BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14013 21. Wahlperiode 17.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 09.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Synergiepotenziale Netzgesellschaften – Biegt sich der Senat jetzt für den Rückkauf des Fernwärmenetzes die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung (LHO) zurecht? Zwischen dem mit Vattenfall vereinbarten Mindestkaufpreis für das Fernwärmenetz und dem Ergebnis des aktuellen Wertgutachtens besteht eine Differenz von circa 305 Millionen Euro. Gemäß LHO darf die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) das Fernwärmenetz somit nicht zum vereinbarten Mindestkaufpreis zurückkaufen. Das ‚Hamburger Abendblatt‘ berichtete am 28.07.2018 nunmehr, dass der Senat sich damit beschäftige, inwieweit unter Berücksichtigung von „Synergieeffekten “ mit anderen, bereits in städtischer Hand befindlichen Netzgesellschaften sowie weiterer Kriterien potenziell doch ein höherer Kaufpreis gerechtfertigt werden könne.1 Umweltsenator Jens Kerstan (GRÜNE) bestätigte dies wenige Tage darauf in einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“.2 Bislang hat der Carve-Out der verschiedenen Netzgesellschaften der Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) sowie der Gasnetz Hamburg GmbH (GNH) aus ihren bisherigen Muttergesellschaften zunächst einmal zu erheblichen Dyssynergien geführt und (Trennungs-)Kosten sowie Investitionsbedarfe in zwei- bis dreistelligem Millionenumfang ausgelöst. Dies wurde zuletzt auch von den Vertretern der GNH im Ausschuss Öffentliche Unternehmen am 01.06.2018 noch einmal betont.3 Letztlich trug und trägt dies neben anderen Effekten zu den Verlusten der Netzgesellschaften in den ersten Jahren nach ihrem Rückkauf bei. Auch im Fernwärmebereich ist damit zu rechnen, dass zunächst erhebliche Trennungskosten und darüber hinaus in den bislang vom Senat favorisierten Szenarien massive Investitionsbedarfe für den Ersatz des Heizkraftwerks (HKW) Wedel anfallen werden. Das Fernwärmenetz unterscheidet sich zudem hinsichtlich Wertschöpfungskette und Risikoprofil deutlich von Stromund Gasnetz. Deshalb äußerten sich auch die Vertreter der HGV zuletzt im Ausschuss Öffentliche Unternehmen am 30.11.2017 eher zurückhaltend bezüglich einer möglichen Integration des Fernwärmenetzes in eine gemein- 1 Vergleiche https://www.abendblatt.de/hamburg/article214953319/Moorburg-Vattenfall-unddas -schwedische-Finale.html. 2 Vergleiche https://www.abendblatt.de/hamburg/article214991603/Jens-Kerstan-Vattenfall-einschwieriger -Partner.html. 3 Vergleiche Protokoll Nummer 21/29 des Ausschusses Öffentliche Unternehmen, Seiten 5 und 8 folgende. Drucksache 21/14013 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 same Netzgesellschaft mit SNH und GNH und folglich daraus möglicher Synergieeffekte.4 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Werthaltigkeit von Investitionen (einschließlich zunächst anfallender Zusatzkosten ) in Netzinfrastrukturen und Energieerzeugungssysteme ist aufgrund der hohen Kosten langfristig zu betrachten. Als kommunale Investition sollen sie darüber hinaus einen Zusatznutzen für die Bürger, regionale Standortvorteile, die Infrastrukturentwicklung der Stadt sowie den Klimaschutz erbringen. Der Volksentscheid „Energienetze“ verpflichtet Senat und Bürgerschaft, alle notwendigen und zulässigen Schritte zu unternehmen, um die Hamburger Energienetze wieder in die öffentliche Hand zu übernehmen. Der Senat nimmt diesen Auftrag ernst und prüft im Vorfeld der Investitionsentscheidung über den vollständigen Erwerb der Fernwärmegesellschaft umfassend alle dafür relevanten Aspekte. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Informationen der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) wie folgt: 1) Wurde in den im Verlauf dieses Jahres vorgelegten Gutachten zum Wert des Fernwärmenetzes eine Stand-alone-Betrachtung der Fernwärmenetz -Gesellschaft durchgeführt? Wenn nein, welche Bewertungsweise wurde dann gewählt? Ja. 2) Wurde auch eine Betrachtung des Wertes unter Berücksichtigung möglicher Synergien und sonstiger Zusatzwerte vorgenommen oder wurde eine solche Untersuchung in Auftrag gegeben? a. Wenn ja, wann und durch wen an welchen Auftragnehmer? Welche Kosten waren beziehungsweise sind damit verbunden? b. Zu welchem Ergebnis kam die Untersuchung beziehungsweise bis wann sollen entsprechende Ergebnisse vorliegen? c. Wie hoch wurden jeweils welche konkreten Synergieeffekte und sonstige Zusatzwerteffekte bewertet? d. Bei welchen dieser Synergieeffekte handelt es sich um sogenannte unechte Synergieeffekte im Sinne des IDW-S1-Standards? 3) Welche konkreten Synergieeffekte können nach Auffassung des Senats sowie der zuständigen Behörden und betroffenen Unternehmen zwischen den städtischen Netzgesellschaften jeweils erzielt werden? Nein, soweit es die gemeinsame Wertermittlung (IDW S1) betrifft. Der Senat lässt nun zur Vorbereitung seiner Entscheidung die Angemessenheit des Mindestkaufpreises unter der Berücksichtigung von Synergien, die nicht in die Ertragswertbetrachtung eingeflossen sind, untersuchen. Auftragnehmer ist die LBD- Beratungsgesellschaft mbH, Berlin, der Auftragswert beträgt netto 218.440 Euro. Der Prozess der Erarbeitung dieses Gutachtens ist noch nicht abgeschlossen. Gegenstand der Untersuchung ist, ein Unternehmenskonzept für die Fernwärmegesellschaft bei unternehmerischer Führung durch die Freie und Hansestadt Hamburg zu entwickeln. Dieses Konzept wird auch die Synergiemöglichkeiten mit anderen öffentlichen Gesellschaften beinhalten. a. Welche Investitionen und welcher Aufwand waren und sind dafür bislang in etwa welcher Höhe notwendig? 4 Vergleiche Protokoll Nummer 21/23 des Ausschusses Öffentliche Unternehmen, Seite 17 folgende. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14013 3 b. Welche sonstigen Trennungskosten sind durch Herauslösung aus den vorherigen Muttergesellschaften bislang in welcher Höhe angefallen ? Mit welchen weiteren Trennungskosten in welcher Höhe wird noch gerechnet? c. Wie hoch werden die Trennungskosten für einen vollständigen Rückkauf des Fernwärmenetzes etwa ausfallen? 4) Mit welchen Investitionsvolumina und welchen Kosten wird derzeit für die verschiedenen Szenarien zum Ersatz des HKW Wedel, insbesondere der bislang favorisierten „Südvariante“, gerechnet? Inwieweit fanden beziehungsweise finden diese Berücksichtigung in der Wertermittlung des Fernwärmenetzes? Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Die Investitionsvolumina hängen unter anderem von Anforderungen aus den Genehmigungsverfahren sowie den Ausschreibungsergebnissen ab. Hinzu kommt, dass mögliche Veränderungen, die sich aus den laufenden Verhandlungen mit Vattenfall zum Ersatz des Kraftwerks Wedel ergeben können, berücksichtigt werden müssen. In dem bereits vorliegenden Gutachten (BDO-Gutachten zur objektivierten Unternehmensbewertung nach IDW S 1) wurden Investitionen für den Ersatz des HKW Wedel berücksichtigt. Die Inhalte unterliegen der Geheimhaltung. 5) Ist der Senat der Auffassung, dass alle Synergie- und sonstigen Zusatzwerteffekte die Differenz von 305 Millionen Euro zwischen Mindestkaufpreis und ermitteltem Stand-alone-Wert des Fernwärmenetzes auch unter Berücksichtigung der Trennungskosten ausgleichen werden? Wenn ja, warum und auf welcher konkreten Grundlage? Damit hat sich der Senat noch nicht befasst.