BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13706 21. Wahlperiode 10.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse und Harald Feineis (AfD) vom 04.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Muslimischer Wohlfahrtsverband – Kitas und Pflegeheime Soziale Aufgaben für Muslime übernehmen in Deutschland eine Vielzahl von muslimischen Verbänden und Moscheevereinen, deren Tätigkeit allerdings überwiegend ehrenamtlicher Art ist und aus eigenen Mitteln finanziert wird. Seit Jahren verfolgen islamische Gemeinschaften das Ziel, diese Situation zu ändern. Hinter den Kulissen wird längst um einen eigenen Wohlfahrtsverband gerungen, damit eine staatliche Förderung einfacher wird. Als zu Beginn 2015 die Deutsche Islamkonferenz Berlin tagte, herrschte unter ihren Teilnehmern über folgenden Befund Einigkeit: „Der Islam gehört mittlerweile zu Deutschland. Und diese schlichte Feststellung erfordert Konsequenzen.“ Dazu zählte auch das Bekenntnis, dass in Deutschland lebende Muslime einen Anspruch auf einen eigenen Wohlfahrtsverband haben. Ulrich Maly, welcher als Präsident des Deutschen Städtetages an der Islamkonferenz beteiligt war, formulierte bereits das Fernziel: „Wenn der Moscheeverein als Anbieter des örtlichen Kindergartens vor Ort im Stadtquartier genauso selbstverständlich ist wie der evangelische, katholische, der von der Arbeiterwohlfahrt oder der vom paritätischen, dass wir dann einen Wahrnehmungswechsel , vielleicht sogar einen Paradigmenwechsel erreicht haben werden.“ Die Realität der Kinderbetreuung sieht für Muslime in Deutschland allerdings noch gänzlich anders aus. In Lurup etwa bietet die evangelische Kita „Zu den 12 Aposteln“ die Betreuung für rund 130 Krippenkinder und Vorschulkinder an. Die Leiterin der christlichen Einrichtung kann mittlerweile auf vier Jahrzehnte Arbeit in dieser Kita zurückblicken – ein komplettes Berufsleben, in dem sich die Zusammensetzung der Kindergruppen radikal gewandelt hat. Offenbar bestehen ihrerseits keinerlei Bedenken, praktizierende Muslime als Erzieherinnen oder Erzieher einzusetzen. Dies – so die Leiterin – würde den muslimischen Kindern guttun und manche Bedenken muslimischer Eltern entkräften helfen. Allerdings sei das kirchliche Arbeitsrecht in dieser Frage recht restriktiv. Grundsätzlich gelte: Wer für eine evangelische Einrichtung arbeitet, muss Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche sein. Dabei handelt es sich um einen Grundsatz, der eigentlich schon ein bisschen anachronistisch sei, sagt Landespastor Dirk Ahlers, Chef der Hamburger Diakonie. Auch er würde gern mehr Personal mit muslimischem Hintergrund beschäftigen . In der Centrum-Moschee in St. Georg verkehrten etwa 4.000 bis 5.000 Moslems pro Woche, sagt der zweite Vorsitzende des Bündnisses, Ahmet Yazici. Innerhalb der Gemeinde gebe es viele Angebote für Kinder und Jugendliche sowie Beratungsangebote für Erwachsene. Eine eigene Kita sei bislang jedoch nicht vorhanden, weshalb man muslimische Kinder in bestehende Einrichtungen schicke. „Also, ich würde sagen, dass mehr als 80 Prozent in Drucksache 21/13706 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 die Kitas gehen. Ich finde nicht, dass eine Kita unbedingt religiös sein muss, katholisch, evangelisch, islamisch sein muss, aber sie sollte auch auf Muslime wie auch Christen oder andere Religionsgemeinschaften Rücksicht nehmen .“ Und dies würde in erster Linie bedeuten, deutlich mehr Muslime einzustellen . Alles, was die Gemeinde der Centrum-Moschee derzeit an Sozialarbeit leiste, werde ehrenamtlich angeboten. Und dies wiederum sorge dafür, dass eine Ausweitung und Qualitätssteigerung des Angebots nicht stattfinde, weil die öffentlichen Mittel fehlen. „Wir machen die praktische Wohlfahrtsarbeit , sind aber nicht imstande, sie formaljuristisch richtig einkleiden, so wie es die Diakonie macht oder die Caritas das macht. Woran wir kranken, ist, dass wir keine strukturierte Wohlfahrtsarbeit haben, die sozusagen in einem Wohlfahrtsverband aufgehen kann. Faktisch macht die islamische Gemeinde Wohlfahrtsarbeit, sie bekommt nur kein Geld dafür. Es geht um beträchtliche Beträge. Deshalb wird den Muslimen der Zugang noch eine ganze Zeit lang erschwert werden.“ Angesichts der Dominanz christlicher Erziehungseinrichtungen sprechen immer mehr Muslime in Hamburg von einer „Zwangschristianisierung“. In den konfessionellen Kitas von Diakonie und Caritas würden Adventskränze aufgestellt , weihnachtliche Lieder gesungen und die Osterfeierlichkeiten begangen . Der Ramadan komme aber gar nicht vor. Dabei seien in manchen Großstadtkitas rund 90 Prozent der Kinder Muslime, während die Betreuer zu 100 Prozent den christlichen Kirchen angehörten. Dieses Ungleichgewicht auf der Personalseite trifft auch auf die Luruper Kita „Zu den 12 Aposteln“. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Gibt es in Hamburg Pläne zur Schaffung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes ? Falls ja: a) Seit wann existieren diese und wann hat der Senat hiervon erstmals Kenntnis genommen? b) Welche islamischen Verbände sind darin involviert? c) Welche Bedingungen müssten aus Sicht des Senats zur Schaffung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes erfüllt sein, welche sind es gegenwärtig nicht? Falls nein: d) Hat es seitens der islamischen Verbände in Hamburg bereits Initiativen zur Schaffung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes gegeben ? e) Wie hat der Senat hierauf reagiert? Dem Senat sind keine Pläne zur Schaffung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes bekannt.