BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13807 21. Wahlperiode 24.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Gamm (CDU) vom 17.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Wohnungsbau auf der Altlastfläche am Neusurenland in Farmsen Im Rahmen des Wohnungsbauprogramms sollen Untersuchungen der Altlastfläche am Neusurenland in Farmsen zwischen Bramfelder Weg, Surenland und Meilerstraße durchgeführt werden. Hinsichtlich des Gashaushalts der Altablagerung sowie der Grundwassersituation besteht nach Aussagen der BUE bei jetziger Flächennutzung keine Gefahr. Bei einer Nutzungsänderung , wie in diesem Fall zur Wohnbebauung, wird eine weitere Untersuchung des Geländes erforderlich. Die entsprechenden Ergebnisse sollen aufzeigen, ob, wie und mit welchen Kosten die Altlablagerung saniert werden kann. Auf einer Informationsveranstaltung für Anwohnerinnen und Anwohner am 28. Mai wurde bekannt gegeben, dass die BUE hierzu im Sommer 2018 über die gesamte Fläche der ehemaligen Mülldeponie Bohrungen durchführen werde. Nach der anschließenden Auswertung aller Ergebnisse soll die Sanierbarkeit der Altablagerung im Rahmen einer technischen Machbarkeitsstudie bewertet werden. Die Ergebnisse sollen im Sommer 2019 vorgestellt werden. Ferner erklärte ein Vertreter der BUE, die Sanierungskosten von 30 Millionen Euro (und mehr) würden den Steuerzahler nicht belasten, sondern über einen Treuhandvertrag mit der Mietergenossenschaft Farmsen (MGF) wieder erwirtschaftet. Der Vertreter der MGF gab zudem an, die Mieten würden dadurch nicht erhöht. Die SPD-Fraktion Wandsbek jedoch schreibt in den Kommentaren ihrer Pressemitteilung vom 16. Mai 20181, die Stadt komme für die Sanierung auf (wörtlich: „Die Fläche gehört der Stadt und die muss vor einem Verkauf erstmal die Sanierung auf eigene Kosten durchführen.“). In der Mitteilung des Senats (Drs. 21/13047) heißt es darüber hinaus: „In der Summe kann eine Entwicklung der Industriemülldeponie „Neusurenland“ nur über eine Gegenfinanzierung in Form einer angemessen verdichteten Nutzung dieser Fläche selbst sowie der ergänzenden Entwicklung weiterer Flächen z.B. nördlich der Straße „Am Luisenhof“ realisiert werden.“ Hiermit stellt sich die Frage nach einer verbindlichen Aussage bezüglich der Kostenübernahme sowie der Klärung der offenen Punkte. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Im Juli, August und September dieses Jahres wird die Mull und Partner Ingenieurgesellschaft mbH Hannover umfangreiche Probebohrungen auf dem Gelände durchführen. Wann hat die entsprechende Ausschreibung 1 http://www.spdfraktion-wandsbek.de/2018/05/wohnungsbaugenossenschaft-gartenstadtfarmsen -eg-mgf-bekommt-treuhandvertrag-fuer-2-500-wohnungen-solide-grundlage-fuerfortbestand -und-neuen-bezahlbaren-wohnraum/. Drucksache 21/13807 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 mit welchem Ergebnis stattgefunden und welche konkreten Aufträge sind bisher vergeben worden? Die Bohrleistungen wurden im Juni 2018 über einen bestehenden Rahmenvertrag durch die für Altlastensanierung zuständige Behörde vergeben, welcher selbst aus einem Ausschreibungsverfahren resultiert. 2. Wer soll in welcher Form und gegebenenfalls zu welchen Anteilen die Kosten für die geplante Sanierung übernehmen? 3. Sofern die Sanierungskosten nicht von der Stadt getragen werden: Wie wahrscheinlich ist es nach Auffassung des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde, dass Kosten auf die Mieter umgelegt werden? Gilt es, dies zu verhindern? Wenn ja, wie? Die Machbarkeit und die Kosten der Bodensanierung der gesamten Altlast oder von Teilflächen werden derzeit vonseiten der für Altlastensanierung zuständigen Fachbehörde geprüft. Entscheidungen über eine entsprechende Finanzierung der Altlastsanierung , die Bereitstellung etwaiger Ersatzflächen für den Sportplatz sowie mögliche Alternativnutzungen sind erst nach Vorlage der Ergebnisse möglich. Gegebenenfalls könnte dies im Zusammenhang mit einer zukünftigen Wohnungsbaunutzung realisiert werden; hier sind die Überlegungen und Planungen jedoch noch nicht abgeschlossen. Eine Umlage auf die Mieterinnen und Mieter ist aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen . 4. Der am 10. Oktober 2017 abgeschlossene Treuhandvertrag berührt die Deponiefläche nur am Rande (§ 17.2), ebenso wird eine freie Fläche an der Kreuzung Luisenhof/Tegelweg erwähnt, die gegebenenfalls der MGF zur Verfügung gestellt wird. Ein Zusammenhang mit dem eigentlichen Vertrag ist nicht ersichtlich. Auch sind die Erkundungsbohrungen für die Deponiefläche erst am Beginn und die Ergebnisse sollen erst in einem Jahr vorliegen. Hierzu ergeben sich folgende Fragen: a) Warum werden attraktive Flächen den Wohnungsbaugenossenschaften schon so frühzeitig angeboten? b) Warum wurde die Fläche nur einer privaten Wohnungsbaugenossenschaft angeboten? c) Welche „harten“ Kriterien (zum Beispiel Leistungsfähigkeit oder wirtschaftliche Stärke) können neben den „weichen“ Kriterien (zum Beispiel hohes Ansehen oder weite Akzeptanz) angeführt werden, die den Senat berechtigen, mit der MGF einen derart lukrativen Vertrag einzugehen, der bewusst darauf angelegt ist, den „Fortbestand und die künftige Arbeit der MGF“ zu sichern? Der Treuhandvertrag entspricht hinsichtlich der Versorgung von anerkannt vordringlich Wohnungsuchenden mit Wohnraum den Verabredungen der Vertragsparteien des Bündnisses für das Wohnen. Die Mietergenossenschaft Farmsen (MGF) ist 1985 aus Mieterinnen und Mietern der Gartenstadtsiedlung hervorgegangen, trägt nunmehr seit über 30 Jahren zu einem preisgünstigen Wohnangebot in Farmsen bei und genießt im Stadtteil großes Ansehen. Sie ist auch wirtschaftlich in der Lage den Treuhandvertrag zu erfüllen. Es ist ihr seit Ende der 1980er-Jahre gelungen, die Gartenstadt zu einem attraktiven Quartier zu entwickeln. Zahlreiche Preise für Städtebau, energetische Sanierung sowie Sozial- und Quartiersmanagement dokumentieren das Engagement der MGF in diesen Bereichen. Durch die Zertifizierung als umweltbewusster Betrieb verfügt sie über das QUB-Siegel und ist damit festes Mitglied in der Umweltpartnerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Treuhandvertrag sichert den Fortbestand und die künftige Arbeit der MGF und sorgt dafür, dass bis zu 800 neue Wohnungen im Bezirk Wandsbek entstehen können . Die hohe Akzeptanz der MGF vor Ort ist die gute Voraussetzung dafür, dass auch die Nachverdichtungen erfolgreich realisiert werden können. Gleichzeitig wird Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13807 3 städtisches Vermögen auch für künftige Generationen vorgehalten und durch die Vertragskonstruktion langfristig werthaltig gesichert. d) Gibt es auch Planungen für alternative Nutzungen der Flächen (zum Beispiel Sportanlagen, Parks et cetera)? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? 5. Die ehemalige Deponiefläche wird derzeit als Sportplatz genutzt. Soll nach der geplanten Übertragung eine Ersatzfläche für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden? a) Wenn ja, wo? b) Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 2. und 3. 6. Wie ist es um die Nachsorgepflicht im Falle einer Übertragung der Deponiefläche bestellt? Wird diese auf die MGF übertragen? 7. Kommt es zu Änderungen der Nachsorgepflicht durch vollzogene Sanierungsmaßnahmen auf einer Deponiefläche? Wenn ja, zu welchen? Bei einer vollständigen Beseitigung der Altlablagerung gilt die Altlast als vollständig dekontaminiert. Damit sind mit dieser Fläche keine Nachsorgepflichten mehr verbunden . 8. In dem zuvor erwähnten Vertrag wird der Erbbauzins genannt, welcher einen einstelligen prozentualen Anteil des heutigen Verkehrswertes beträgt. Da der Wert jährlich der Inflationsrate angepasst wird, wird nur die Inflation berücksichtigt, nicht aber die Veränderung der Verkehrswerte . Bei einer Pachtdauer von mehreren Jahrzehnten erscheint diese Größe ausgesprochen niedrig. Vorteile für die Freie und Hansestadt Hamburg sind daher nur schwer zu erkennen, Vorteile für die MGF hingegen sehr wohl. a) Welche Kalkulation liegt den Berechnungen zugrunde? b) Warum wird nicht der Verkehrswert in regelmäßigen Abständen angepasst? Gemäß § 9a Absatz 1 Satz 2 Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) wurde die bei Erbbaurechtsverträgen übliche Regelung angewendet. Eine Anpassung des Erbbauzinses an die reale Bodenwertsteigerung ist bei Erbbaurechten, die zu Wohnzwecken bestellt wurden, unzulässig. 9. Die Deponieflächen sind bereits Anfang der 1980er-Jahre Thema parlamentarischer und technischer Untersuchungen gewesen, zu denen insbesondere die damalige GAL beigetragen hatte. Inwiefern sind die damals erhobenen Untersuchungen in die jetzige Planung eingeflossen? Die damaligen Untersuchungen hatten das Ziel, das Gefährdungspotenzial der Altlablagerung zu erkunden. Die jetzigen Planungen berücksichtigen die in der Vergangenheit durchgeführten Untersuchgen und haben das Ziel, die Machbarkeit einer Sanierung zu ermitteln. 10. Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde bekannt, dass auch die Firma Boehringer laut Anwohnerauskunft sowie laut Untersuchungen bis weit in die 1960er-Jahre regelmäßig Chemieabfälle in der Deponie abgeladen hat? Dem Senat ist nicht bekannt, dass Boehringer-Abfälle abgelagert wurden. 1984/1985 hat ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem mit dem Drucksache 21/13807 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Verbleib der Abfälle der Firma Boehringer Sohn Ingelheim aus dem Werk Moorfleet befasst hat, auch den damaligen Kenntnisstand über die Deponie Neusurenland ermittelt. Hinweise auf die Ablagerung von Boehringer-Abfällen sind in dem Bericht nicht enthalten. Gleichwohl ist aufgrund verschiedener Hinweise aus der Bevölkerung im Rahmen der jetzt anlaufenden Untersuchungen auch die Analytik von Boehringer-spezifischen Substanzen beauftragt worden. 11. Auf der Anwohnerversammlung wurde weder ein Konzept für die Bohrphase noch für die Phase der Entsorgung und des Neubaus von Wohnungen vorgestellt. Gibt es ein solches Konzept? a) Wenn ja, wie sieht dieses aus und welche Rolle spielt die Beschränkung zusätzlicher Umweltbelastungen (zum Beispiel Lärm, Geruchsbelästigung, eventuelle Giftgase, Schwerlastverkehr und Maschinen mit Dieselabgasen, verminderte Parkmöglichkeiten) für die Anwohnerinnen und Anwohner dabei? b) Wenn nein, warum nicht? Gegenstand der Machbarkeitsstudie ist es, ein Konzept für die Sanierung aufzustellen , das auch die von der Sanierungsmaßnahme ausgehenden unvermeidlichen Belastungen mit Verkehr, Lärm und gegebenenfalls Geruch berücksichtigt. Die Erkundungsarbeiten werden kontinuierlich messtechnisch überwacht und fachgutachterlich begleitet. Von den Erkundungsarbeiten werden keine gefährlichen Emissionen ausgehen . Kurzzeitig auftretende Gerüche und Lärmentwicklungen sind nicht auszuschließen und bewegen sich im Rahmen von üblichen Tiefbaumaßnahmen. Das auf der Anwohnerversammlung von Mull & Partner erläuterte Untersuchungsprogramm ist inklusive der geplanten Bohransatzpunkte auf der Internetseite der zuständigen Behörde zur Altablagerung Neusurenland als Information hinterlegt, siehe dazu auch: http://www.hamburg.de/altlastensanierung/10027838/neusurenland/ . 12. Zu den unmittelbaren Anwohnern gehören neben Mietern und Eigenheimbesitzern auch die Schule Surenland und das Gymnasium Farmsen . Wurden die Schulen im Vorwege über die Planungen informiert? a) Wenn ja, zwischen wem haben wann Gespräche stattgefunden? b) Wenn nein, warum nicht? Die Schulleitungen der Schule Surenland und des Gymnasiums Farmsen sowie Vertreter des Schulelternratsvorstands des Gymnasium Farmsen wurden im Juni 2018, circa vier Wochen vor Beginn der Untersuchungsarbeiten, detailliert über die Planungen und die Bohrarbeiten durch Vertreter der zuständigen Behörde und dem Büro Mull & Partner persönlich informiert. 13. Im Stadtteil Farmsen entstehen zurzeit viele Wohnungen im Bereich des ehemaligen Berufsförderungswerks. Die früher gebrauchte Bezeichnung „Stadtteil im Grünen“ trifft mit dem zunehmenden Bauvolumen immer weniger zu. Das neue „attraktive Quartier“ wird von Anwohnerinnen und Anwohnern zum Teil kritisch gesehen. a) Welche Argumente für eine Verdichtung in Farmsen sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde (außer dass hier bebaubare Flächen zur Verfügung stehen)? b) Gibt es konkrete Planungen, um das Quartier aufzuwerten? c) Warum widmet der Senat diese Flächen nicht einer lockeren Eigenheimbebauung und unterstützt stattdessen einseitig Mietwohnungen ? Es ist aufgrund des hohen Wohnraumbedarfes erklärtes Ziel des Senats, hamburgweit 10.000 Wohnungen jährlich zu genehmigen. Dafür werden in allen Stadtteilen, wie auch in Farmsen, Potenziale für Wohnungsneubau einschließlich Nachverdichtung geprüft. Zur Entwicklung der Industriemülldeponie „Neusurenland“ als Wohnstandort Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13807 5 mit voraussichtlich erheblichen Sanierungskosten ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Realisierbarkeit eine verdichtete Nutzung auf dieser Fläche sowie ergänzende Entwicklung weiterer Flächen, zum Beispiel nördlich der Straße „Am Luisenhof“ erforderlich , siehe dazu auch Drs. 21/13047. Konzepte für eine Bebauung der Flächen liegen derzeit noch nicht vor.