BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13832 21. Wahlperiode 31.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Bill (GRÜNE), Dorothee Martin und Sören Schumacher (SPD) vom 23.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen Überhöhte Geschwindigkeit ist kein Kavaliersdelikt. Sie kann zu erheblichen Unfallfolgen führen und ist eine der häufigsten Unfallursachen. Geschwindigkeitskontrollen sind daher ein wichtiger Beitrag für mehr Verkehrssicherheit. In Hamburg werden hierfür sowohl stationäre als auch mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen eingesetzt. Jüngst wurden zwei neue Geräte in Form eines Anhängers zur mobilen Geschwindigkeitsüberwachung angeschafft . Diese Anhänger können circa eine Woche lang autonom eingesetzt werden, sind also nicht so personalintensiv wie bisherige mobile Kontrollen. Wir fragen den Senat: Überhöhte Geschwindigkeit ist nach wie vor eine der wichtigsten Unfallursachen. Auch in den Fällen, in denen anderen Hauptursachen zu Unfällen führen, führt eine überhöhte Geschwindigkeit zu einem deutlich erhöhten Risiko schwerer Unfallfolgen, gerade im Zusammenhang mit Verletzungen von Verkehrsteilnehmern. Trotz der in einem Stadtstaat wie Hamburg sehr gut erkennbaren Geschwindigkeitsregeln zeigen sowohl die Unfallaufnahmen der Polizei wie auch die Ergebnisse von Geschwindigkeitskontrollen , dass diese Regeln durch die motorisierten Verkehrsteilnehmer häufig nicht beachtet werden. Zum Teil kommt es zu gravierenden Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten. Auch kontinuierliche Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen haben zu keinen wesentlichen Änderungen dieser Feststellungen geführt. Im Sinne der Verkehrssicherheit sind daher geeignete Maßnahmen zwingend erforderlich , die die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch die Verkehrsteilnehmer wirksam unterstützen. Die Polizei Hamburg hat hierzu ein wirksames Konzept der Überwachung entwickelt, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Es setzt neben stationären Anlagen, die dort eingesetzt werden, wo die Verkehrssicherheitslage eine dauerhaft durchgehende Überwachung der gefahrenen Geschwindigkeiten zur Reduzierung festgestellter örtlicher Unfallgefahren erfordert, auf mobile Überwachungskomponenten, die entweder für kürzere Zeit an einzelnen Messorten eingesetzt werden (zum Beispiel die in Fahrzeugen verbauten mobilen Radargeräte und Handlasergeräte) oder hochmobil durch Videoaufzeichnungen in der Fahrbewegung gefährliches Fahrverhalten und überhöhte Geschwindigkeit verfolgen (Provida- Fahrzeuge der Verkehrsstaffeln, die auch von der Kontrollgruppe Autoposer einsetzt werden). Mit diesem Konzept konnte bereits bisher sowohl festgestellten örtlich herausgehobenen Unfallgefahren durch stationäre Anlagen wirksam begegnet werden. Durch einen Ausbau dieser Anlagen sollen die Unfallgefahren weiter gesenkt und damit die Verkehrssicherheit positiv beeinflusst werden. Da stationäre Anlagen aber nach allen Drucksache 21/13832 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Erkenntnissen aufgrund der bekannten Standorte in der Regel nur einen begrenzten Wirkradius auf das Geschwindigkeitsverhalten der Verkehrsteilnehmer haben, ist die Ergänzung durch die mobilen Überwachungskomponenten auch bei einem Ausbau der stationären Anlagen ein wichtiger Baustein der Geschwindigkeitsüberwachung. Mit den mobilen Überwachungsmaßnahmen kann sehr flexibel und situationsangepasst auf kurzfristige Entwicklungen in einem bestimmten Bereich reagiert werden. Mit den hochmobilen Überwachungskomponenten kann darüber hinaus gezielt gegen besonders gefährliches Fahrverhalten in Verbindung mit überhöhter Geschwindigkeit vorgegangen werden. Mit der Übernahme der technischen Betreuung der stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen und der Negativbildauswertung durch den Landesbetrieb Verkehr (LBV) für die Polizei kann die Polizei die hierfür bisher in den Verkehrsstaffeln eingesetzten Angestellten künftig verstärkt in dem Bereich der mobilen Geschwindigkeitskontrollen einsetzen und damit die Überwachungsintensität steigern . Allerdings binden die mobilen Überwachungsmaßnahmen in erheblichem Umfang personelle Ressourcen und sind aufgrund der erforderlichen Besetzung mit Personal immer nur für einen kürzeren Zeitraum einsetzbar. Die Polizei Hamburg hat daher gemeinsam mit dem LBV nach Möglichkeiten gesucht, die Möglichkeiten der Geschwindigkeitsüberwachung mit mobilen Anlagen weiter zu steigern. Hierzu wurden im Rahmen einer Testphase in den letzten Monaten neue mobile anhängerbasierte Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen erprobt. Diese Anhänger können über einen längeren Zeitraum ohne personelle Begleitung an einem Ort eingesetzt werden. Sie vereinen die Flexibilität, Standorte zu wechseln, mit der Möglichkeit, auch über mehrere Tage an einem Standort eingesetzt zu werden. Hiermit soll die Anzahl der Messungen , auch zur Nachtzeit und am Wochenende, spürbar erhöht werden. Für die Testphase wurden jeweils ein Anhänger des Herstellers Vitronic und des Herstellers JenOptic für zwei Monate gemietet. Die neue mobile Überwachung wurde am 28. Mai 2018 begonnen und dauerte bis zum 6. Juli 2018 (Vitronic) beziehungsweise bis zum 13. Juli 2018 (JenOptic). Jedes Gerät war pro Woche an zwei bis vier Standorten , auch über mehrere Tage hinweg, einschließlich der Überwachung bei Nacht eingesetzt. Bis zu vier Tagen wurde durchgehend an einem Ort gemessen. Unterbrochen wurden die Einsätze nur durch maximal eintägige Lade- und Wartungsvorgänge. Die Einsatzorte für die Geschwindigkeitsüberwachung wurden von der Polizei festgelegt und die Anlagen in den Anhängern durch den LBV aufgestellt. Während der Testphase wurde insgesamt an 36 wechselnden Standorten gemessen. Die Messungen verteilten sich zum Beispiel auf Hauptverkehrsstraßen wie die Ahrensburger Straße, die Luruper Chaussee, die Sievekingsallee oder die Hamburger Straße oder in Wohngebieten, wie den Straßen Wrangelkoppel, Jenischstraße. Insgesamt wurden Messungen über knapp 1.800 Stunden durchgeführt, dies entspricht fast 75 Tagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Messungen in zwei Fahrtrichtungen getrennt – also doppelt – gezählt wurden. Mit dem Gerät des Herstellers Jenoptik wurde an sieben Standorten in beide Fahrtrichtungen gemessen. Die Geräte wurden während der Testphase 28.137 Mal ausgelöst. Es wurde nur bei Überschreitungen ab 9 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit geblitzt. Die Anhänger sind danach wieder an die Hersteller zurückgegeben worden. Derzeit wird der Test durch die zuständige Behörde ausgewertet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen sind derzeit in Hamburg im Einsatz? Siehe Drs. 21/13821. 2. Wie viele mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen sind derzeit in Hamburg im Einsatz? 3. Wie viele von den derzeit im Einsatz befindlichen mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen wurden im laufenden Jahr neu beschafft? Welche Arten von mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen wurden wann beschafft? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13832 3 4. Seit wann sind die mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen im Einsatz? 5. Welche Kosten fielen für die Neuanschaffung im laufenden Jahr an? Die derzeit im Einsatz befindlichen mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (GÜA) sowie das jeweilige Jahr der Anschaffung und Inbetriebnahme sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt. Art des GÜA-Gerätes Jahr der Anschaffung und Inbetriebnahme Anzahl mobiles Radargerät 1992 3 mobiles Radargerät 1996 2 mobiles Radargerät 2007 1 mobiles Lasergerät 2007 1 mobiles Lasergerät 2008 1 mobiles Lasergerät 2011 1 mobiles Lasergerät 2017 1 mobiler Einseitensensor 2001 1 mobile Handlasergeräte 2016 21 gesamt 32 Zwei ältere mobile Radargeräte sind defekt. Da eine Reparatur unwirtschaftlich ist, wird zurzeit ein Gerät im Rahmen einer Ersatzbeschaffung ersetzt. Das zweite defekte Gerät soll in der ersten Jahreshälfte 2019 ersetzt werden. Im Übrigen siehe Drs. 21/13388 und Vorbemerkung. 6. Wie viele Verstöße gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurden im ersten Halbjahr 2018 mit den stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen gezählt? Wie viele Verstöße gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurden im ersten Halbjahr 2018 mit den mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen gezählt? (Bitte tabellarisch darstellen ). Wie hoch waren die daraus generierten Bußgelder? 7. Wie viele Verstöße gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurden jeweils im Vergleichszeitraum erstes Halbjahr 2017 mit den stationären sowie den mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen gezählt? Wie hoch waren die daraus generierten Bußgelder? Die Anzahl der an diesen Anlagen erfassten und zur Anzeige gebrachten Geschwindigkeitsverstöße sowie die beim Einwohner-Zentralamt ausgewiesenen Einnahmen im Rahmen von Verwarnungs- und Bußgeldern sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen : Geschwindigkeitsüberwachung Anzeigen 1. Hj. 2018 Einnahmen 1. Hj. 2018 stationär 261.195 6.110.062 € mobil 132.306 4.366.782 € Geschwindigkeitsüberwachung Anzeigen 1. Hj. 2017 Einnahmen 1. Hj. 2017 stationär 129.664 2.988.414 € mobil 97.788 3.001.397 € Anzeigen aus der Überwachung mit den neuen mobilen anhängerbasierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen sind im ersten Halbjahr 2018 noch nicht ausgewertet , deswegen kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele der 28,137 Auslöser zu Anzeigen führen werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Wie hoch ist die Prognose der für 2019 erwarteten Verstöße gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit den stationären sowie den mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen? Zuverlässige Prognosen zu erwarteten Verstößen lassen sich nicht ableiten. Die Geschwindigkeitsüberwachung sowohl durch stationäre wie mobile Überwachungsmaßnahmen verfolgt das Ziel, die Verkehrsteilnehmer zu einer Beachtung der geltenden Geschwindigkeitsregeln anzuhalten und damit die Verkehrssicherheit positiv zu Drucksache 21/13832 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 beeinflussen. Die bisherigen Erfahrungen lassen allerdings erwarten, dass mit einer Steigerung der Anzahl der stationären Überwachungsanlagen und einer Intensivierung der mobilen Geschwindigkeitsüberwachung auch die Zahl der festgestellten Verstöße jedenfalls zunächst steigen wird. 9. Wie viele Stunden waren die neu eingesetzten mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen in 2018 bisher insgesamt im Einsatz? Bitte gegebenenfalls nach der Art der Geräte differenzieren. Die beiden gleichartigen mobilen anhängerbasierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen waren innerhalb der Erprobungsphase knapp 1.800 Stunden im Einsatz, dies entspricht circa 75 Tagen. Der Anhänger des Herstellers Vitronic war etwa 744 Stunden im Einsatz, der Anhänger des Herstellers JenOptik war ca. 1.051 Stunden im Einsatz. 10. Was waren die fünf dabei am höchsten gemessenen Geschwindigkeiten bei welcher zulässigen Höchstgeschwindigkeit und an welchen Orten wurden diese gemessen? Statistiken im Sinne der Fragestellungen werden bei der zuständigen Behörde nicht geführt. Für die Beantwortung müssten für den infrage kommenden Zeitraum alle Archive einzeln händisch ausgewertet und verifiziert werden. Die Auswertung und Verifizierung mehrerer Zehntausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 11. Ist die Anschaffung von weiteren mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen geplant? Ja. Nach Auswertung der Testphase entscheidet die zuständige Behörde über die Anzahl und den Zeitpunkt der Beschaffung mobiler anhängerbasierte Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen . 12. Wie ist der Einsatz von mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen im Verhältnis zu stationären Anlagen zu bewerten? Was sind die Vorteile , was die Nachteile der beiden Varianten? Stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (GÜA) werden grundsätzlich installiert, wenn eine dauerhafte Überwachung rund um die Uhr zur Reduzierung von geschwindigkeitsbezogenen Verkehrsunfällen, insbesondere mit Personenschaden, an Unfallschwerpunkten beziehungsweise Unfallhäufungsstrecken erforderlich ist. Durch Installation mehrerer Anlagen hintereinander kann auch eine Wirkung auf größere Strecken erzielt werden. Eine flächendeckende Wirkung ist aber kaum möglich, da die Standorte häufig bekannt sind und eine Wirkung auf das Geschwindigkeitsniveau nur auf einen Bereich von circa 200 – 500 Meter vor und hinter der Anlage beobachtet wird. Mobile GÜA haben dagegen den Vorteil, dass sie flexibel lageorientiert an wechselnden Standorten eingesetzt werden und dadurch ein Flächendruck erzeugt wird. Um in einem Bereich eine länger andauernde Wirkung auf das Geschwindigkeitsniveau zu erzielen, sind die Einsatzzeiten bisher jedoch in der Regel zu kurz. Ihr Einsatz bindet auch hohe personelle Ressourcen bei der Polizei. Um diese Nachteile der herkömmlichen mobilen Geschwindigkeitsüberwachung zu kompensieren, wurde in einer Pilotphase der Einsatz mobiler anhängerbasierter Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen getestet. Der Betrieb dieser Anhänger ist flexibel an wechselnden Standorten ohne die dauerhafte Anwesenheit von Personal möglich. Hiermit soll die Anzahl der Messungen, auch zur Nachtzeit und am Wochenende , spürbar erhöht werden. Des Weiteren kann die Dauer der Messungen von (bisher) wenigen Stunden (bei mobilen Messungen durch die Polizei) auf mehrere Tage (in etwa vier Tage) ausgedehnt werden. Damit kann eine länger andauernde Wirkung auf das Geschwindigkeitsniveau , ähnlich wie bei stationären GÜA, erreicht werden. Zeitgleich wird durch die wechselnden Standorte der Flächendruck erhöht, was in vielen Abschnitten das Geschwindigkeitsniveau spürbar reduziert. Ergänzend kann flexibel und mit sehr geringer Vorlaufzeit auf etwaige Veränderungen oder Problemlagen reagiert werden.