BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13850 21. Wahlperiode 31.07.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 24.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Überfüllte Frauenhäuser Gestern wurde bekannt, dass im ersten Halbjahr 2018 „270 Frauen, die sich an die Notaufnahme wendeten oder in dieser Zuflucht fanden, aufgrund von Platzmangel keinen Schutz in einem Frauenhaus“ erhielten, so eine Mitarbeiterin der Anlaufstelle 24/7 gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ (23.07.2018, Seite 10). Es ist noch gar nicht lange her, da musste sich die Anlaufstelle 24/7 selbst notsuchend an alle Fachsprecher der in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenden Parteien wenden, um die notwendigen Mittel zur Fortführung ihrer Arbeit einzufordern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Den Schutz sowie die bestmögliche Unterstützung aller von Gewalt bedrohten und betroffenen Frauen sowie ihrer Kinder sicherzustellen, hat für den Senat höchste Priorität . Vor diesem Hintergrund ist im zweiten Halbjahr 2016 in Kooperation mit Schleswig -Holstein die gemeinsame Koordinierungs- und Servicestelle der Hamburger Frauenhäuser (24/7) eröffnet worden. Hier erfolgt seitdem jeden Tag und rund um die Uhr die zentrale Notaufnahme, die Erstberatung der Frauen durch pädagogische Fachkräfte sowie die (auch länderübergreifende) Vermittlung von Schutzplätzen, sofern die Frauen dies wünschen. Die Frauen können in der 24/7 zunächst zur Ruhe kommen und gemeinsam mit einer Mitarbeiterin entscheiden, wie die nächsten Schritte für sie aussehen sollen. Kennzeichen der Arbeit der 24/7 ist somit das Clearing der persönlichen Anliegen, des Schutzbedarfes und des Schutzplatzes/-ortes. Es wird ausdrücklich keine schutzsuchende Frau von den Frauenhäusern oder der Koordinierungs- und Servicestelle abgewiesen, sondern gegebenenfalls weitervermittelt. Zu den Kriterien siehe Drs. 21/1231. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/5214 sowie 21/9910. Die Hamburger Frauenhäuser und die 24/7 mit ihrem sogenannten Back-Up liefern gemäß Zuwendungsbescheid nach Abschluss eines Jahres eine ausführliche Jahresstatistik und alle drei Monate eine kurze Quartalsstatistik bezogen auf die Anzahl der Bewohnerinnen und ihre Verweildauer. Viele der erfragten Daten werden unterjährig nicht übermittelt. Dennoch wurde eine kurzfristige Abfrage in den Einrichtungen durchgeführt, deren Ergebnisse allerdings unter Vorbehalt zu betrachten sind, da in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit keine adäquate Qualitätsprüfung durchgeführt werden konnte. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) geförderten Träger der Hamburger Frauenhäuser wie folgt: 1) War dem Senat bekannt, dass schutzsuchende Frauen von Frauenhäusern abgelehnt werden mussten und falls ja, seit wann? Drucksache 21/13850 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Vorbemerkung. 2) Wie stellt sich die monatliche Auslastungsquote der jeweiligen Frauenhäuser im ersten Halbjahr 2018 dar? Für das erste Halbjahr 2018 melden die Frauenhäuser folgende Auslastungsquoten: 2018 Januar Februar März April Mai Juni GESAMT Frauen helfen Frauen Hamburg e.V. 92,5% 88,9% 87,6% 94,4% 97,8% 89,6% 91,8% 2. Hamburger Frauenhaus e.V.* 94,1% 94,0% 100,9% 101,5% 100,2% 98,9% 98,3% 4. Hamburger Frauenhaus e.V. 103,1% 113,7% 110,0% 108,0% 101,8% 108,6% 107,4% 5. Hamburger Frauenhaus e.V. 96,2% 97,0% 87,1% 101,3% 95,8% 95,3% 95,4% Frauenhaus des Diakonischen Werkes 98,3% 94,8% 88,7% 90,7% 80,6% 79,0% 88,6% GESAMT 96,1% 96,1% 93,8% 98,4% 95,8% 93,6% 95,6% Basis: Erhebung in den Einrichtungen * Wegen der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen kann das 2. FH seit Jahresbeginn vorübergehend nur maximal 34 statt 43 Personen aufnehmen. Die Auslastungsquote wurde entsprechend berechnet. 3) Wie häufig mussten die jeweiligen Hamburger Frauenhäuser im ersten Halbjahr 2018 Abweisungen aufgrund von Platzmangel aussprechen? Wie hat sich die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren 2017 und 2016 entwickelt ? Siehe Vorbemerkung. Weitervermittlungen in andere Bundesländer aus Platzgründen erfolgten in den genannten Jahren für folgende Anzahl von Frauen (Kinder werden hier statistisch nicht mitberechnet): Jahr 2016 2017 2018 - 1. Halbjahr - GESAMT Frauen helfen Frauen Hamburg e.V. 6 0 0 6 2. Hamburger Frauenhaus e.V. 3 0 0 3 4. Hamburger Frauenhaus e.V. 10 0 0 10 5. Hamburger Frauenhaus e.V. 6 0 0 6 Frauenhaus des Diakonischen Werkes 0 0 0 0 24/7 21 57 29 107 Back-Up 0 3 3 6 GESAMT 46 60 32 138 Basis: Erhebung in den Einrichtungen 4) Gibt es neben Platzmangel noch andere Gründe, die zu einer Abweisung schutzsuchender Frauen führen und wie häufig treten diese auf? Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, auf engem Raum mit vielen Menschen zusammenzuleben (zum Beispiel wegen einer Suchtproblematik oder psychischen Erkrankung), werden nicht in der 24/7 oder den Frauenhäuser aufgenommen , sondern an geeignete Stellen weitervermittelt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5) Wie gedenkt der Senat auf das Problem der Abweisungen schutzsuchender Frauen zu reagieren? Welche Lösungskonzepte existieren? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13850 3 Es werden keine schutzsuchenden Frauen abgewiesen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 6) Wie stellt sich die Auslastung der Anlaufstelle 24/7 seit Bestehen dar? Seit Eröffnung der 24/7 mit Back-Up am 15. August 2016 wurden folgende Auslastungsquoten verzeichnet: Jahr 2016 - 2. Halbjahr* - 2017 2018 - 1. Halbjahr - 24/7 59,1% 59,5% 56,1% Back-Up 11,0% 17,7% 31,1% Basis: Erhebung in den Einrichtungen * seit Eröffnung am 15.08.2016 7) Wie hoch war die durchschnittliche Verweildauer in der Anlaufstelle 24/7 im ersten Halbjahr 2018? Bitte auch die minimale und maximale Verweildauer angeben. Die Frauen blieben mit ihren Kindern im ersten Halbjahr 2018 in der 24/7 durchschnittlich 3,6 Tage. 25 Personen verweilten dabei nur einen Tag, während 28 Personen mehr als sieben Tage blieben. Eine detailliertere Benennung der Maximalwerte wird statistisch nicht erhoben. 8) Wie hoch ist der Anteil derjenigen, die im ersten Halbjahr 2018 nicht aus der Anlaufstelle 24/7 heraus in ein Frauenhaus oder eine andere Unterkunft vermittelt werden konnten? Bitte auch absolute Zahlen angeben. Siehe Vorbemerkung. Im ersten Halbjahr 2018 zogen die Frauen und ihre Kinder aus der 24/7 mit Back-Up in folgende Wohnformen um: Auszugstatus Frauen Kinder Gesamt Prozent Frauenhaus Hamburg 86 81 167 33,1% Frauenhaus Schleswig-Holstein 37 34 71 14,1% Frauenhaus anderes Bundesland (ohne HH und SH) 22 24 46 9,1% Klinik 4 0 4 0,8% Wohnungslosenhilfe 21 11 32 6,3% zurück in die alte Wohnung gemeinsam mit dem Täter 30 27 57 11,3% zurück in die alte Wohnung ohne den Täter 19 18 37 7,3% WG-Zimmer 1 0 1 0,2% zu Freunden/Bekannten/ Familie 34 24 58 11,5% Sonstige 9 14 23 4,6% Unbekannt 7 1 8 1,6% Gesamt 270 234 504 100,0% Basis: Erhebung in den Einrichtungen 9) Wie hoch ist der Anteil derjenigen, die im ersten Halbjahr 2018 aus Gründen von Platzmangel in andere Bundesländer vermittelt wurden? Wie hat sich die Zahl im Vergleich zu 2017 und 2016 entwickelt? Siehe Antwort zu 3). 10) Welche weiteren Unterstützungsangebote gibt es für Betroffene? Der Senat hat auf Unterstützungsangebote und Perspektiven für Frauenhausbewohnerinnen bereits mehrfach hingewiesen. Neben allen Einrichtungen der Opferhilfelandschaft und den sozialen und psychosozialen Beratungsangeboten gehören hierzu insbesondere das ESF- Projekt „2ter Aufbruch! Coaching zu Bildung und Arbeit“ sowie das Projekt „Vivienda – Wohnen für Frauen“. Siehe hierzu Drs. 21/5584 und Drs.21/6573 sowie folgende Links: http://www.esf-hamburg.de/contentblob/10944334/ Drucksache 21/13850 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 4e16ca7f23863114ec36fc52c0d6acf6/data/05-001-esf-projektbroschuere-2018.pdf und https://www.lawaetz-service.de/abteilungen-und-projekte/vivienda/. 11) Wie hat sich die Anzahl der Ratsuchenden bei den Beratungsstellen und -notrufen in den letzten drei Jahren entwickelt? Für die Jahre 2016, 2017 und das erste Halbjahr 2018 meldeten die Beratungsstellen folgende Anzahl von Ratsuchenden: Einrichtung Anzahl der Ratsuchenden 2016 217 2018 - 1. Halbjahr - Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt pro-aktiv 1.151 990 611 savîa - steps against violence - 254 122 Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen 349 475 261 verikom - i.bera 547 283 153 LALE in der IKB e.V: 823 345 252 Opferhilfe 745 860 435 KOOFRA 53 64 57 Allerleirau 436** 629*** Halbjahresstatistik wird nicht erhoben Dolle Deerns* 375* 920* Halbjahresstatistik wird nicht erhoben Zündfunke* 564* 840* Halbjahresstatistik wird nicht erhoben Zornrot* 595* 564* Halbjahresstatistik wird nicht erhoben Amnesty for Women* 174 159 157 BIFF Harburg* 296**** 297**** 156 BIFF Winterhude* 707**** 668**** Halbjahresstatistik wird nicht erhoben BIFF Eimsbüttel/Altona* 685**** 694**** 350**** GESAMT 7.500 8.042 2.554 * Anzahl erreichter Frauen ** Anzahl der Ratsuchenden persönlich und telefonisch *** Anzahl der Beratungskontakte nach Ratsuchenden **** Anzahl ratsuchender Frauen in der offenen Beratung Basis: Erhebung in den Einrichtungen Zudem ist das Bundeshilfetelefon Gewalt gegen Frauen fester Bestandteil des Hilfeangebots in Hamburg. Dieses bietet rund um die Uhr kostenfrei, vertraulich, anonym, barrierefrei und mehrsprachig Beratung zu allen Gewaltformen an. Eine nach Bundesländern gesondert aufgeschlüsselte Statistik über die Anzahl der Ratsuchenden weist der Jahresbericht 2017 nicht auf. Dieser kann abgerufen werden unter: https://www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon/zahlen-und-fakten/jahresbericht.html 12) Welche Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Schutzlandschaft hat der Senat seit August 2016 ergriffen? Siehe Drs. 21/13481, Drs. 21/9910 und Drs. 21/5584. 13) Besteht aus Sicht des Senats aktuell Handlungsbedarf? Falls ja, wo und welche Maßnahmen werden in Betracht gezogen, um Abhilfe zu schaffen? Zentrales Anliegen des Senats ist weiterhin eine Verkürzung der Verweildauer in den Frauenhäusern, um Frauen ein selbstbestimmtes Leben in eigenem Wohnraum zu ermöglichen. Alle Formen der Wohnraumförderung und des Schutzes von Wohnraum, der Förderung von Wohnraum für spezielle Zielgruppen und die Unterstützung bei der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13850 5 Wohnungssuche tragen hierzu bei. Siehe auch Drs. 20/10994 und Drs. 21/5584. Das Projekt (siehe Antwort zu 10)) zur Unterstützung bei der Wohnungssuche wird im Rahmen einer Neuausschreibung verlängert und in den Kapazitäten ausgeweitet.