BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1397 21. Wahlperiode 01.09.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 25.08.15 und Antwort des Senats Betr.: Gesundheitsversorgung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund – Kultursensible Pflege Laut Statistikamt Nord haben Ende 2013 haben rund 550.000 Menschen mit Migrationshintergrund in Hamburg gelebt (Ende 2010 noch 515.000, die Tendenz ist seit Jahren steigend), das sind knapp 31 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner. Davon sind 16 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen über 65 Jahre. Darunter dürften viele Pflegebedürftige sein, worüber aber keine Daten vorliegen. Darunter wiederum ist ein großer Anteil von Menschen, die in einer anderen Sprache betreut werden müssten, weil sie nur ihre Herkunftssprache sprechen oder im Falle von Demenz in diese zurückfallen. Im Integrationskonzept, das im Februar 2013 durch den Senat beschlossen wurde, wurde als Teilziel genannt, kultursensible Angebote zu schaffen. Ich frage den Senat: 1. Welche Maßnahmen werden ergriffen beziehungsweise unterstützt, um kultur-, sprach- und religiössensibles (Pflege-)Personal aus- beziehungsweise weiterzubilden? Die Altenpflegeausbildung ist auf die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz ausgerichtet. Dabei ist ein wesentliches Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler zentrale pflegerelevante Aspekte anderer Kulturen und Religionen kennen. Sie sollen in der Lage sein, kulturspezifische Bedürfnisse der zu Pflegenden zu ermitteln und diese bei der Gestaltung individueller Pflege unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation der Betroffenen einzubeziehen. Im Lernfeld 30 (mit einem Umfang von 60 Unterrichtsstunden) „Lebenswelten und soziale Netzwerke beim altenpflegerischen Handeln berücksichtigen“ des Hamburger Bildungsplans Altenpflegerin/Altenpfleger werden Kompetenzen vermittelt, die Pflegefachkräfte dazu befähigen, die Autonomie der beziehungsweise des jeweiligen zu Pflegenden bei der individuellen Lebensgestaltung – unter Einbeziehung des jeweiligen sozialen Netzwerkes – zu berücksichtigen. Spezifische kultur-, sprach- und religionsbezogene Bedürfnisse zu Pflegender werden bei der Vermittlung der Kompetenzen in allen Lernfeldern berücksichtigt und zum Beispiel in den Handlungsfeldern „Kommunikation“, „Ernährung“, „besondere Aspekte der Biografiearbeit“, „Umgang mit Sterben und Tod“ besonders einbezogen. Darüber hinaus ist das Ausbildungsziel kultursensibler Altenpflegefachkräfte in einem eigenen Lernfeld „Kultursensibel pflegen“ (Lernfeld 20, mit einem Umfang von 60 Unterrichtsstunden) des Bildungsplans verankert. In den Curricula der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflegeschulen sind in allen Themenfeldern kulturspezifische Inhalte integriert. Jede Aktivität des täglichen Lebens Drucksache 21/1397 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 wie die der Körperpflege oder der Nahrungsaufnahme wird hierbei berücksichtigt. Ein sehr großes Gewicht haben die existentiellen Themen Tod und Sterben, die intensiv aus Sicht der unterschiedlichen Religionen und Kulturen betrachtet werden. In den Lerngruppen sind häufig Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Nationalitäten vertreten, die in der Auseinandersetzung mit diesen Themen besondere Aspekte und Sichtweisen mitbringen. Das Thema kultursensible Pflege wird in der gesamten Gesundheits- und Pflegeassistenzausbildung thematisiert. Im Rahmen der Fortbildungen in der Langzeitpflege zur verantwortlichen Pflegefachkraft , zur leitenden Pflegekraft und zur Einrichtungsleitung wird das Thema kultursensible Pflege ebenso berücksichtigt wie in den Fortbildungen zur Fachpflegekraft und zur koordinierenden Fachpflegekraft in der gerontopsychiatrischen Pflege. In den staatlich geregelten Fachfortbildungen der Krankenpflege wird die interkulturelle Pflege in den relevanten Themenbereichen ebenfalls intensiv berücksichtigt. 2. In einem Artikel in „Die Welt“ vom 22. Juli 2015 wird eine von PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG GmbH betriebene Pflegestation speziell für muslimische Seniorinnen und Senioren im Hamburger Stadtteil Horn porträtiert. Der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Roland Ahrendt, wird zitiert: „Kulturelle und religiöse Gewohnheiten muss man berücksichtigen , dafür ist geschultes Personal nötig, das die Sprache spricht“. a. Welche zielgruppenspezifischen und niedrigschwelligen Betreuungsangebote im Sinne des Teilziels „kultursensible Angebote schaffen“ gibt es inzwischen? Im April 2014 wurde das erste zielgruppenspezifische und niedrigschwellige Betreuungsangebot für türkischstämmige Migrantinnen und Migranten gestartet: Gönüllü (bedeutet „Freiwillige/r“). Das Projekt wird in Kooperation zwischen dem DiakonieHilfswerk Hamburg, der HAMBURGISCHE BRÜCKE – Gesellschaft für private Sozialarbeit e.V. und der Türkischen Gemeinde in Hamburg und Umgebung e.V. durchgeführt und gefördert. Kernangebote von Gönüllü sind ein türkischsprachiger Besuchsdienst und eine Betreuungsgruppe für an Demenz erkrankte, ältere türkischsprachige Menschen und ihre Angehörigen. b. Das Haus Veringeck wird als Projektmodell betrachtet, für das eine Auswertung geplant war. Liegt diese Auswertung vor? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen ist sie gekommen? Wenn nicht, warum nicht und wann ist mit der Auswertung zu rechnen ? Die Auswertung liegt vor. Sie kann bei der Internationalen Bauausstellung und der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz elektronisch oder als Broschüre bezogen werden. Sie kommt zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen: „Das Projekt hat sich in großen Teilen bereits bewährt, liefert Erkenntnisse über Erfolgsfaktoren und Hemmnisse und wird sich weiter als selbstverständlicher Bestandteil in das Viertel und die Nachbarschaft integrieren.“