BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13956 21. Wahlperiode 14.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 06.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Ausländische Strafgefangene in Hamburgs Justizvollzugsanstalten – Wie viele Haftvollstreckungen erfolgten im Ausland? In Hamburgs Justizvollzugsanstalten verbüßen viele ausländische Gefangene ihre Haftstrafen. In Anbetracht der äußerst knappen Haftplatzkapazitäten stellt sich die Frage, inwiefern das Instrument der Haftvollstreckung im Heimatland genutzt wird beziehungsweise verstärkt genutzt werden könnte. Die Vollstreckung einer in Deutschland ausgesprochenen Freiheitsstrafe erfolgt nach einer Vollstreckungsübernahme durch einen anderen Staat. Bundesweit wird von dieser Möglichkeit selten Gebrauch gemacht, wie die Bundesregierung kürzlich mitteilte: So hat es in den Jahren 2014 300 Ersuchen um Überstellung an das Ausland gegeben, von denen 175 bewilligt wurden, im Jahre 2015 waren es 246, von denen 188 bewilligt wurden und im Jahre 2016 242; 199 wurden bewilligt. Während die Zahl der Ersuchen demzufolge abnahm, stieg parallel die Anzahl der Bewilligungen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Übernahme der Vollstreckung einer Haftstrafe durch einen ausländischen Staat entscheidet sich an den Kriterien einer sinnvollen Strafverfolgung und Strafvollstreckung . Die Stellung eines Ersuchens orientiert sich dabei nicht an der Frage der eigenen Haftplatzkapazitäten, sondern an verschiedenen Zielsetzungen. Dazu zählen Fragen der Resozialisierung, alle sonstigen spezial-, aber auch generalpräventiven Strafzwecke und die rechtlichen und tatsächlichen Vollstreckungsbedingungen im ausländischen Staat sowie die Schwere der Schuld des Straftäters. Statistiken zur Anzahl von Ersuchen und Übernahmen spiegeln mithin nicht Entscheidungen im Interesse einer effektiven Haftraumnutzung wider. Sie zeigen lediglich, in wie vielen Einzelfällen ein Ersuchen und eine Übernahme seitens des das Ersuchen stellenden und seitens des die Übernahme entscheidenden Staates für eine zielführende Strafverfolgung und -vollstreckung als sinnvoll erachtet wurde. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Stelle ist für Ersuchen um Vollstreckung einer Strafe im Ausland zuständig? Das Bundesamt für Justiz entscheidet über die Stellung von Ersuchen um Vollstreckungshilfe , sofern keine völkerrechtliche Übereinkunft mit dem betroffenen ausländischen Staat besteht. Sofern eine entsprechende völkerrechtliche Übereinkunft besteht und diese – wie das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 – den Geschäftsweg zwischen einer Behörde des ausländischen Staates und der Landesregierung oder einer sonstigen Landesbehörde vorsieht, hat die Bundesregierung Drucksache 21/13956 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 die Ausübung ihrer Befugnisse zur Stellung von ausgehenden Ersuchen um Vollstreckungshilfe auf die Landesregierungen übertragen. In Hamburg nimmt die Justizbehörde diese Befugnisse wahr. Hiervon abweichend entscheidet im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den am 25. Juli 2015 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 85 fortfolgende IRG die zuständige Vollstreckungsbehörde direkt – also entweder die Staatsanwaltschaft oder der Jugendrichter – über die Stellung von Ersuchen um Vollstreckungshilfe. 2. Wie viele Ersuchen um Überstellung zur Vollstreckung einer in Deutschland ausgesprochenen Freiheitsstrafe von ausländischen Verurteilten, die in Hamburger Justizvollzugsanstalten einsaßen, hat es seit dem Jahre 2014 jährlich gegeben? 3. Wie viele Bewilligungen durch das Ausland gab es jährlich seit dem Jahre 2014? Jahr Ersuchen Übernahmen 2014 3 2 2015 1 1 2016 5 3 2017 6 3 2018 (Stand 8.8.18) 1 0 4. Wie beurteilt die zuständige Behörde gerade vor dem Hintergrund der äußerst knappen Haftplätze in Hamburgs Justizvollzugsanstalten die Möglichkeit der Vollstreckungsübernahme durch einen anderen Staat? Inwiefern ist eine verstärkte Inanspruchnahme dieses Instruments geplant? Siehe Vorbemerkung. 5. In wie vielen Fällen wurde jährlich seit dem Jahre 2014 gemäß § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen? Bitte jeweils unter Angabe des Herkunftslandes, der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat, der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe sowie der Reststrafe zum Zeitpunkt der Abschiebung angeben. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird das Datum der Absehensentscheidungen nach § 456a StPO nicht erfasst. Die Anzahl der Fälle von Abschiebung aus der Strafhaft beziehungsweise dem Maßregelvollzug, denen eine Entscheidung gemäß § 456a StPO zugrunde lag, stellt sich ausländerbehördlich wie folgt dar: Herkunftsland 2014 2015 2016 2017 2018* Afghanistan 1 - 1 4 1 Ägypten - - - 1 1 Albanien - 1 1 10 1 Algerien - 1 3 2 2 Armenien - - 1 - - Bosnien und Herzegowina - - 2 2 - Bulgarien 6 3 2 2 1 Chile 1 2 2 4 4 Dominikanische Republik - 1 - - - Ecuador - - 1 - - Estland - - - 1 - Gambia 1 - 1 - - Georgien - 1 2 3 1 Ghana - 1 1 1 - Großbritannien 2 - - Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13956 3 Herkunftsland 2014 2015 2016 2017 2018* Guinea - - - 3 1 Guinea-Bissau - 1 - - - Indien - 1 - - - Iran - - 1 1 - Italien 1 - - 2 - Kenia - - - - 1 Kolumbien 1 - - 2 1 Kosovo 1 3 2 2 2 Kroatien - - 1 - - Lettland 1 - 1 - 1 Litauen 1 - 4 4 3 Malaysia 7 - - - - Marokko 3 - 1 6 2 Mazedonien (ehem. jugosl. Rep.) 1 2 2 3 1 Moldau 1 - - - 2 Montenegro - 5 2 - 1 Niederlande 2 1 2 - - Nigeria - - 2 - 1 Norwegen - - 1 - - Pakistan 1 - - - - Paraguay 2 - 2 1 - Peru - - - 1 - Polen 5 7 9 6 3 Portugal - - - 1 - Rumänien 6 5 8 11 8 Russische Föderation - 1 1 - - Schweden 1 - 1 - - Schweiz 1 - - - - Serbien 9 2 8 7 3 Slowakei 2 - 1 - - sonstige asiatische Staaten - - - - 1 Spanien 3 - 3 - 1 Tunesien 1 1 1 - 1 Türkei 7 7 6 1 1 Ukraine 1 -- - - - Ungarn - - - 1 1 Vereinigte Staaten von Amerika - 1 - - - Vietnam - - - 1 - Gesamt 67 47 78 83 46 * Stand 10. August 2018 Die Angaben sind vorbehaltlich einer vollständigen und korrekten Erfassung im ausländerbehördlichen Fachverfahren. Angaben zur der der Verurteilung zugrunde liegenden Straftat, der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe sowie der Reststrafe werden im ausländerbehördlichen Fachverfahren statistisch nicht erfasst beziehungsweise bedürfen einer händischen Nachbearbeitung. Eine händische Auswertung aller 321 Fälle ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.