BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14017 21. Wahlperiode 17.08.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 10.08.18 und Antwort des Senats Betr.: Fahrradfalle Fahrzeugtür (II) – Wie viele „dooring“-Unfälle gab es 2017, was hat der Senat dagegen getan und wie ist es um den „Holländischen Griff“ in Hamburg bestellt? Die Zahl von Radverkehrsunfällen war in den vergangenen Jahren konstant hoch. So ereigneten sich im vergangenen Jahr 3.143 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung auf und an Hamburgs Straßen (Drs. 21/12113). Hierbei kamen 2.318 Menschen zu Schaden. Davon wurden 2.096 Personen leicht verletzt, 219 schwer verletzt und drei Personen getötet. Ein in diesem Zusammenhang viel diskutiertes, aber lange Zeit nicht mit validen Zahlen unterfüttertes Thema ist das sogenannte dooring.1 Dabei handelt es sich um Verkehrsunfälle, bei denen Fahrräder mit sich oftmals urplötzlich öffnenden Türen von Kraftfahrzeugen (Kfz) kollidieren. Weil Radfahrern in solchen Situationen extrem wenig Zeit zum Bremsen oder gar Ausweichen bleibt, sind die Unfallfolgen in vielen Fällen erheblich. Insbesondere bei der Planung und Errichtung von Radverkehrsanlagen ist daher die sogenannte door zone in den Fokus gerückt.2 Bei der „door zone“ handelt es sich um jenen Nahbereich rund um ein Fahrzeug, in den eine geöffnete Fahrzeugtür reichen kann. Wobei logischerweise auch Pkws, Lkws und Krafträder (Krad) mit sich öffnenden beziehungsweise geöffneten Türen von geparkten Kraftfahrzeugen kollidieren können. Im Juni 2017 hatte eine CDU-Anfrage (21/9402) erstmals Licht in das Dunkelfeld dieses Unfallbildes gebracht. Demnach wurden in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 734 Verkehrsunfälle mit zusammen 667 verletzten Personen , darunter 50 Schwerverletzte, in Hamburg registriert, bei denen die Unfallursache „Fehler beim Ein-/Aussteigen oder Be-/Entladen“ lautete und bei denen die Hauptverursacher Kraftfahrzeugfahrer und weitere Beteiligte Radfahrer waren. Die Gesamtzahlen für das Jahr 2017 sowie die vorläufigen Zahlen für das laufende Jahr sind bisher nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Moderne Radverkehrsanlagen einschließlich der erforderlichen Sicherheitstrennstreifen – das betrifft bauliche Radwege, Radfahr- und Schutzstreifen gleichermaßen – ermöglichen eine sichere Verkehrsführung. Insbesondere bei Altbestandsradwegen, die direkt an Parkplätze angrenzen beziehungsweise auf oder neben denen widerrechtlich geparkt wird, haben oftmals noch einen anderen Standard. Bei allen neu 1 https://en.wikipedia.org/wiki/Dooring. 2 https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/Der-Fahrradkrieg-Kampf-um-die- Strassen,sendung631726.html, siehe hier ab Minute 4:11. Drucksache 21/14017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 angelegten Radverkehrsanlagen wird in Hamburg auf die Einhaltung der Vorgaben zum Sicherheitstrennstreifen geachtet. Grundlage hierfür sind die Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen (ReStra, siehe www.hamburg.de/ bwvi/grundlagen-strassenwesen). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Radverkehrsunfälle, bei denen es zu einer Kollision mit einer Tür eines abgestellten beziehungsweise geparkten Kraftfahrzeugs gekommen ist, haben sich 2017 und 2018 in Hamburg ereignet? Bitte jahresweise aufschlüsseln. Die nachstehenden Verkehrsunfalldaten sind durch eine Abfrage in der Datenbank „Elektronische Unfalltypensteckkarte“ (EUSka) am 13. August 2018 ermittelt worden. Auswertbare Verkehrsunfallzahlen liegen für den erfragten Zeitraum bis einschließlich 30. Juni 2018 vor; die Zahlen für das Jahr 2018 sind vorläufig. Im Übrigen siehe Drs. 21/9402. Jahr Anzahl Verkehrsunfälle 2017 146 2018 77 2. Wie viele Menschen verunglückten bei den mit Frage 1. erfragten Unfällen ? Bitte jahresweise aufschlüsseln sowie die Verunglückten nach Leichtverletzten, Schwerverletzten und Getöteten aufschlüsseln. Die folgende Tabelle stellt für die in der Antwort zu 1. angegebenen Verkehrsunfälle jahresweise die Anzahl der insgesamt Verunglückten und die der davon leicht beziehungsweise schwer verletzten Personen dar. Tödlich Verunglückte gab es bei diesen Verkehrsunfällen nicht. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. Jahr Verunglückte gesamt Anzahl Schwerverletzte Anzahl Leichtverletzte 2017 133 10 123 2018 67 2 65 Gesamt 200 12 188 3. Haben sich der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden seit dem Beantwortungszeitpunkt von Drs. 21/9402, also dem 20. Juni 2017, mit dem „dooring“-Problem und Maßnahmen zu dessen Behebung befasst? Wenn ja, wann, in welchem Gremium und mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Es ist ständige Aufgabe der Polizei als Straßenverkehrsbehörde, bei der Planung von Radverkehrsanlagen zur Vermeidung derartiger Verkehrsunfälle beizutragen; im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/9402. 4. Auf wie vielen Straßenkilometern in Hamburg sind aktuell Radfahr- oder Schutzstreifen aufmarkiert? 5. Auf wie vielen Straßenkilometern wurden seit 2011 in Hamburg Radfahroder Schutzstreifen aufmarkiert? Bitte jahresweise inklusive des laufenden Jahres aufschlüsseln. Jahr (Stand jeweils 31. Dezember) Neuanlage Radfahrstreifen und Schutzstreifen (m) Kumulierter Bestand (m) 2011 1.940 22.540* 2012 4.370 26.910 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14017 3 Jahr (Stand jeweils 31. Dezember) Neuanlage Radfahrstreifen und Schutzstreifen (m) Kumulierter Bestand (m) 2013 6.390 33.300 2014 11.060 44.360 2015 10.355 54.715 2016 12.960 67.675 2017 16.895 84.570 2018 (Stand 31. Juli) 4.510 89.080 * Eine genaue Statistik zum Bestand an Schutz- und Radfahrstreifen vor dem Jahr 2011 besteht nicht. Der Wert ist daher als Schätzwert zu verstehen. 6. Gefragt nach dem sogenannten Holländischem Griff, bei dem die jeweilige Fahrzeugtür mit der weiter entfernten Hand geöffnet wird, wodurch die jeweilige Person den Oberkörper leicht dreht und automatisch einen Schulterblick macht, antwortete der Senat in Drs. 21/9564: „Der zuständigen Fachbehörde ist diese Methode bekannt. Bereits in dem Bündnis für den Radverkehr vom 23. Juni 2017 ist festgehalten, dass in Zusammenarbeit mit der Hamburger Fahrlehrerschaft bei der Ausbildung und Prüfung angehender Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sowie der Fahrschülerinnen und Fahrschüler im Rahmen bestehender Spielräume Elemente zum Thema Sicherheit des Radverkehrs noch stärker in den Vordergrund gestellt werden.“ Inwiefern und durch welche konkreten Maßnahmen wurden seither, wie vom Senat versprochen, a) Elemente zum Thema Sicherheit des Radverkehrs im Allgemeinen, b) Elemente zum Thema Vermeidung von „dooring“-Unfällen, beispielsweise durch den „Holländischen Griff“ im Speziellen, in den Vordergrund gestellt? Die Polizei hat folgende Präventivmaßnahmen im Sinne der Fragestellung a) durchgeführt : Aktion „Geisterradler“ Eine der Hauptunfallursachen beim Radfahren ist das Befahren von Radwegen auf der falschen Straßenseite. Seit Anfang des Jahres 2018 sind die sogenannten Geisterradler Schwerpunkt der Präventionsaktionen der Polizei in Zusammenarbeit mit weiteren Trägern der Verkehrssicherheitsarbeit. Präventionsaktionen zum Thema wurden am 17. April 2018 im Umfeld der Universität Hamburg und 18. Juni 2018 im Rahmen der Fahrradsternfahrt durchgeführt. Darüber hinaus ist für den 24. August 2018 eine Präsentation dieses Themas und der nachfolgend benannten Themen auf dem Wandsbeker Marktplatz geplant. Thema „Abbiegeunfälle“ Am 25. Juni 2018 hat die Polizei eine Verkehrssicherheitsaktion zur Vermeidung von Abbiegeunfällen am Autohof Waltershof verwirklicht. Kampagne „#FREIHALTEN“ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e.V. (ADFC) Der ADFC bereitet mit Beginn Oktober des Jahres 2018 eine Kampagne zum Thema „zugeparkte Radfahrstreifen“ vor. Hieran wird sich auch die Polizei beteiligen . Aktion „Fahrradfuchs“ Seit dem Jahr 2017 ist die Aktion Fahrradfuchs fester Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei. Analog zur Aktion Verkehrsfuchs bieten Verkehrslehrerinnen und Verkehrslehrer kostenlose Wochenkurse in den Schulferien an. Sie führen die Kinder schrittweise an Verkehrssituationen heran und üben richtige Verhal- Drucksache 21/14017 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 tensweisen im Straßenverkehr – ein Verkehrssicherheitstraining für junge Radfahrerinnen und Radfahrer der Klassen 2 bis 4. Spezielle Präventivmaßnahmen im Sinne der Fragestellung b) werden von der Polizei nicht durchgeführt; im Übrigen siehe Antwort zu 3.