BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13802 21. Wahlperiode 24.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 16.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Regionale Bildungs- und Beratungszentren lassen Schüler mit Förderbedarfen erneut im Stich ─ Bescheide für Schulbegleitungen verärgern Schulen, betroffene Eltern und GBS- beziehungsweise GTS-Träger Es ist Schuljahresende und die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) entscheiden für das neue Schuljahr über die Schulbegleitungen. Die Bescheide gehen bei Schulen, Eltern (in Kopie) und Nachmittagsträgern zu Beginn der Sommerferien ein. Sprich zu einem Zeitpunkt, zu dem in der Regel kaum jemand da ist, der die Bescheide entsprechend kontrollieren und Widersprüche erheben kann, sodass Schulen und betroffene Eltern sowie Nachmittagsträger vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Im Bezirk Altona ist auffällig, dass an einer Grundschule, die als Schwerpunktschule für Inklusion bekannt ist, alle Bescheide der Kinder, die bereits im System sind, über das ReBBZ Altona West massiv und ohne Begründungen gekürzt worden sind. Nur ein einziges Kind hat dort Schulbegleitung auch für den Nachmittag bekommen (also maximal eine Stunde pro Tag). Wie soll aber der Ganztag funktionieren ohne Schulbegleiter für Kinder, die ansonsten die Gruppe sprengen? Diese Kinder würden mit ziemlicher Sicherheit am ersten Schultag nach Hause geschickt, da ein/e Erzieher/in mit einer Gruppe und Kindern mit entsprechenden Sonderförderbedarf dieses alleine nicht schafft. Erste Träger drohen daher mit der Abweisung von Kindern mit Sonderförderbedarf und hier insbesondere von Schülern, die auf Schulbegleitungen angewiesen sind, was nicht im Sinne der Inklusion ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Eine wirkungsvolle inklusive Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf setzt grundsätzlich voraus, dass alle am schulischen Prozess beteiligten Personen, (Schulleitung, Lehrkräfte, sonderpädagogische Fachkräfte, pädagogisches und therapeutisches Fachpersonal aber auch Schülerschaft und Elternschaft) intensiv daran arbeiten, Strukturen des Schulalltags und Unterrichts immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob die unterschiedlichen Bedarfe aller Schülerinnen und Schüler angemessen berücksichtigt und in den Prozess schulischen Lernens und Zusammenlebens integriert werden. Zusätzliche Hilfeleistungen kommen in diesem Zusammenhang dann zum Einsatz, wenn alle zuvor angestellten pädagogischen und bei Bedarf auch therapeutischen Angebote nicht ausreichen, um eine angemessene Teilhabe am Bildungsprozess sicher zu stellen. Die Gewährung von Schulbegleitung als Integrationsfachleistung für Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Unterstützungsbedarf an allgemeinbildenden Schulen in Hamburg hat seit Umsetzung der Drs. 20/3641 „Inklusive Bildung an Hamburgs Schulen“ zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während im Schuljahr 2011/2012 in circa 460 Fällen eine Schulbegleitung bewilligt wurde, hat sich die Zahl der begleiteten Schüle- Drucksache 21/13802 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rinnen und Schüler bis zum Schuljahr 2016/2017 auf 1.874 erhöht. Verbunden war diese Entwicklung mit einer Steigerung der Ausgaben für diese Integrationsfachleistungen von circa 3,0 Mio. Euro im Jahr 2011 auf etwa 15,43 Millionen Euro im Jahr 2017. Diese deutliche Steigerung der Fallzahlen erforderte eine umfassende Reorganisation der Verfahren zur Bewilligung von Schulbegleitungen durch die für Bildung zuständige Behörde. Die gegenwärtig geltenden Verfahren zur Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen auf Rechtsgrundlage des § 12 Absatz 4 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) werden durch die beiden nachfolgend genannten Dienstanweisungen umfassend geregelt: Dienstanweisung zum Einsatz von Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung (vom 01.03.2015) und Dienstanweisung zum Einsatz von Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung (vom 25.03.2014). Siehe hierzu www.schulrechthamburg.de (1.11. „Besondere Fördermaßnahmen“, hier die Dokumente 1.11.21 und 1.11.22). Auf Grundlage dieser Dienstanweisungen erfolgt die Ermittlung eines Bedarfs für eine Schulbegleitung entweder im Rahmen einer Fallbearbeitung durch die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) für die Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung oder durch die Fachberatung der für Bildung zuständigen Behörde für die Gruppe der Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung . Bei der Ermittlung und fachlichen Einschätzung des jeweiligen Bedarfs sind nicht allein die individuellen Entwicklungsvoraussetzungen und die sich hieraus ergebenden Unterstützungsbedarfe einzelner Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, sondern ganz wesentlich auch Aspekte der sonstigen personellen und sächlichen Ausstattung der jeweiligen Schule sowie weiterer relevanter Bedingungsfaktoren wie Größe der Lerngruppe, Organisation von Unterricht und Schulalltag (zum Beispiel Pausen und Ganztag). Der optimale Einsatz der Ressourcen der Schulen (personelle und sächliche Ausstattung ), die Berücksichtigung der relevanten Bedingungsfaktoren sowie die Möglichkeit, einzelne Schulen auf Grundlage einer schülerbezogenen Bedarfserhebung mit einem festen Pool von Schulbegleitungsstunden auszustatten, sowie die professionelle Qualifikation der Lehrkräfte führen dazu, dass der Bedarf an Schulbegleitungen ganzheitlich abgedeckt wird. Der Schwerpunkt liegt auf dem systemischen Einsatz der schulischen Ressourcen und nicht mehr auf dem Einsatz möglichst vieler Schulbegleiterinnen und -begleiter. Auf dieser Grundlage können Schulen ihre Bedarfe im Rahmen der schulischen Eigenverantwortung planen und gegebenenfalls Situationen mit erhöhten Begleitungsbedarfen flexibel abfangen. Der im Vortext der Fragestellerin geschilderte Sachverhalt kann nach dem jetzigen Erkenntnisstand durch die für Bildung zuständige Behörde nicht bestätigt werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Auf welcher Grundlage und durch wen werden Schulbegleitungen a) für die Unterrichtszeit, b) für die Nachmittagsbetreuung bewilligt? 2. Gibt es Unterschiede zwischen 1. a) und b)? Wenn ja, warum? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13802 3 Die Verantwortlichkeit für das Verfahren zur Steuerung des Einsatzes von Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit erheblichem Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufgrund einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung liegt bei den Gesamtleitungen der ReBBZ. Sie entscheiden über Umfang, Dauer und Qualifikationsstufe für die Umsetzung einer Schulbegleitungsmaßnahme. Die Beratung in und Bearbeitung von Schulbegleitungsverfahren gehören als Bestandteile der Beratungstätigkeit zur Regelaufgabe aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ReBBZ- Beratungsabteilungen (Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Psychologinnen und Psychologen, Lehrerinnen und Lehrer, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen ). Es gibt keine Unterschiede zwischen der Bewilligung für die Unterrichtszeit beziehungsweise die Nachmittagsbetreuung. 3. Wie erfolgt die Überprüfung des Bedarfes? Werden Eltern, Lehrer und Ganztagsbetreuer einbezogen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/12544. 4. Wie viele Kinder sind von ersatzlosen und unbegründeten Streichungen beziehungsweise Kürzungen der Schulbegleitungen betroffen? (Bitte je Bezirk und zuständigem ReBBZ die Gesamtzahl der Streichungen sowie der prozentualen Kürzungen aller betroffenen Schulen aller Schulformen angeben). Der zuständigen Behörde sind keine unbegründeten Streichungen beziehungsweise Kürzungen bekannt. Vielmehr wird der Begleitungsbedarf eines Kindes/Jugendlichen schuljährlich überprüft und neu festgelegt. Dabei kann es bei der Überprüfung zu Erhöhungen oder Reduzierungen der Schulbegleitungsstunden kommen. In diesem Zusammenhang kann nicht von unbegründeten Streichungen beziehungsweise Kürzungen gesprochen werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Sind seitens der Behörde die Ressourcen der Schulbegleitungen verändert worden? Wenn ja, wie und warum? Wenn nein, warum gibt es dann diese massiven Kürzungen? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/12544. 6. Wie ist dieses mit § 12 Hamburger Schulgesetz beziehungsweise § 35a SGB VIII vereinbar? Entfällt. 7. Wie ist zu erklären, dass, entgegen der festgehaltenen Ergebnisse etwaiger regelmäßig stattfindender Bilanzierungsgespräche bei betroffenen Kindern, die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren unbegründete Stundenkürzungen in den Schulbegleitungen vornehmen und damit entgegen ihrer eigenen Bilanzierungen handeln? 8. Welchen Zweck erfüllen die Bilanzierungsgespräche, wenn dort beschlossene Maßnahmen nicht eingehalten werden und Schulen, Eltern und GBS-Träger vor vollendete Tatsachen in Form unbegründeter Kürzungen gestellt werden? Bilanzierungsgespräche dienen der Beratung und dem fachlichen Austausch zwischen den fallzuständigen Fachkräften des ReBBZ, den Pädagoginnen und Pädagogen sowie gegebenenfalls den Sorgeberechtigten und weiteren Beteiligten. In Bilanzierungsgesprächen werden keine Maßnahmen festgelegt, vielmehr wird die Maßnahme evaluiert und es werden weitere Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten geplant und besprochen. Es finden regelmäßig Bilanzierungsgespräche statt. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. sowie Vorbemerkung. Drucksache 21/13802 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 9. Welcher Kriterienkatalog für nachvollziehbare Stundenkürzungen im Fall ihrer betroffenen Schüler liegt den Schulen vor? Falls keiner vorliegen sollte, warum nicht? Grundlage für die Bewilligung von Schulbegleitungen sind die in der Vorbemerkung genannten Dienstanweisungen. Auf Grundlage dieser Dienstanweisungen erfolgt die Ermittlung eines Bedarfs für eine Schulbegleitung.