BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13763 21. Wahlperiode 07.08.18 Große Anfrage der Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse, Dirk Nockemann, Dr. Alexander Wolf, Harald Feineis, Peter Lorkowski und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 10.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Scheinehen in Hamburg (II) In einer bundesweit angelegten Aktion sind Razzien gegen Schleuser aufgrund des Verdachts von bandenmäßig organisierten Scheinehen zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln durchgeführt worden. Im Zuge dieser Aktion kam es auch zu Razzien in Hamburg, wobei es vordergründig um die Agentur eines Hamburger Ehepaars – Margrith M. und Bernd B. – ging, das laut Ermittlern nur in den letzten beiden Jahren über 1.000 Ehen organisiert haben soll. Beihilfe zur Erschleichung einer Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland ist ein lukratives Geschäft, das über die Grenzen Europas bandenmäßig betrieben wird. Unrechtmäßig ausgestellte Aufenthaltsgenehmigungen an Personen , die höchstwahrscheinlich nicht für den eigenen Unterhalt in Deutschland aufkommen können, stellen nicht nur eine rechtswidrige Verwendung von Steuergeldern, sondern auch einen Straftatbestand dar. Im Folgenden sollen zunächst einige wichtige Umfrageergebnisse, Statistiken und Aussagen zu der Problematik zusammengefasst werden: 1) „DER SPIEGEL“1 schreibt in einem Artikel vom 25. Juni 2018, dass bei der Eheschließung in Dänemark weit weniger bürokratische Hürden zu bewältigen sind als in Deutschland. So soll zur Eheschließung nicht mehr als ein Pass vonnöten sein. „Eine in Dänemark geschlossene Ehe ist in deutschen Amtsstuben verdächtig, oft bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Weil aber Dänemark der EU angehört, müssen deutsche Ämter die dänischen Urkunden akzeptieren.“ 2) Die Ausstellung einer „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU“, auch als sogenannte EU-Aufenthaltskarte bezeichnet, ist laut Antwort des Senats auf die Drs. 21/13452 allein in Hamburg in den letzten drei Jahren über 3.600 Mal ausgestellt worden. In Berlin stand die Ausstellung dieser bereits unter dem Betrugsverdacht. „In Portugal wurden Frauen angeworben, die oft aus der Drogenszene stammten und als scheinbare Ehefrauen der Nigerianer fungierten. In Nigeria beschaffte die Bande mit Hilfe von Komplizen gefälschte Heiratsurkunden. Für einige Tage wurden die Portugiesinnen dann nach Berlin geflogen. Das angebliche portugiesisch-nigerianische Ehepaar erschien in der Berliner Ausländerbehörde, wo die Frau für den nigerianischen Mann laut RBB 1 http://www.spiegel.de/plus/heiraten-in-daenemark-das-geht-auch-ohne-braut-a-c33f076f-344d- 4aac-96d5-e2ad72e2bd4a. Drucksache 21/13763 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 eine „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU“, eine so genannte „EU-Aufenthaltskarte“, beantragte – und auch bekam. Ausgestellt werden die Karten in der Regel für fünf Jahre.“2 Ein Großteil hiervon wurde an Staatsangehörige Mazedoniens (ehemalige Jugoslawische Republik), der Türkei und Indiens ausgestellt. 3) Verglichen mit der hohen Anzahl an geschlossenen Ehen in Dänemark und Ausgabe von „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU„ fällt die Anzahl an erschlichenen Aufenthaltstiteln durch Scheinehe eher gering aus. Laut der Anlage zu Drs. 21/13452, die sich auf die PKS 725321 bezieht, sind es nur 77 in den letzten drei Jahren in Hamburg gewesen. 4) In Drs. 21/13452 ist der Senat explizit danach gefragt worden, ob Aufenthaltsgenehmigungen aufgrund des Verdachts auf Scheinehe wieder entzogen worden sind und welchen weiteren Status die Beschuldigten nach dem Entzug dieser haben. Der Senat beantwortete diese Fragen ungenügend mit dem Verweis auf die nicht ausreichend zur Verfügung stehende Zeit für die Beantwortung einer solchen Anfrage. 5) Die Dienste der Hamburger Agentur zur Vermittlung von Scheinehen wurden laut diverser Artikel größtenteils von Männern aus außereuropäischen Ländern in Anspruch genommen. Jörg Ristow, Sprecher der Bundespolizei , sagt: „Es geht vornehmlich um Personen aus dem asiatischen Raum, oft aus Indien“3. In der Drucksache wurde der Senat gefragt, um welche asiatischen Länder es sich handele, was der Senat aufgrund mangelnder Erkenntnisse nicht beantworten konnte. Die Antworten des Senats auf Drs. 21/13452, Daten der Kriminalstatistik, Berichte aus Medien und Aussagen von Behördensprechern zeigen, dass die Ermittlungen im Fall der Agentur aus Hamburg nur die Spitze des Eisbergs sind und der begründete Verdacht besteht, dass noch weitaus mehr unaufgeklärte Scheinehen in Hamburg geschlossen wurden. Vor allem die bürokratische Leichtigkeit zur Anerkennung in Dänemark vollzogener Trauungen und die Ausgabe der „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU an Staatsbürger bestimmter Länder, die ansonsten große Hürden bei der Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung erwarten, lässt vermuten, dass die Dunkelziffer an Scheinehen in Hamburg noch weit höher liegt. Um dem Senat für die Auswertungen von Fragen, wovon einige bereits in der Drs. 21/13452 gestellt worden sind, mehr Zeit zu gewähren, werden diese nun im Rahmen einer Großen Anfrage gestellt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Straftaten unter dem PKS-Schlüssel 725311 „Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Visum) durch Scheinehe“ und PKS-Schlüssel 725321 „Erschleichen oder Gebrauch eines Aufenthaltstitels (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungsbefugnis) durch Scheinehe “ in Hamburg sind dem Senat bekannt? Bitte nach Herkunftsländern, Alter und Geschlecht aufschlüsseln. Siehe Drs. 21/13452 und 21/11545. Darüber hinausgehende Auswertungen im Sinne der Fragestellung sind in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die PKS ist eine anonymisierte Statistik. Eine Reanonymisierung, um die entsprechenden Ermittlungsvorgänge zu identifizieren und händisch auszuwerten, ist rechtlich unzulässig und technisch nicht möglich. 2 https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article214421745/Bericht-Behoerde-ignorierte- Warnung-vor-Scheinehen-in-Berlin.html. 3 https://www.mopo.de/hamburg/polizei/millionen-geschaeft-mit-scheinehen-bei-ihnen-gab-esbraeute -fuer-1000-euro-30616730. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13763 3 2. Wie viele Aufenthaltsgenehmigungen sind in Hamburg in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 für in Dänemark geschlossene Ehen ausgestellt worden? Wie in 1 aufschlüsseln. Der Ort der Eheschließung wird statistisch nicht erfasst. Eine händische Auswertung von mehreren Tausend Erteilungen einer Aufenthaltserlaubnisse aufgrund einer Eheschließung seit 2015 ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Seit 2015 (Stand 18. Juni 2018) sind in Hamburg 3.693 „Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU“ ausgestellt worden. Welche Staatsangehörigkeit besaßen die Personen, die diese Aufenthaltskarte für ihren Familienangehörigen beantragt haben? Wie in 1 aufschlüsseln. Die Angaben zu den im ausländerbehördlichen Fachverfahren hinterlegten Bezugspersonen , von denen das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird, sind den folgenden Übersichten zu entnehmen: Staatsangehörigkeit 2015 2016 2017 2018** Belgien 5 4 3 1 Bulgarien 92 109 84 50 Dänemark 11 7 9 4 Estland 5 6 3 1 Finnland 5 1 1 1 Frankreich 26 26 35 8 Kroatien 38 52 60 21 Slowenien 7 8 - 2 Griechenland 30 24 32 13 Irland 8 3 3 2 Italien 87 81 85 35 Lettland 7 10 11 2 Litauen 3 7 14 2 Luxemburg 1 - - - Niederlande 31 25 22 7 Österreich 21 13 24 2 Polen 71 52 50 25 Portugal 122 112 92 33 Rumänien 36 38 43 27 Slowakei 3 4 2 - Schweden 7 4 4 2 Spanien 109 88 91 35 Tschechische Republik - 4 2 2 Ungarn 23 9 18 4 Großbritannien 28 30 30 7 Zypern 2 - - - nicht ermittelbar* 357 356 351 130 Alter (in Jahren) 2015 2016 2017 2018** 0 – 10 49 36 41 19 11 – 20 28 25 22 74 21 – 30 192 167 155 113 31 – 40 247 219 247 51 41 – 50 177 183 176 26 51 – 60 65 67 63 3 61 – 70 17 16 12 - 71 – 80 2 4 2 - 81 – 90 1 - - - nicht ermittelbar* 357 356 351 130 Drucksache 21/13763 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Geschlecht 2015 2016 2017 2018** männlich 399 347 394 150 weiblich 379 370 324 136 nicht ermittelbar * 357 356 351 130 * Bei diesen Datensätzen konnte die entsprechende Bezugsperson oder deren EU- Staatsangehörigkeit durch einen automatischen Abgleich des ausländerbehördlichen Fachverfahrens nicht ermittelt werden. In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass entweder mehrere Bezugspersonen in Frage kommen oder diese im Besitz mehrerer Staatsangehörigkeiten sind. Die händische Durchsicht von deutlich über Tausend elektronischen Ausländerakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. ** Stichtag: 18. Juni 2018. 4. Wie viele Aufenthaltsgenehmigungen sind aufgrund des Verdachts auf Scheinehe wieder entzogen worden? Wie in 1 aufschlüsseln. a. Welchen weiteren Status besitzen die Beschuldigten nach dem Entzug der Aufenthaltsgenehmigung? b. Wie viele sind ausreisepflichtig? Siehe Drs. 21/13452.