Einrichtungen der Jugendhilfe Die Auswertung für das Schuljahr 2017/2018 ist noch nicht abgeschlossen. 7. Welches sind die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der berufsbegleitenden Zusatzqualifikation? Die Beratungsstelle Gewaltprävention erstellt jährlich einen mit dem Gesamtpersonalrat der für Bildung zuständigen Behörde und der Schulaufsicht für allgemeinbildende Schulen abgestimmten Ausschreibungstext, der an die Schulleitungen der weiterfüh- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13699 3 renden Schulen geschickt wird. Die schulinterne Auswahl erfolgt unter Beteiligung des schulischen Personalrats. Die Schulleitungen sind angehalten, ein nachhaltiges Interesse der teilnehmenden Fachkräfte an der Arbeit mit gewaltbereiten Schülerinnen und Schülern zu überprüfen. Die interessierten Kolleginnen und Kollegen sollten gestandene Persönlichkeiten und anerkannte Autoritätspersonen sein, denn die Arbeit mit gewaltauffälligen Schülerinnen und Schülern erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit , Durchsetzungsvermögen und Souveränität im Umgang mit krisenhaften Situationen . 8. Wie sieht das im Rahmen der Maßnahme erarbeitete Anti-Gewalt- Training konkret aus? Die Maßnahme „Cool in School“ ist ein auf 22 Sitzungen angelegtes deliktspezifisches , sozialpädagogisch-psychologisches Gruppentraining für gewaltbereite Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 15 Jahren auf der Grundlage der konfrontativen Pädagogik. Es beruht auf einem lerntheoretisch-kognitiven Paradigma, das heißt es nutzt lerntheoretische beziehungsweise verhaltenstherapeutische Erkenntnisse und Methoden, wie zum Beispiel Modelllernen und differentielle Bekräftigung sowie provokative, die Rechtfertigungsstrategien des Täters hinterfragende Techniken, um das gewalttätige Verhalten abzubauen. Da die Trainingsgruppen geschlechtshomogen zusammengesetzt sind, liegt bei der Umsetzung der Inhalte auch ein Schwerpunkt auf den mädchen- und jungenspezifischen Aspekten des Gewaltverhaltens. Das inhaltliche und organisatorische Konzept zur Trainingsdurchführung ist Gegenstand des Curriculums der Qualifizierungsmaßnahme. 9. Wie gestaltet sich deren Umsetzung im schulischen Alltag und wer ist daran beteiligt? Die Kurse werden in Abstimmung mit der Schulleitung beziehungsweise Abteilungsleitung in den Schulalltag integriert (im Schwerpunkt im Nachmittagsbereich). Die Klassenlehrkräfte der geeigneten Jahrgänge und die Trainerinnen und Trainer sind an der Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler beteiligt. Die Sorgeberechtigten werden eingebunden und geben ebenso ihr Einverständnis wie auch die Kinder und Jugendlichen selbst. Bei einigen Schülerinnen und Schülern wird die Teilnahme als Auflage nach einer Klassenkonferenz (gemäß §49 HmbSG) ausgesprochen. 10. Wie stellen sich die Erfolge dar, die bislang mithilfe der Maßnahme erzielt worden sind? „Cool in School“ wird von den Schulen als lösungsorientierte Ressource zielgerichtet eingesetzt, um mit gewaltauffälligen Schülerinnen und Schülern im eigenen System zu arbeiten. Schülerinnen und Schüler, Trainerinnen und Trainer sowie Schulleitungen bestätigen den Teilnehmenden nach Durchlaufen der Maßnahme eine deutliche Verhaltensentwicklung in Richtung friedfertiger Konfliktaustragung und sozialerem Umgang. Die Maßnahme „Cool in School“ wird seit 2012 fortlaufend evaluiert (interne Evaluation ). Es finden Befragungen der Schülerinnen und Schüler, der Trainerinnen und Trainer sowie der Schulleitungen statt (siehe http://www.hamburg.de/interne-evaluationcis /). Die Auswertung für das Schuljahr 2017/2018 ist noch nicht abgeschlossen.