BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13881 21. Wahlperiode 03.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 26.07.18 und Antwort des Senats Betr.: Wohnraum für Haftentlassene Der Wohnungsmarkt in Hamburg ist äußerst angespannt. Schätzungen zufolge leben in Hamburg zwischen 2.000 und 2.500 Obdachlose, genauere Zahlen werden infolge einer von der BASFI auf Basis des am 31. Januar 2018 einstimmig in der Bürgerschaft beschlossenen Obdach- und Wohnungslosenbefragungsgesetzes (Drs. 21/11635) durchgeführten Erhebung zeitnah vorliegen. Für Haftentlassene stellt die Wohnungssuche eine besondere Herausforderung dar; viele von ihnen haben durch die Haftzeit ihren Wohnraum verloren. Im Rahmen des Übergangsmanagements erhalten die Gefangenen bei der Suche zwar Unterstützung, doch bedarf es hierfür auch eines ausreichenden Angebots, auf das zurückgegriffen werden kann; dies gilt umso mehr, wenn im kommenden Jahr das Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz in Kraft treten soll. Gerade für Entlassene, die lange Haftstrafen verbüßten und/oder die psychisch erheblich belastet sind, sind Wohnprojekte, in denen sie neben der Zurverfügungstellung von Wohnraum Beratung und Hilfe bei der Rückkehr in die Gesellschaft erhalten, eine sehr sinnvolle Maßnahme zur Resozialisierung . So bietet beispielsweise der Hamburgische Fürsorgeverein in seinem Wohnheim an der Max-Brauer-Allee Platz für 21 haftentlassene wohnungslose Männer ab 21 Jahren, die neben umfangreichen Unterstützungsangeboten für die Zeit der Neuorientierung ein möbliertes Einzelzimmer in Wohngruppen erhalten. Auch der Verein Integrationshilfen e.V. bietet ein Wohnprojekt an, bei dem 30 obdachlose Haftentlassene für ein Jahr teilmöblierte Zimmer in Übergangswohnungen erhalten können. Es stellt sich die Frage, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In den vergangenen Jahren sind in Hamburg verschiedene Maßnahmen zur verbesserten Resozialisierung straffälliger Frauen und Männer umgesetzt worden. Insbesondere eine angemessene Versorgung mit Wohnraum wie auch der Erhalt von vorhandenem Wohnraum während kurzzeitiger Haftstrafen fanden in diesem Zusammenhang Beachtung: Die Aufnahme der Zielgruppe der Haftentlassenen in die Fachanweisung über die Versorgung von vordringlich Wohnungsuchenden mit Wohnraum ist ein Instrument, das zu einer geeigneten Wohnraumversorgung haftentlassener Frauen und Männer beiträgt. Drucksache 21/13881 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das „Gesamtkonzept zur besseren Versorgung von anerkannt vordringlich Wohnungsuchenden mit Wohnraum“ (Drs. 21/2905) sieht den Bau zusätzlicher Wohnungen für vordringlich wohnungsuchende Haushalte vor. Die verstärkte Umsetzung von Bauvorhaben und der damit einhergehenden Errichtung von Wohnungen mit einer Belegungsbindung kommt allen anerkannten vordringlich Wohnungssuchenden und damit auch haftentlassenen Frauen und Männern zugute. Zudem gehören Haftentlassene zum Kreis der Begünstigten des Förderprogramms Ankauf von Belegungsbindungen. Bereits 2014 wurde der Zeitraum für die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung während der Haft von sechs auf zwölf Monate erhöht und zugleich festgelegt, dass die Anmietung einer Wohnung bereits zwei Monate vor der Haftentlassung ebenfalls möglich ist. Die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 fortfolgende Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bieten ein Angebot, das sich an straffällige beziehungsweise haftentlassene Frauen und Männer wendet und zugleich temporäre Wohnmöglichkeiten integriert. Auch in allen weiteren Leistungsangeboten der Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten finden straffällige und haftentlassene Frauen und Männer geeignete Angebote und Unterstützung. Ein Angebot mit einer geplanten Kapazität von 50 Wohnungen wird vom Hamburger Fürsorgeverein von 1948 e.V. derzeit sukzessive für haftentlassene, wohnungslose Frauen und Männer aufgebaut und durch die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützt . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden darüber vor, wie viele wohnungslose Personen im Jahre 2017 sowie im ersten Halbjahr 2018 aus der Strafhaft entlassen wurden? Eine IT-gestützte Auswertung im Sinne der Fragestellung ist über die Fachverfahren des Vollzuges nicht möglich. Eine händische Auswertung der mehr als 2.000 Akten für die Untersuchungshaftanstalt und die JVA Billwerder ist in der im Rahmen einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Aus den übrigen Justizvollzugsanstalten sind 2017 128 Gefangene ohne festen Wohnsitz entlassen worden. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 46. Bei einem Großteil der Entlassung Gefangener ohne festen Wohnsitz handelt es sich um Insassen mit Ersatzfreiheitsstrafen, bei welchen es in Anbetracht der kurzen Haftdauer nicht möglich ist, rechtzeitig Wohnraum zu beschaffen. Weitere Entlassungen Gefangener ohne festen Wohnsitz erfolgten von heranwachsenden, unbegleiteten Ausländern aus Nicht-EU-Staaten, die in der Regel Anspruch auf Unterbringung in einer, zum Entlassungszeitpunkt namentlich noch nicht bekannten, Erstaufnahmeeinrichtung hatten und um Gefangene, die aus der Haft abgeschoben wurden. 2. Wie viele und welche Wohnheime/Wohnprojekte für obdachlose Haftentlassene mit jeweils wie vielen Plätzen gibt es in Hamburg? Wie hat sich die Auslastung dieser Wohnheime/Wohnprojekte seit 2015 entwickelt? Bitte jeweils pro Jahr zum Stichtag 1. Januar und 1. Juli angeben. Bei den genannten Angeboten des Hamburger Fürsorgevereins und von Integrationshilfen e.V. handelt es sich um Leistungsangebote gemäß §§ 67 – 69 SGB XII im Sinne eines vorübergehenden Wohnens im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Es handelt sich hier nicht um Angebote, die ausschließlich dem Wohnen dienen. Leistungsangebote zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 – 69 SGB XII) für straffällige und haftentlassene Frauen und Männer mit integriertem Wohnangebot in Hamburg: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13881 3 Einrichtung Träger Angebot Wohnheim Max- Brauer-Allee Wohnheimgesellschaft des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 21 Plätze für haftentlassene Männer, in Wohngruppen , Selbstversorgung, Beratung, Unterstützung und Begleitung gemäß §§ 67 ff SGB XII durch sozialpädagogische Fachkräfte. FrauenProjekte Wohnheimgesellschaft des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 10 Plätze für haftentlassene Frauen in vom Träger angemieteten Wohnungen, Selbstversorgung, Beratung, Unterstützung und Begleitung gemäß §§ 67 SGB XII durch Sozialarbeiterinnen. Ein Angebot für 9 haftentlassene Frauen in eigenem Wohnraum. Betreuung, Begleitung und Unterstützung gemäß §§ 67 ff SGB XII durch Sozialarbeiterinnen . Ambulante Wohnbegleitung Wohnheimgesellschaft des Hamburger Fürsorgevereins von 1948 20 Plätze nachgehende Hilfe für Männer aus dem Wohnheim Max-Brauer-Allee, in eigenem Wohnraum , Beratung, Unterstützung und Begleitung gemäß §§ 67 ff SGB XII durch sozialpädagogische Fachkräfte Projekt Trotzdem Integrationshilfe e. V. 30 Plätze für haftentlassenen Frauen und Männer. In vom Träger zur Verfügung gestellten möblierten Einzelzimmern in Zweizimmerwohnungen in normaler Wohnlage, Selbstversorgung, Beratung, Unterstützung und Begleitung gemäß §§ 67 ff SGB XII durch soziaalpädagogische Fachkräfte. Eine Stichtagsauswertung der Belegung wird nicht vorgenommen, die Angebote sind regelmäßig voll belegt. Nach einem Auszug wird ein Platz umgehend neu vergeben. Es stehen 90 Plätze für haftentlassene Frauen und Männer zur Verfügung, diese Anzahl wurde seit 2015 nicht geändert. Alle weiteren Angebote zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten können und werden auch von haftentlassenen Frauen und Männern mit einem Leistungsanspruch gemäß § 67 SGB XII in Anspruch genommen. Seit 2016 wurden die bestehenden 255 Plätze, zu deren Leistungsangebot auch das Wohnen gehört, um 55 Plätze ergänzt. Derzeit können bis zu 310 Plätzen belegt werden (inklusive der speziellen Angebote für Haftentlassene). Der Hamburger Fürsorgeverein unterstützt mit seinem Projekt Ankerplatz darüber hinaus die Wohnraumversorgung haftentlassener Frauen und Männer. Nach einer positiv verlaufenen Eingewöhnungszeit von zwölf Monaten geht der Mietvertrag einer vom Träger angemietete Wohnung an den haftentlassenen Mieter über, der dann unbefristet mit Wohnraum versorgt ist. 3. Die Mietzeit in den Wohnprojekten ist begrenzt auf eine Übergangszeit von zwölf Monaten. Wie wird sichergestellt, dass die Bewohner nach Ablauf der befristeten Mietzeit nicht in die Obdachlosigkeit entlassen werden? Grundsätzlich werden Bewilligungen mit einer Laufzeit von sechs Monaten für die Leistungen in den dargestellten Leistungsangeboten zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erteilt. Sofern weiterer Hilfebedarf besteht und der Hilfeprozess weitergeführt werden soll, werden weitere Bewilligungen erteilt. Wenngleich es sich hier um temporäre Hilfe handelt, endet sie nicht zwangsläufig nach zwölf Monaten , sondern kann dem Hilfebedarf entsprechend weiter gewährt werden. 4. Wie erfolgt die Wohnungsvermittlung über die Fachstelle Übergangsmanagement (FÜma)? Was geschieht, wenn bis zum Zeitpunkt der Haftentlassung kein Wohnraum für den zu entlassenden Gefangenen gefunden wurde? Die Fachkräfte der Fachstelle Übergangsmanagement nehmen dem Rahmenkonzept entsprechend bis zu sechs Monate vor der Haftentlassung Kontakt zu Inhaftierten in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten (JVAen) auf und führen, sofern von der Drucksache 21/13881 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Klientel gewünscht, ein Erstgespräch durch. In diesem Zusammenhang erfolgt die Klärung der Wohnsituation nach der Haftentlassung und des Unterstützungsbedarfes. Sofern Maßnahmen zur Wohnraumsicherung nicht mehr greifen sollten, werden die Klientinnen und Klienten bei der Beantragung der Anerkennung als vordringlich Wohnungsuchender unterstützt, um Zugang zu entsprechendem Wohnraum erhalten zu können. Die Beratung umfasst zudem die Vermittlung von Kontaktdaten von zum Beispiel Wohnungsbaugenossenschaften, Hospizen, Altenheimen und die Unterstützung bei der Kontaktaufnahme. Ist eine Vermittlung in Wohnraum zum Entlassungszeitpunkt aus der Haft nicht möglich , wird bei der Fachstelle für Wohnungsnotfälle die öffentlich-rechtliche Unterbringung beantragt. Der Bewilligungsbescheid wird von der Fachstelle für Wohnungsnotfälle per Fax an f & w fördern und wohnen AöR übersandt und der Klientin beziehungsweise dem Klienten ein Platz zugewiesen. Sofern in Einzelfällen die Unterbringung in einer Wohnunterkunft kurzfristig nicht möglich sein sollte, stehen zur Überbrückung bis zu einer Platzzuweisung die Notübernachtungsstätten in Hamburg zur Verfügung. Hierüber wird die Klientel entsprechend informiert. Sofern erforderlich, erfolgt für psychisch oder seelisch erkrankte Klienten und Klientinnen , die Befürwortung der Kostenübernahme für die Unterbringung in einer entsprechenden stationären Einrichtung, die Suche einer geeigneten Einrichtung und die Unterstützung im Bewerbungsverfahren. 5. Gerade bei Untersuchungshaftgefangenen ist der Zeitpunkt der Haftentlassung oftmals nicht vorhersehbar. Wird beispielsweise in einem Haftprüfungstermin oder in einer Hauptverhandlung der Haftbefehl aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt, ist der Beschuldigte/Angeklagte/Verurteilte sofort auf freiem Fuß. Der Entwurf des Resozialisierungs- und Opferhilfegesetzes sieht in § 11 Absatz 1 vor, dass Untersuchungshaftgefangene 1.) Unterstützung bei der Wohnraumsicherung während der Haftzeit und 2.) Hilfe bei Vermittlung von Wohnraum nach einer Haftentlassung erhalten sollen. a. Wie soll dies konkret erfolgen? Bitte für 1.) und 2.) getrennt erläutern . Unterstützung bei der Wohnraumsicherung während der Haftzeit: Im Rahmen des Zugangsgespräches wird jeder Gefangene befragt. Sollte eine Notwendigkeit bestehen, wird ein Mietübernahmeantragsformular ausgehändigt, um beim Grundsicherungsamt einen entsprechenden Antrag stellen zu können. Soweit erforderlich , wird der Gefangene dabei unterstützt. Zu gestellten Anträgen werden seitens der Untersuchungshaftanstalt ergänzende notwendige Angaben beigesteuert. In Einzelfällen nimmt die Untersuchungshaftanstalt auch Kontakt mit Einrichtungen auf und versucht, im Interesse des Gefangenen, den vorhandenen Wohnraum zu erhalten. Etwaig erforderliche konkrete Anträge stellt der Gefangene dann selbst. Hilfe bei Vermittlung von Wohnraum nach einer Haftentlassung: Hinsichtlich der Vermittlung von Wohnraum für die Zeit nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft händigt die Untersuchungshaftanstalt Kontaktadressen aus und bietet dem Betroffenen Hilfestellung an. Sind Angaben der Untersuchungshaftanstalt nötig, werden sie dem Gefangenen zugeleitet. Bei berechtigten Einzelfällen wird auch ein Kontakt zum Fachamt Straffälligen- und Gerichtshilfe der zuständigen Behörde hergestellt. b. Wo kommen wohnungslose Beschuldigte/Angeklagte/Verurteilte, deren Haftbefehl vom Gericht aufgehoben beziehungsweise außer Vollzug gesetzt wurde, ad hoc unter beziehungsweise an welche Stellen können sie sich wenden? Wer klärt sie wann darüber auf? Nach Aufhebung des Haftbefehls händigt die Untersuchungshaftanstalt, bei Bedarf Informationsmaterial mit Kontaktdaten diverser Einrichtungen aus. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13881 5 c. Welche Probleme sieht die zuständige Behörde hier und welche Maßnahmen plant sie konkret? Das System der Beratung und Unterstützung der Untersuchungshaftanstalt bedarf aus Sicht der zuständigen Behörde derzeit keiner Änderungen. Bezüglich der jugendlichen und heranwachsenden Untersuchungsgefangenen obliegen erforderliche Unterstützungsmaßnahmen gemäß § 11 Absatz 2 Entwurf des HmbResOG der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand in engem Zusammenwirken mit dem Fachbereich Jugend (Jugendgerichtshilfe) des Fachamtes Straffälligen- und Gerichtshilfe. Erforderliche Maßnahmen werden abgestimmt und durchgeführt. Die konkrete Ausgestaltung der Hilfe richtet sich nach den Erfordernissen des Einzelfalles : Bei Heranwachsenden, die in Untersuchungshaft kommen und eine Wohnung haben, leistet die JGH Unterstützung zur Wohnraumsicherung nach den §§ 67 fortfolgende , § 4 DVO SGB XII i.V.m. § 35 SGB XII. Bei laufenden Jugendhilfemaßnahmen wird die Fortführung der Jugendhilfe für einen Übergangszeitraum angestrebt. Im Vorfeld der Haftentlassung erfolgen die Prüfung von Anspruchsberechtigungen (Jugendhilfe, Hilfe für junge Volljährige, öffentliche Unterbringung junger Volljähriger ) und die Initiierung der Hilfen.