BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13703 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Harald Feineis (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Streitschlichtung an Schulen Konflikte und Streitigkeiten zwischen Kindern und Jugendlichen gehören zum schulischen Alltag. Sofern diese nicht gelöst werden, sind negative Auswirkungen auf das Arbeitsklima die Folge. Die sogenannte Multiplikatorenausbildung Streitschlichtung hat zum Ziel, ein Streitschlichtungsprojekt langfristig an einem Schulstandort zu verankern. Damit dies gelingen kann, muss eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die involvierte Schule die Einrichtung einer Projektgruppe veranlassen, deren Tätigkeit in enger Abstimmung mit dem Schulprogramm beziehungsweise den Ziel- und Leistungsvereinbarungen erfolgt. Unabdingbar ist auch die Zustimmung der Schulkonferenz, welche dafür zuständig ist, die Einbindung des Kollegiums in die Planungen zu organisieren. In diesem Zusammenhang nehmen insgesamt zwischen drei bis sechs Lehrer einer Schule an der Fortbildung teil. Schließlich müssen spezielle Programme zum sozialen Lernen in Eingangsklassen konzipiert und implementiert werden. Im Rahmen der Ausbildung werden Lehrkräfte sowie Sozialpädagogen geschult, um die Methode der Streitschlichtung kompetent an Schüler weiterzugeben. Schwerpunkt des Seminars sind Übungen, die sich in einem Schülertraining einsetzen lassen. Viele davon bereiten die Lehrkräfte selbst vor, führen sie durch und werten sie gemeinsam aus. Die Ausbildung hat einen Umfang von 64 Stunden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wann ist die Multiplikatorenausbildung Streitschlichtung evaluiert und erstmals angewandt worden? In Hamburg starteten erste Schulen mit der Streitschlichtung mit Ende der Neunzigerjahre . Die Multiplikatorenausbildung begann 1999 als Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Lehrerbildung (heute: Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung ), dem Institut für Konfliktaustragung und Mediation (ikm), der Jungen Volkshochschule (JVHS) und der Beratungsstelle Gewaltprävention. Im Jahr 2002 fand eine erste Evaluation der Hamburger Schulprojekte zur Streitschlichtung in Kooperation mit der Universität Hamburg statt. In 2006 wurde eine bundesweite Evaluation der Schulmediationsprojekte veröffentlicht: Behn, S., Kügler, N. et al. (2006). Mediation an Schulen. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. 2. Welches waren die Gründe dafür? Das Konzept der Streitschlichtung erweckte damals ein hohes Interesse der Lehrkräfte beziehungsweise löste eine sehr starke Nachfrage der Schulen aus. Einzelanfragen von Schulen führten zu Angeboten externer Honorarkräfte, die die Schülerinnen und Schüler in den Schulen trainierten. Die Kosten wurden aus dem Budget der Schulen tragen. Die Multiplikatorenausbildung bündelte die Nachfragen, standardisierte die Drucksache 21/13703 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ausbildungsinhalte und ermöglichte den Schulen eine eigenständige Rhythmisierung der Ausbildung von Schülerinnen und Schülern durch die Qualifizierung ihres eigenen Personals. 3. Wie viele und welche Schulen haben wann die Ausbildung bereits durchgeführt? Seit 1999 haben 134 Schulen Fachkräfte in die Streitschlichtungsausbildung entsandt und vor Ort in den Schulen die Streitschlichtung umgesetzt, siehe Anlage. 4. In wie vielen Fällen wird die Ausbildung bis heute angeboten beziehungsweise was ist unter einer langfristigen Verankerung zu verstehen? In jährlichen Statusabfragen geben die schulischen Fachkräfte Rückmeldungen zum Umsetzungsstand an ihren Schulen. Bei circa einem Viertel der Schulen gibt es die Streitschlichtung bereits seit über zehn Jahren (bis zu 17 Jahren), bei einem weiteren Viertel läuft das Projekt seit sieben bis zehn Jahren. Ein weiteres Viertel hat die Streitschlichtung seit drei bis sechs Jahren an der Schule verankert. Die übrigen Schulen haben erst in den letzten Jahren mit der Streitschlichtung begonnen, siehe dazu auch http://www.hamburg.de/contentblob/9908598/114258ac237eb1ddd218deceae3ec76e/ data/pdf-newsletter-streitschlichtung-17.pdf. Zu einer langfristigen Verankerung gehören außerdem eine konsequente Vorbereitung und Planung (Einrichtung einer Projektgruppe), die Beteiligung der schulischen Gremien, Informationsweitergabe an das Kollegium, die Schüler- und Elternschaft sowie die Qualifizierung der Multiplikatoren und Multiplikatorinnen. 5. Wie viele Lehrer konnten bislang insgesamt ausgebildet werden? Über 340 Multiplikatoren und Multiplikatorinnen werden als aktive Fachkräfte bezüglich der Streitschlichtung in den Listen der Beratungsstelle Gewaltprävention geführt. Die Gesamtzahl der Qualifizierten, die ausgebildet wurden, ist aber wesentlich höher, da viele Fachkräfte bereits pensioniert oder aus anderen Gründen ausgeschieden sind. 6. Welche Programme zum sozialen Lernen sind im Rahmen der Durchführung der Multiplikatorenausbildung Streitschlichtung entwickelt worden? Das Training der Schülerinnen und Schüler sollte für eine nachhaltige Verankerung durch flankierende Maßnahmen in denjenigen Klassen, deren Schülerschaft die Streitschlichtung nutzen soll (Eingangsklassen in Grundschulen: Klasse 1 und 2, bei weiterführenden Schulen: Klassen 5 und 6), unterstützt werden. Dabei knüpft die Streitschlichtung an Programme und Modelle zum Sozialen Lernen an. Mit Projekttagen oder Unterrichtseinheiten zum Sozialen Miteinander, der Regelerarbeitung (Klassenregeln ) oder Konzepten wie dem Klassenrat werden die Kinder und Jugendlichen für das Thema Konflikte sensibilisiert und lernen, wie man Konflikte konstruktiv bewältigen kann. Im Rahmen dieser Angebote stellen sich auch die Streitschlichterinnen und Streitschlichter in den Klassen vor und bieten ihre Hilfe bei Problemen an. Zusätzlich sind schulinterne Fortbildungen entwickelt worden, um das Kollegium und die Klassenlehrkräfte über das Angebot der Streitschlichtung zu informieren und soweit zu schulen, dass sie das Projekt mittragen und angemessen unterstützen können . Eine Übersicht über schulintern entwickelte Angebote und Maßnahmen existiert nicht. 7. Wie viele Eingangsklassen sind bislang davon betroffen? 8. Was ist konkret unter „sozialem Lernen“ zu verstehen? Siehe Antwort zu 6. 9. Wie stellt sich die Weitergabe erlernter Methoden zur Streitschlichtung an die Schüler im Einzelnen dar? Im Curriculum der Qualifizierung für schulische Fachkräfte zur Streitschlichtung liegt neben den umfangreichen theoretischen Hintergründen der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Übungen, Methoden und Lernformaten, wie die Trainingseinheiten mit Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13703 3 den Kindern beziehungsweise Jugendlichen gestaltet werden sollten. Die schulischen Fachkräfte übernehmen es, sich gegenseitig in diese Übungen einzuführen. Sie erleben so in eigener Wahrnehmung, wie die Vermittlung der Inhalte und Prozessschritte der Streitschlichtung stattfindet. Das bedeutet, dass sehr viele Einheiten der Fortbildung ein „learning by doing“ beziehungsweise ein „Lernen am Vorbild“ abbilden. Nach abgeschlossener Qualifizierung setzen die Fachkräfte diese Übungen mit den zukünftigen Streitschlichterinnen und Streitschlichtern um. Sämtliche Übungen sind in einem Handbuch zusammengestellt, welches die Teilnehmenden im Rahmen der Qualifizierung erhalten. 10. Welche Erfolge konnten durch die Multiplikatorenausbildung Streitschlichtung bislang erzielt werden? Hat sich das soziale Klima in den betroffenen Schulen verbessert? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? Die fachlichen Ergebnisse der Statusabfrage (siehe Antwort zu 4.) zeigen insgesamt ein positives Bild: Die Wirkung des Projekts auf Schulleben und Schulklima wird insgesamt sehr positiv eingeschätzt sowie als Entlastung und wirkungsvoller Beitrag zur Gewaltprävention erlebt. Die Betreuerinnen und Betreuer sind mit dem Projekt insgesamt sehr zufrieden. Auch die Akzeptanz der Streitschlichtung ist bei der Schülerschaft , beim Kollegium und bei der Elternschaft weiterhin hoch bis sehr hoch. Im Übrigen siehe Antworten zu den 1. und 4 sowie Drs. 21/13544. Drucksache 21/13703 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Schulen, die die Streitschlichterausbildung durchgeführt haben Adolph-Diesterweg-Schule Grundschule Brockdorffstraße Albert-Schweitzer Gymnasium Joseph-Carlebach-Schule Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Julius-Leber- Schule Bilinguale Grundschule PHORMS Hamburg Katharinenschule in der Hafencity Bilinguales Gymnasium Phorms Hamburg Katholische Schule St. Antonius Brecht-Schule Hamburg Katholische Bonifatius-Schule Brüder-Grimm-Schule Katholische Schule Harburg Bugenhagenschule Alsterdorf Katholische Sophienschule Bugenhagenschule im Hessepark Blankenese Kurt-Tucholsky-Schule Carl-Cohn-Schule Louise-Schroeder-Schule Charlotte-Paulsen-Gymnasium Margaretha Rothe Gymnasium Stadtteilschule Langenhorn Marie-Beschütz-Schule Eimsbütteler Modell Matthias-Claudius Gymnasium Elbschule Bildungszentrum Hören und Kommunikation Max-Brauer-Schule Erich-Kästner- Stadtteilschule Max-Eichholz-Ring Anne-Frank-Schule Max-Schmeling-Stadtteilschule Fridjof-Nansen-Schule Niels-Stensen-Gymnasium Friedrich-Ebert-Gymnasium Otto-Hahn- Stadtteilschule Ganztagsschule Maretstraße Robert-Koch-Schule Geschwister-Scholl- Stadtteilschule Rudolf-Roß-Grundschule Goldbek-Schule Rudolf-Steiner Schule Altona Gretel-Bergmann-Schule Rudolf-Steiner Schule Hamburg Bergstedt Grundschule Luruper Hauptstraße Rudolf-Steiner Schule Nienstedten Grundschule Ahrensburger Weg Schule Alsterdorfer Straße Grundschule Arnkielstraße Schule am Kieferberg Grundschule Elbinselschule Schule Am Sooren Grundschule Hausbruch/ Lange Striepen Schule an der Burgweide Grundschule Hoheluft Schule an der Gartenstadt Grundschule Kerschensteinerstraße Schule An der Glinder Au Grundschule Max-Traeger Schule An der Seebek Grundschule Mümmelmannsberg Schule auf der Uhlenhorst Grundschule Müssenredder Schule Charlottenburger Straße Grundschule Neurahlstedt Schule Eenstock Grundschule Öjendorfer Damm Schule Eulenkrugstraße Grundschule Rahewinkel Schule Forsmannstraße Grundschule Rungwisch Schule Furtweg Grundschule Stübenhofer Weg Schule Grumbrechtstraße Grundschule Vizelinstraße Schule Hinter der Lieth Gymnasium Allee Schule in der Alten Forst Gymnasium Allermöhe Schule Kamminer Straße Gymnasium Blankenese Schule Lämmersieth Gymnasium Bornbrook Schule Langbargheide Gymnasium Dörpsweg Schule Leuschnerstraße Gymnasium Hamm Schule Lutterothstraße Gymnasium Meiendorf Schule Neubergerweg Gymnasium Ohlstedt Schule Rahlstedter Höhe Gymnasium Ohmoor Schule Rellinger Straße Gymnasium Oldenfelde Schule Rothenhäuser Damm Gymnasium Osterbek Schule Schnuckendrift Gymnasium Othmarschen Schule Surenland Gyula Trebitsch Schule Tonndorf Schule Traberweg Hansa-Gymnasium Schule Turmweg Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13703 5 Schulen, die die Streitschlichterausbildung durchgeführt haben Helene-Lange-Gymnasium Stadtteilschule Altrahlstedt Helmuth-Hübener-Schule Stadtteilschule am Hafen Helmut-Schmidt-Gymnasium Stadtteilschule Am Heidberg Ida-Ehre- Schule Stadtteilschule Am See Stadtteilschule Am See, Abt. Grundschule Stadtteilschule Bahrenfeld Stadtteilschule Bergedorf Stadtteilschule Ehestorfer Weg Stadtteilschule Eidelstedt Stadtteilschule Eppendorf Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg Stadtteilschule Hamburg-Mitte Stadtteilschule Kirchwerder Stadtteilschule Lohbrügge Stadtteilschule Meiendorf Stadtteilschule Mümmelmannsberg Stadtteilschule Niendorf Stadtteilschule Oldenfelde Stadtteilschule Poppenbüttel Stadtteilschule Stübenhofer Weg Stadtteilschule Süderelbe Stadtteilschule Wilhelmsburg Stadtteilschule Winterhude Wichern-Schule Zukunftsschule Alsterpalais Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand Juli 2018