BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/13967 21. Wahlperiode 14.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Rath und Dennis Gladiator (CDU) vom 06.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Gibt es in Hamburg bereits ein Ankerzentrum? Die Einrichtung von Ankerzentren ist Bestandteil des Koalitionsvertrages, der auf Bundesebene von CDU/CSU und SPD unterzeichnet worden ist. In Hamburg gibt es bereits ein Ankunftszentrum, das im Grunde ähnlich strukturiert ist wie die vorgesehenen Ankerzentren, weil auch hier verschiedene Behörden an einem Ort zusammenarbeiten. So gab es in diesem Zusammenhang auch den Plan, Asylbewerber unter dem Aspekt ihrer Bleibeperspektive in verschiedene Cluster einzuteilen und jene, deren Bleibeperspektive schlecht ist, innerhalb von zwei Tagen einen negativen Asylbescheid auszuhändigen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Erfolgt im Ankunftszentrum die geplante Einteilung in Cluster? Wenn ja, wie viele Flüchtlinge wurden im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 jeweils in welche Cluster eingeteilt? Wenn nein, warum wurde von der Cluster-Einteilung Abstand genommen ? 2. Wie lange dauert die Bearbeitung eines Asylbescheids je nach Cluster durchschnittlich? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führt die Asylverfahren gemäß § 5 Asylgesetz (AsylG) in alleiniger Zuständigkeit durch. Das BAMF hat mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet, und auf freiwilliger Grundlage aufgrund der anhaltenden Arbeitsbelastung aktuell nicht in der Lage, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. Zur durchschnittlichen Verfahrensdauer, differenziert nach „Neufällen“ und „Altfällen“, siehe die Antworten des Senats auf die monatlichen Schriftlichen Kleinen Anfragen zum Flüchtlingsmonitoring, zuletzt Drs. 21/13796. 3. Werden alle Asylbewerber, auch jene im Cluster mit der schlechtesten Bleibeperspektive, auf andere EAs verteilt? Wenn ja, warum? Ja, im Übrigen siehe Drs. 21/10387. Durch die zurückgegangene und weiter zurückgehende Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen ist die Verteilung sehr begrenzt. 4. Erfolgt die zentrale Kompetenzerfassung wie geplant ausschließlich immer im Ankunftszentrum direkt nach Einreise/Asylantragstellung? Wenn ja, wie viele Kompetenzerfassungen wurden im Jahr 2017 und bisher im Jahr 2018 durchgeführt? Drucksache 21/13967 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn nein, warum nicht? Die zentrale Erfassung der Kompetenzen seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA, Team Flucht und Asyl), beruhend auf den Angaben der Geflüchteten, erfolgt im Ankunftszentrum. Nachgelagert kann gegebenenfalls eine Erfassung der Kompetenzen durch die BA (Team Flucht und Asyl) in der Norderstrasse 105 erfolgen. Im Übrigen siehe Drs. 21/11649 und 21/13796. 5. Findet der Einstufungstest für alle potenziellen Teilnehmer eines I-Kurses wöchentlich zentralisiert im Ankunftszentrum statt? Wenn ja, wie viele dieser Einstufungstesttermine gab es im Jahr 2017 und im Jahr 2018 mit wie vielen Teilnehmern insgesamt? Wenn nein, warum nicht? Seit März 2017 pilotiert das für die Integrationskurse zuständige BAMF in Hamburg eine Zentrale Test- und Meldestelle, um die Zusteuerung in das Integrationskursangebot zu optimieren. Vertreterinnen des BAMF haben im zuständigen Fachausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft auch zu Fragen der Zentralen Test- und Meldestelle Stellung genommen (siehe Protokoll der Sitzung des Ausschusses Soziales, Arbeit und Integration Nummer 21/22 vom 28. September 2017). Zur Frage der Anzahl der Personen, welche die Zentrale Test- und Meldestelle bislang durchlaufen haben, siehe Drs. 21/11649 und 21/12038. Aktuellere Daten wurden vom BAMF nicht zur Verfügung gestellt (siehe zuletzt Drs. 21/13796). 6. Welche Stellen sind aktuell im Ankunftszentrum mit jeweils wie vielen VZÄ und jeweils welchen Aufgaben vertreten? Das Einwohner-Zentralamt ist mit 91,91 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und folgenden Aufgaben im Ankunftszentrum vertreten: Ausländerrechtliche Erstbearbeitung, insbesondere asylrechtliche Erfassung und Verteilung von Asylsuchenden und unerlaubt eingereisten Ausländern Rückkehrberatung und Organisation freiwilliger Ausreisen, Beantragung und Gewährung von Fördermitteln Erteilung von elektronischen Aufenthaltstiteln Prüfung der Freizügigkeit obdachloser EU-Bürger Interner Service (Bereitstellung sensibler Dokumente, Materialbeschaffung, Steuerung der Prozesse, Bau und Betrieb, Rechnungsprüfung) Leistungssachbearbeitung, insbesondere Grundbewilligung von Leistungen Leistungseinschränkung Rückforderungen Verwaltungsaußenstelle: laufende Leistungen, einmalige Leistungen nach § 5,6 Asylbewerberleistungsgesetzt (AsylbLG) Analogumstellungen nach § 2 AsylbLG Ersatzansprüche gegen vorrangige Leistungsträger Verlängerung der Mobilitätskarten f & w fördern und wohnen AöR (f & w) ist mit 40,91 VZÄ und folgenden Aufgaben im Ankunftszentrum vertreten: Teamleitung: betriebliche Steuerung und Personalführung Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/13967 3 Unterkunftsmanagement: Belegungssteuerung und Transfermanagement, Monitoring des Bearbeitungsstands und Aktivierung der Bewohner/-innen zur Wahrnehmung der Mitwirkungspflicht, Begehungen, allgemeine Verwaltungstätigkeiten Sozialmanagement: Erstgespräche zur Erläuterung der Abläufe und Erfassung von Akutbedarfen, Verweisberatung in Akutfällen, Krisenintervention, Information über soziale Angebote Technischer Dienst: Instandhaltung und Pflege der Liegenschaft Nach Auskunft der BA sind aktuell 3,0 VZÄ im Ankunftszentrum tätig. Das Gesundheitsamt Hamburg-Mitte ist mit 2,64 VZÄ im Ankunftszentrum vertreten. Das Gesundheitsamt Hamburg-Altona ist aktuell durch folgenden Funktionen im Ankunftszentrum vertreten: Arzt (1,75 VZÄ), Assistenz/Verwaltung (1,0 VZÄ) und Gesundheits- und Krankenpfleger (1,0 VZÄ). Eine Aufstockung auf je 2,0 VZÄ beziehungsweise 3,0 VZÄ (Gesundheits- und Krankenpflege) soll noch im August erfolgen. Nach einem Bericht des BAMF (Stand 13. Juli 2018) wird die Anzahl des im Juni 2018 in Hamburg eingesetzten Personals in Vollzeitäquivalenten (zum 1. des Monats) mit insgesamt 121 angegeben. Dabei wird nicht zwischen dem im Ankunftszentrum und in der BAMF-Außenstelle Sachsenstraße eingesetztem Personal differenziert; im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2. 7. Worin unterscheiden sich das Ankunftszentrum in Hamburg und die Ankerzentren in Bayern in der Art und Weise ihrer Organisation und Abwicklung? Bei dem Ankunftszentrum in Hamburg handelt es sich um ein zentrales Aufnahmeund Entscheidungszentrum, in dem die wesentlichen Verfahrensbeteiligten, nämlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Ausländerbehörde und die Bundesagentur für Arbeit „unter einem Dach“ eng zusammenarbeiten. Dies betrifft insbesondere die Erstregistrierung der Schutzsuchenden und die ersten Verfahrensschritte zur Durchführung der Asylverfahren (Antragsentgegennahme, Anhörung), wenn möglich einschließlich der Entscheidung über den Schutzantrag durch das BAMF. Mit dem Jugendamt ist ein effektives Verfahren zur Aufnahme von Personen installiert, die angeben, unbegleitete Minderjährige zu sein. Zu den Einrichtungen in Bayern siehe https://www.stmi.bayern.de/med/ pressemitteilungen/pressearchiv/2018/290a/index.php. 8. Sind für das Ankunftszentrum in Hamburg Änderungen in Organisation und Abwicklung analog zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag im Bund geplant? Wenn ja, inwiefern zu wann? Wenn nein, warum nicht? Das Hamburger Ankunftszentrum besteht in seiner jetzigen Form bereits seit 2016 und hat bereits – vor der Vereinbarung zur Schaffung von Anker-Einrichtungen im Koalitionsvertrag – eine Bündelung der Verfahrensbeteiligten etabliert. An der Weiterentwicklung der Prozesse im Ankunftszentrum wird kontinuierlich gearbeitet. Dies erfolgt auch im Sinne aller Betroffenen, um sowohl die Rahmenbedingungen für die Integration Bleibeberechtigter frühzeitig positiv zu gestalten wie auch für die Personen , deren Schutzantrag abgelehnt wird, eine zügige Klärung der weiteren Perspektiven zu ermöglichen. Für die im Koalitionsvertrag mit dem Begriff „Anker“ umschriebenen Einrichtungen liegen keine schriftlichen Konzepte vor. Erörterungen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) lassen erkennen, dass der Gedanke der Anker- Einrichtungen von der Vorstellung getragen wird, verschiedene am Verfahren beteiligte Stellen in den Einrichtungen zu konzentrieren und bei Ablehnung von Schutzanträgen die Betroffenen nicht in die kommunalen Einrichtungen zu verteilen, weil dies durch die Verteilung in eine große Fläche die Rückführung erschwert. Drucksache 21/13967 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die bisherigen Diskussionen mit dem BMI und den Ländern machen deutlich, dass dieser Gedanke sehr stark von der Situation in den sogenannten Flächenländern geprägt ist, in denen mit der kommunalen Verteilung oft auch der Übergang der ausländerrechtlichen Zuständigkeit auf verschiedenste Ausländerbehörden verbunden ist. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die angestrebte Zusammenführung beteiligter Stellen im Verfahren in einer überwiegenden Anzahl von Ankunftseinrichtungen, wie auch in Hamburg, bereits erfolgt ist. Lediglich Gericht und Jugendämter sind dort regelmäßig noch nicht vertreten. Die bisherigen Erörterungen haben aber auch deutlich gemacht dass die Umsetzung des Gedankens noch eine Reihe offene Fragen aufwirft, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Schulpflicht, der vorgesehen Verweildauer , die im Asylgesetz so bisher nicht vorgesehen ist, dem Umgang mit Betroffenen nach Ablauf der Frist, der Möglichkeit des BAMF, Verfahren zu beschleunigen und Sicherheitsfragen. Das BMI hat deutlich gemacht, dass die Bundespolizei für die Anker-Einrichtungen nicht zur Unterstützung zur Verfügung steht. Zudem stellen sich die organisatorischen und räumlichen Situationen wie auch die Verfahrensabläufe in den Ländern unterschiedlich dar. Vor diesem Hintergrund strebt das BMI derzeit wohl individuelle Erörterungen mit den Ländern an.